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Nach dem Diesel-Urteil
"Emissionsproblematik wird bestehen bleiben"

Tobias Kuhnimhof vom DLR Institut für Verkehrsforschung glaubt nicht, dass Diesel-Fahrverbote alleine ausreichen, um die Luftqualität in deutschen Städten zu verbessern. Um die Mobilität der Menschen zu verändern müsse man das Autofahren etwas erschweren, sagte er im Dlf.

Tobias Kuhnimhof im Gespräch mit Silke Hahne | 27.02.2018
    21.02.2018, Baden-Württemberg, Stuttgart: Autos stehen während eines Feinstaubalarms in einem Stau. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt am 22.02.2018 darüber, ob Fahrverbote für Dieselautos in Städten rechtlich zulässig sind.
    Tobias Kuhnimhof befürchtet, dass künftig der Absatz von Benzinern nach dem Urteil des BVerwG steigen könnte (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    Silke Hahne: Klar ist: Das Urteil aus Leipzig bedeutet nicht, dass von heute auf morgen keine Diesel mehr in die Städte fahren dürfen. Dennoch: Um die Luft in den Städten zu verbessern, muss Mobilität sich verändern. Und wie das gehen könnte, darüber konnte ich kurz vor dieser Sendung mit Tobias Kuhnimhof sprechen, vom DLR Institut für Verkehrsforschung. Als erstes habe ich ihn gefragt: Schmutzige Diesel könnten in den kommenden Jahren nach und nach aus den Städten verschwinden. Womit rechnen Sie? Wie reagieren die Verkehrsteilnehmer? Kaufen die einfach Benziner oder steigen die aufs Rad?
    Tobias Kuhnimhof: Betroffen von den Fahrverboten wären ja in erster Linie ältere Diesel, die zwei, drei Jahre oder älter sind. Das betrifft vor allem erst mal den Gebrauchtwagenmarkt, und da gibt es zwei Effekte. Einerseits dürften ältere Diesel wohl einen Wertverlust erfahren, weil sie einfach nicht mehr das Universalverkehrsmittel sind, das sie heute noch sind. Auf der anderen Seite dürften Fahrer, die regelmäßig mit einem solchen Fahrzeug unterwegs sind, auf Strecken, die dann vielleicht in Fahrverbote fallen, die würden sich wohl nach Alternativen umschauen für ihr Fahrzeug, und das in derselben Preisklasse. Das heißt, die gucken wohl nach älteren Benzinern, damit sie weiter fahren können. Dann könnten ältere Benziner einen gewissen Wertgewinn haben. Da haben wir am Gebrauchtwagenmarkt gewisse Umschichtungen mit Gewinnern und Verlierern.
    Wenn wir auf den Neuwagenmarkt schauen, dann stellt sich die große Frage: Werden Neuwagenkäufer Sicherheit haben, dass man mit einem neuen Diesel auch zukünftig in die Stadt fahren kann? Wenn sie diese Sicherheit haben, dann tut sich möglicherweise wenig am Neuwagenmarkt und die Menschen kaufen sogar weiterhin neue Diesel. Wenn es diese Sicherheit nicht gibt, dann dürften wir wohl einen Anstieg des Benzineranteils unter den Neuwagen sehen. Das wäre allerdings wiederum schlecht für das Erreichen unserer Klimaziele, denn Diesel verbrauchen etwas weniger und haben dadurch natürlich einen Reduktionsbeitrag bei den Klimazielen geleistet. Die Klimaziele zu erreichen im Jahr 2030, das rückt dann in noch weitere Ferne.
    "Kommunen haben hier ein bisschen den schwarzen Peter"
    Hahne: Die Bewegungsfreiheit des Individuums ist ja der Vorteil des Autos, vielleicht auch der Grund, warum weiterhin Menschen Autos kaufen werden, wie gerade von Ihnen beschrieben. Der Platz, der Lärm und die Luftverschmutzung in Städten, das sind die Nachteile.
    Ist das Urteil jetzt eine Chance für Kommunen, den Verkehr umzuorganisieren, so dass für die Bewohner der Städte weniger Nachteile entstehen?
    Kuhnimhof: Zunächst einmal ist es natürlich so, dass die Kommunen hier ein bisschen den schwarzen Peter haben. Sie sollen jetzt ein Problem retten, das sie nicht verursacht haben, und müssen sich überlegen, wie machen sie denn das am besten.
    Aber mit den Fahrverboten kriegt man möglicherweise die Stickstoff-Dioxid-Problematik ganz gut in den Griff, so dass wir da unter die EU-Grenzwerte kommen. Das wäre aber wahrscheinlich in den nächsten Jahren früher oder später sowieso passiert, denn die Luftqualität, die wurde ja durchaus besser, nur nicht schnell genug.
    Jetzt müssen wir natürlich bedenken: Der Verkehr hat nicht nur Stickstoff-Dioxid-Emissionen, sondern eine ganze Menge andere – allen voran und das größte Problem ist das CO2. Aber es gibt natürlich noch andere Emissionen. Die Emissionsproblematik wird bestehen bleiben. Sie wird natürlich nur verbessert. Letztlich allein vor dem Hintergrund der Emissionen – ja, es sollte das Ziel sein, dass wir den Verkehr umorganisieren, mit dem Ziel, weniger Fahrleistung des motorisierten Verkehrs zu haben. Ob da Fahrverbote wirklich eine Chance sind, das kann ich nicht wirklich beantworten, aber es ist immerhin ein Anstoß. Aber Fahrverbote für ältere Diesel alleine werden das Problem nicht verändern.
    "Ohne Zweifel hilft es, den ÖPNV auszubauen"
    Hahne: Der Individualverkehr ist ja vor allem für viele Pendler wichtig. Viele fahren auch Diesel. Wie müsste man denn die Städte mit dem Umland verbinden, um den Umstieg zum Beispiel auf den ÖPNV attraktiver zu machen?
    Kuhnimhof: Ohne Zweifel hilft es, den ÖPNV auszubauen, ihn attraktiver zu machen. Das passiert ja auch oder ist passiert in den letzten Jahren und die Fahrleistungen im öffentlichen Verkehr sind stärker gestiegen als im Individualverkehr. Der öffentliche Verkehr ist da durchaus erfolgreich. Mal so als Beispiel: In den letzten Tagen kursierte ja die Idee, den ÖPNV kostenfrei zu machen, zumindest in einigen Städten. Das wäre so eine ultimative Maßnahme zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV. Wir haben dazu Szenarien gerechnet. Ein kostenfreier ÖPNV im Nahbereich würde grob dazu führen, dass etwa zehn Prozent weniger Auto gefahren wird, sich aber die Nachfrage im ÖPNV mehr als verdoppelt.
    Jetzt kann man sich gut vorstellen, was das für eine Stadt wie zum Beispiel München bedeutet, wo der ÖPNV natürlich heute schon aus allen Nähten platzt. Da wäre sehr viel zu tun, die Kapazitäten auszubauen, die Verbindungen zu verbessern, dass der ÖPNV diese gewachsene Nachfrage überhaupt auffangen kann.
    Nicht zuletzt sollte man auch nicht die nicht motorisierten Verkehrsmittel vergessen, sprich Fuß und Rad. Das sind unterm Strich immer noch die umweltfreundlichsten Verkehrsmittel. Es wird allerdings schwierig, eine Verkehrswende nur dadurch zu erreichen, dass wir die Alternativen attraktiver machen, aber an der Attraktivität des Autos nicht rütteln. Wenn wir es so machen, dann wird die Verkehrswende sehr teuer werden, denn eins sollten wir uns klarmachen: Das Autofahren ist in den meisten Fällen in Deutschland immer noch ein Verkehrsmittel, das auch im urbanen Raum sehr reibungslos und gut funktioniert. Woran merken Sie das? – Wenn Sie in irgendeiner Stadt ankommen, am Hauptbahnhof, und einen dringenden Termin haben, durch die halbe Stadt müssen, welches Verkehrsmittel nehmen Sie? – Sie nehmen das Taxi, weil Sie damit immer noch ziemlich problemlos durch die Stadt kommen, und das ist zum Beispiel schon in Paris ziemlich anders, aber in Deutschland funktioniert es halt gut.
    Wenn Sie daran was verändern wollen, dann ist es sinnvoll und auch effizient, nicht nur die Alternativen zu verbessern, sondern auch das Autofahren etwas zu erschweren, nach und nach in die richtige Richtung zu steuern.
    Das beginnt etwa bei der Verfügbarkeit und den Preisen für Parkraum. Wenn wir schon bei Preisen sind, dann muss man schon auch sagen, dass für die Verkehrswissenschaft ziemlich außer Frage steht, dass man mit einer räumlich und zeitlich differenzierten Maut, einem intelligenten Bepreisungssystem den Verkehr sehr effizient steuern könnte. In so einem Fall würden Sie zahlen, je nachdem wo und wann Sie fahren. Wenn Sie etwa am Freitagnachmittag in eine bereits verstaute Innenstadt fahren, dann wird es teuer, denn Sie tragen dazu bei, dass der Stau noch schlimmer wird. In Singapur zum Beispiel gibt es so eine Maut bereits.
    So eine Maut könnte man auch an die Frage der Emissionen koppeln. Wenn Ihr Fahrzeug bestimmten Emissionsstandards nicht entspricht, dann wird es noch teurer. Wenn wir so eine Maut bereits hätten, dann könnten wir uns die aktuelle Diskussion vermutlich sparen, denn dann könnte man es für alte Diesel einfach teuer machen, in die Städte zu fahren, und könnte auf die Weise sehr gut steuern, ohne gleich die große Keule des Verbots auszupacken.
    Hahne: Denkbar ist ja auch, dass in Zukunft nicht mehr jeder alleine in seiner Blechkiste sitzt, zum Beispiel die Menschen mehr Fahrgemeinschaften bilden und Ähnliches. Was können da zum Beispiel Unternehmen leisten, um ihren Mitarbeitern solche Gruppenmobilität zu ermöglichen, zu erleichtern?
    Kuhnimhof: Heutzutage brauchen die Arbeitnehmer sehr viel Flexibilität. Da müsste man vielleicht gewisse Abstriche machen. Die Arbeitnehmer müssen sich dann koordinieren. Unterm Strich ist es aber so, dass eigentlich der Trend leider in die gegenteilige Richtung läuft. Die sogenannten Besetzungsgrade, wie viele Personen sitzen zusammen im Auto, die sinken in Deutschland und sie sinken auch im Berufsverkehr. Es spricht vieles dafür, dass es eigentlich in dieser Hinsicht nicht in die richtige Richtung geht. Fahrgemeinschaften organisieren von Betrieben aus ist eine gute Idee. Inwieweit das umsetzbar ist, daran muss man ein kleines Fragezeichen machen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.