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Nach dem Doppelmord von Magnanville
Unsicherheit bei Frankreichs Polizisten wächst

Nach dem Mord an einem französischen Polizisten und seiner Frau wächst bei den Sicherheitskräften die Anspannung. Als erste Maßnahme wurde die Erlaubnis verlängert, dass sie ihre Waffen auch in der Freizeit tragen dürfen. Jetzt wird darüber debattiert, was gegen solche Anschläge von Einzeltätern getan werden kann und wie sie vielleicht verhindert werden können.

Von Kerstin Gallmeyer | 15.06.2016
    Polizisten stehen nahe des Hauses, in dem ein Islamist einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin erschossen hat.
    Polizisten stehen nahe des Hauses, in dem ein Islamist einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin erschossen hat. (dpa- Bildfunk / EPA / CHRISTOPHE PETIT TESSON)
    Bei Frankreichs Polizisten wächst die Unsicherheit. Mit dem Doppelmord von Magnanville wurden sie erneut zur Zielscheibe eines Attentäters. "Sie wurden getroffen, weil sie Polizisten waren", betonte Präsident Hollande. "Das ist das, was der Terrorist mit seiner Tat zu verstehen geben wollte."
    Pascal Avivar, Polizist in der Region von Lyon, befürchtet: "Das kann jedem von uns passieren. Auch wenn man vom Dienst nach Hause kommt und denkt, man könnte durchatmen, bei seiner Familie sein – man muss bis zum Ende wachsam sein. Vor seinem Haus attackiert zu werden, das ist schlimm."
    Noch gestern Abend entschied der französische Innenminister, dass Polizeibeamte ihre Dienstwaffe weiterhin auch in ihrer Freizeit tragen dürfen – über den momentan geltenden Ausnahmezustand hinaus. Dieser Polizist ist darüber sehr erleichtert: "Wir haben damit gerechnet, ein Ziel zu sein. Nach dem, was gestern passiert ist, ist das eine Möglichkeit, uns zu schützen."
    Unterdessen laufen die Ermittlungen im Fall des Doppelmords von Magnanville weiter. Der Attentäter Larossi Abballa hatte sich mehrfach zum sogenannten "Islamischen Staat" bekannt. Drei Männer aus seinem Umfeld wurden gestern festgenommen. Ob der 25-jährige Franzose tatsächlich Komplizen hatte, ist laut Innenminister Cazeneuve noch nicht endgültig geklärt: "Momentan scheint alles dafür zu sprechen, dass der Täter allein gehandelt hat. Bei den Durchsuchungen wurden Dokumente sichergestellt. Telefon- und Internetdaten werden derzeit ausgewertet. Sie könnten noch Verbindungen zu anderen aufdecken."
    Abballa war schon einmal im Zusammenhang mit Terrorismus verurteilt worden. Seit Anfang des Jahres wurde im Zuge weiterer Ermittlungen sein Telefon abgehört. Die Tatsache, dass der Täter trotzdem unbemerkt zu Tat schreiten konnte, hat die Diskussion über den Umgang mit Terrorverdächtigen in Frankreich wieder angeheizt. Die Opposition, darunter der konservative Abgeordnete und frühere Premierminister Fillon, forderte ein deutlich härteres Durchgreifen gegen potenzielle Terroristen: "Wirksam wäre es, die Personen einzusperren, die in Kontakt mit dem sogenannten 'Islamischen Staat' oder anderen Terrororganisationen stehen."
    Doch der sozialistische Innenminister Cazeneuve lehnt solche Maßnahmen strikt ab. "Wir sind in einem Rechtsstaat. Wenn es ein juristisches Verfahren gibt, ist der Richter zuständig. Man kann nicht ohne jeglichen Beweis jemanden einsperren, der kein Verbrechen begangen hat." Allerdings, so betonte Cazeneuve, seien seit Anfang des Jahres 187 Terroristen in Frankreich festgenommen worden. Für die beiden getöteten Polizisten wird am Mittag eine Schweigeminute im französischen Innenministerium abgehalten. Neben Präsident Hollande wird daran auch Bundesinnenminister de Maizière teilnehmen. Der CDU-Minister trifft heute in Paris die deutschen Polizisten, die bei der Fußball-EM im Einsatz sind.