Sandra Schulz: Rund 50 Milliarden Euro will die Große Koalition in das größte Konjunkturpaket der deutschen Nachkriegsgeschichte stecken. Allerdings könnte der Zeitplan wieder ins Wanken geraten, nämlich dann, wenn der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen sollte. Bei der Debatte im Bundestag heute haben die Vertreter der Großen Koalition darum noch einmal für das Paket geworben, bevor das Parlament es beschlossen hat. Wenn wir nach Wiesbaden blicken, dann rufen uns die Zahlen, die das Statistische Bundesamt heute veröffentlicht hat, noch einmal ins Gedächtnis, worum es bei dem Konjunkturpaket überhaupt geht, wenn es dieser Erinnerung überhaupt bedurfte. Denn seitdem aus der internationalen Finanzmarktkrise eine Wirtschaftskrise geworden ist, steckt Deutschland und die Euro-Zone in der Rezession - und zwar noch tiefer als erwartet. In Berlin bin ich jetzt verbunden mit Christian Dreger. Er leitet die Abteilung Konjunktur des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, kurz DIW. Guten Tag!
Christian Dreger: Guten Tag!
Schulz: Herr Dreger, wird die Krise immer noch unterschätzt?
Dreger: Na ja, wir haben im vierten Quartal 2008 jetzt einen richtigen Absturz gehabt. Der ist weitaus stärker ausgefallen, als wir ursprünglich erwartet haben. Nichtsdestotrotz sieht es aber danach aus, dass wir jetzt das Schlimmste überwunden haben. Wir sind im Moment am Tiefpunkt der Entwicklung. Da wir in 2008 recht stark zurückgekommen sind, haben wir auch eine Wachstumshypothek für 2009 in der Gegend von Minus zwei Prozent. Wenn sie jetzt beispielsweise für 2009 ein Wachstum von Minus 2,5, Minus drei Prozent erwarten, also eine Schrumpfung von Minus 2,5, Minus drei Prozent, dann bedeutet das, dass das Schlimmste schon vorbei ist, nämlich ins Minus zu fallen.
Schulz: Was macht Sie da so zuversichtlich?
Dreger: Wir haben einerseits in Deutschland, aber auch im Euro-Raum durchaus eine zweigeteilte Konjunktur. Sie haben die wegbrechenden Exporte; damit sind natürlich auch die Investitionen der Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen worden, weil Deutschland eben auch sehr stark exportorientiert ist. Auf der anderen Seite haben wir eine gewisse Stabilisierung beim privaten Konsum. Das ist ja auch klar. Die Inflation hat erheblich abgenommen. Dies hat halt dann zu einem erheblichen Kaufkraftzuwachs bei den privaten Haushalten geführt. Auch die Beschäftigung, die verharrt ja immer noch auf einem recht hohen Niveau. Das lässt vermuten, dass die Mehrzahl der Unternehmen eben auch erwartet, dass die zeitliche Dauer der Krise relativ eng begrenzt sein wird und dass es auch in der zweiten Jahreshälfte dann wieder etwas besser werden kann.
Schulz: Trotzdem sind die Rezessionserwartungen jetzt ja noch übertroffen worden oder untertroffen, je nachdem wie man es sieht. Ist die Lage jetzt schlecht oder nur schlechter als erwartet?
Dreger: Schlechter als erwartet war die Lage. 2008 ist ja gelaufen. Wir befinden uns jetzt ja in 2009. Wie gesagt: Von 2008 aus bekommen wir für 2009 ein Negativwachstum in der Größenordnung von zwei Prozent. Wenn wir für 2009 dann insgesamt mit was weiß ich, Minus drei Prozent abschließen würden, dann hätten wir in 2009 so gerechnet eben nur eine Schrumpfung von einem Prozent.
Schulz: Das heißt, wenn es zu einer Verzögerung beim Konjunkturpaket II käme, so wie es geplant ist, das wäre auch nicht weiter schlimm?
Dreger: Na ja, das Konjunkturpaket II hat natürlich letztendlich positive Auswirkungen. Wir sollten die aber nicht übertreiben. Die wichtigen Elemente sind ja Steuersenkungen und Investitionen in Infrastruktur, insbesondere eben Bildungsinfrastruktur. Da ist nach unserer Meinung durchaus kritisch zu beurteilen, dass es da Steuersenkungen gibt. Die erhöhen nämlich die Kaufkraft der privaten Haushalte noch einmal, aber in der gegenwärtigen Situation wird damit auch eher das Risiko erhöht, dass die Sparquote noch stärker ansteigt, dass also dann praktisch die frei werdenden Mittel nicht konsumiert werden. Wir haben ja die Kaufkraftentlastung bereits durch den Ölpreisverfall. Besser sieht es bei Investitionen in Infrastruktur, Bildungsinfrastruktur aus. Da wissen wir, dass das Wachstumswirkungen nach sich zieht. Wir müssen aber hier auch bedenken, dass es in der Bauwirtschaft wohl auch in einigen Bereichen zumindest zu Kapazitätsproblemen kommen wird. Die Bauwirtschaft ist ja in den vergangenen Jahren eher geschrumpft, zum Beispiel zwischen 1995 und 2005. Da sind natürlich auch Kapazitäten zurückgefahren worden, die jetzt noch nicht wieder aufgebaut sind. Von daher muss man eben schauen, dass man die Kapazitäten jetzt nicht überfordert. Aus unserer Sicht wäre durchaus eine vernünftige Strategie, die Investitionen noch länger zu strecken, damit man eben auch für die Unternehmen sichere Entscheidungsgrundlagen schafft, ihre Kapazitäten auszubauen.
Schulz: Das ist Ihre grundsätzliche Kritik an dem Konjunkturpaket II, aber lassen Sie uns das mal durchspielen. Geplant ist ja eigentlich, dass der Bundesrat das Konjunkturpaket II am kommenden Freitag durchwinkt. Wenn das so nicht klappen sollte - der Zeitplan ist ein wenig ins Wanken geraten - und der Vermittlungsausschuss angerufen würde, welche Konsequenzen hätte das?
Dreger: Das Konjunkturpaket würde dann etwas langsamer umgesetzt werden. Letztlich wird es aber kommen, weil sich Deutschland jetzt nicht im internationalen Rahmen enthalten kann. Wir haben ja auf internationaler Ebene auch das Problem, dass wir jetzt wieder die Rückkehr protektionistischer Tendenzen haben. Da sollten wir möglichst alles tun, um das zu vermeiden. In Deutschlands Interesse liegt es natürlich, dass wir jetzt keinen Protektionismus wieder aufleben lassen.
Schulz: Gleichzeitig, wenn wir in die USA blicken; Sie haben den Anteil von steuerlichen Erleichterungen ja gerade schon angesprochen in den USA. Bei dem geplanten Konjunkturpaket ist der Anteil mit mehr als einem Drittel relativ hoch. Heißt das, dass auch deutsche Firmen von dem US-Konjunkturpaket profitieren könnten?
Dreger: Das wird sicherlich so sein: Das Konjunkturpaket in den USA unterstützt den Konsum. Die USA haben ja auch mit anderen Krisen zu kämpfen. In den USA gibt es eine Immobilienkrise; die hat ja insbesondere die Konsumbereitschaft der Amerikaner gedämpft. Wenn jetzt Steuererleichterungen kommen, dann stützt das tendenziell den Konsum. Auf den Konsum entfallen natürlich auch Importe. Das heißt, die Amerikaner werden nicht nur Güter konsumieren, die aus eigener Herstellung kommen, sondern zum Beispiel auch aus deutscher Herstellung. Das nützt natürlich dann auch Deutschland. Auf der anderen Seite werden aus US-Perspektive natürlich die strukturellen Anpassungsprozesse verzögert. Wir hatten in den USA ja über Jahre eine Sparquote, die in der Nähe von null war, die manchmal sogar negativ war. Das kann man natürlich dauerhaft nicht durchhalten. Ein Anreiz, diese Sparquote dann zu erhöhen, der wird natürlich mit dem Konjunkturprogramm, was ja ausgabenorientiert ist, nicht gegeben.
Schulz: Christian Dreger, Leiter der Konjunkturabteilung des DIW, heute in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Danke schön!
Christian Dreger: Guten Tag!
Schulz: Herr Dreger, wird die Krise immer noch unterschätzt?
Dreger: Na ja, wir haben im vierten Quartal 2008 jetzt einen richtigen Absturz gehabt. Der ist weitaus stärker ausgefallen, als wir ursprünglich erwartet haben. Nichtsdestotrotz sieht es aber danach aus, dass wir jetzt das Schlimmste überwunden haben. Wir sind im Moment am Tiefpunkt der Entwicklung. Da wir in 2008 recht stark zurückgekommen sind, haben wir auch eine Wachstumshypothek für 2009 in der Gegend von Minus zwei Prozent. Wenn sie jetzt beispielsweise für 2009 ein Wachstum von Minus 2,5, Minus drei Prozent erwarten, also eine Schrumpfung von Minus 2,5, Minus drei Prozent, dann bedeutet das, dass das Schlimmste schon vorbei ist, nämlich ins Minus zu fallen.
Schulz: Was macht Sie da so zuversichtlich?
Dreger: Wir haben einerseits in Deutschland, aber auch im Euro-Raum durchaus eine zweigeteilte Konjunktur. Sie haben die wegbrechenden Exporte; damit sind natürlich auch die Investitionen der Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen worden, weil Deutschland eben auch sehr stark exportorientiert ist. Auf der anderen Seite haben wir eine gewisse Stabilisierung beim privaten Konsum. Das ist ja auch klar. Die Inflation hat erheblich abgenommen. Dies hat halt dann zu einem erheblichen Kaufkraftzuwachs bei den privaten Haushalten geführt. Auch die Beschäftigung, die verharrt ja immer noch auf einem recht hohen Niveau. Das lässt vermuten, dass die Mehrzahl der Unternehmen eben auch erwartet, dass die zeitliche Dauer der Krise relativ eng begrenzt sein wird und dass es auch in der zweiten Jahreshälfte dann wieder etwas besser werden kann.
Schulz: Trotzdem sind die Rezessionserwartungen jetzt ja noch übertroffen worden oder untertroffen, je nachdem wie man es sieht. Ist die Lage jetzt schlecht oder nur schlechter als erwartet?
Dreger: Schlechter als erwartet war die Lage. 2008 ist ja gelaufen. Wir befinden uns jetzt ja in 2009. Wie gesagt: Von 2008 aus bekommen wir für 2009 ein Negativwachstum in der Größenordnung von zwei Prozent. Wenn wir für 2009 dann insgesamt mit was weiß ich, Minus drei Prozent abschließen würden, dann hätten wir in 2009 so gerechnet eben nur eine Schrumpfung von einem Prozent.
Schulz: Das heißt, wenn es zu einer Verzögerung beim Konjunkturpaket II käme, so wie es geplant ist, das wäre auch nicht weiter schlimm?
Dreger: Na ja, das Konjunkturpaket II hat natürlich letztendlich positive Auswirkungen. Wir sollten die aber nicht übertreiben. Die wichtigen Elemente sind ja Steuersenkungen und Investitionen in Infrastruktur, insbesondere eben Bildungsinfrastruktur. Da ist nach unserer Meinung durchaus kritisch zu beurteilen, dass es da Steuersenkungen gibt. Die erhöhen nämlich die Kaufkraft der privaten Haushalte noch einmal, aber in der gegenwärtigen Situation wird damit auch eher das Risiko erhöht, dass die Sparquote noch stärker ansteigt, dass also dann praktisch die frei werdenden Mittel nicht konsumiert werden. Wir haben ja die Kaufkraftentlastung bereits durch den Ölpreisverfall. Besser sieht es bei Investitionen in Infrastruktur, Bildungsinfrastruktur aus. Da wissen wir, dass das Wachstumswirkungen nach sich zieht. Wir müssen aber hier auch bedenken, dass es in der Bauwirtschaft wohl auch in einigen Bereichen zumindest zu Kapazitätsproblemen kommen wird. Die Bauwirtschaft ist ja in den vergangenen Jahren eher geschrumpft, zum Beispiel zwischen 1995 und 2005. Da sind natürlich auch Kapazitäten zurückgefahren worden, die jetzt noch nicht wieder aufgebaut sind. Von daher muss man eben schauen, dass man die Kapazitäten jetzt nicht überfordert. Aus unserer Sicht wäre durchaus eine vernünftige Strategie, die Investitionen noch länger zu strecken, damit man eben auch für die Unternehmen sichere Entscheidungsgrundlagen schafft, ihre Kapazitäten auszubauen.
Schulz: Das ist Ihre grundsätzliche Kritik an dem Konjunkturpaket II, aber lassen Sie uns das mal durchspielen. Geplant ist ja eigentlich, dass der Bundesrat das Konjunkturpaket II am kommenden Freitag durchwinkt. Wenn das so nicht klappen sollte - der Zeitplan ist ein wenig ins Wanken geraten - und der Vermittlungsausschuss angerufen würde, welche Konsequenzen hätte das?
Dreger: Das Konjunkturpaket würde dann etwas langsamer umgesetzt werden. Letztlich wird es aber kommen, weil sich Deutschland jetzt nicht im internationalen Rahmen enthalten kann. Wir haben ja auf internationaler Ebene auch das Problem, dass wir jetzt wieder die Rückkehr protektionistischer Tendenzen haben. Da sollten wir möglichst alles tun, um das zu vermeiden. In Deutschlands Interesse liegt es natürlich, dass wir jetzt keinen Protektionismus wieder aufleben lassen.
Schulz: Gleichzeitig, wenn wir in die USA blicken; Sie haben den Anteil von steuerlichen Erleichterungen ja gerade schon angesprochen in den USA. Bei dem geplanten Konjunkturpaket ist der Anteil mit mehr als einem Drittel relativ hoch. Heißt das, dass auch deutsche Firmen von dem US-Konjunkturpaket profitieren könnten?
Dreger: Das wird sicherlich so sein: Das Konjunkturpaket in den USA unterstützt den Konsum. Die USA haben ja auch mit anderen Krisen zu kämpfen. In den USA gibt es eine Immobilienkrise; die hat ja insbesondere die Konsumbereitschaft der Amerikaner gedämpft. Wenn jetzt Steuererleichterungen kommen, dann stützt das tendenziell den Konsum. Auf den Konsum entfallen natürlich auch Importe. Das heißt, die Amerikaner werden nicht nur Güter konsumieren, die aus eigener Herstellung kommen, sondern zum Beispiel auch aus deutscher Herstellung. Das nützt natürlich dann auch Deutschland. Auf der anderen Seite werden aus US-Perspektive natürlich die strukturellen Anpassungsprozesse verzögert. Wir hatten in den USA ja über Jahre eine Sparquote, die in der Nähe von null war, die manchmal sogar negativ war. Das kann man natürlich dauerhaft nicht durchhalten. Ein Anreiz, diese Sparquote dann zu erhöhen, der wird natürlich mit dem Konjunkturprogramm, was ja ausgabenorientiert ist, nicht gegeben.
Schulz: Christian Dreger, Leiter der Konjunkturabteilung des DIW, heute in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Danke schön!