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Nach dem Parteitag der PDS

Spengler: Auf den ersten Blick ist die Führungskrise der PDS nach ihrem Parteitag in Gera gestern und vorgestern beendet. Mit einer Mehrheit von fast 70 Prozent der Stimmen wurde die bisherige Parteivorsitzende Gabi Zimmer in ihrem Amt bestätigt. Nicht mehr im Vorstand ist der bisherige Geschäftsführer, Dietmar Bartsch. Auch nicht mehr dabei ist eine der bekanntesten Politikerinnen der Partei, die nun bei uns am Telefon ist, Petra Pau. Sie war die bisherige stellvertretende Vorsitzende, die ihren Wahlkreis in Berlin für die PDS direkt gewonnen hat und auch künftig Mitglied des Deutschen Bundestags sein wird, eine von nur noch zwei PDS-Abgeordneten. Guten Morgen, Frau Pau.

    Pau: Guten Morgen.

    Spengler: Sind Sie heute morgen mit einem politischen Kater aufgewacht? Es war ja in Gera doch eine empfindliche Niederlage für die Reformkräfte in der PDS.

    Pau: Erst einmal bin ich mit einer Erkältung aufgewacht und sicherlich auch nicht sonderlich zufrieden mit dem Parteitag, das ist schon richtig.

    Spengler: Sie wollten ja einen Neuanfang der Partei nach der bitteren Wahlniederlage vom 22. September. Was meinten Sie eigentlich mit Neuanfang?

    Pau: Ich wollte, und deshalb habe ich auch einen entsprechenden Antrag unterstützt, dass wir uns ganz konsequent der Gesellschaft und den Fragen, die tatsächlich im Moment in der Bundesrepublik auf der Tagesordnung stehen, zuwenden. Ich wollte, dass wir deutlich machen, dass wir uns nicht so sehr mit uns selbst beschäftigen, sondern dass wir uns um die wichtigen anstehenden Fragen kümmern. Dies sind zum Beispiel die EU-Osterweiterung, die Gesundheitsreform bis hin zur Frage, wie kommt Geld in die knappen Kassen. Nun ist ein anderer Antrag mit einem anderen Politikverständnis beschlossen worden, damit will ich nicht sagen, dass diese Themen nicht bearbeitet werden. Aber man setzt mehr auf Netzwerke, auch das Außerparlamentarische und kümmert sich nicht um die Komplexität der Politik. Damit muss ich umgehen.

    Spengler: Vielleicht können Sie es ein bisschen näher ausführen, was Sie mit "anderem Politikverständnis" meinen. Ihre Position im Vergleich zu der, die sich durchgesetzt hat.

    Pau: Na ja, die alte und neue Parteivorsitzende setzte in ihrer Rede, aber auch in diesem Antrag mehr darauf, dass es offensichtlich eine ganze Menge an außerparlamentarischen Kräften gibt, die man auch stützen muss, um auch politische Veränderungen herbei zu führen. Ich denke, wir müssen uns als politische Partei begreifen und uns nicht selbst zu sehr zur Bewegung machen. Dazu kommen viele andere Dinge, die nicht nur in dem Antrag zur Sprache kamen, sondern auch rundherum besprochen wurden, und die meiner Ansicht nach der PDS nicht helfen. Wenn Sie sich dann den Vorstand ansehen, der dann gewählt wurde, ist das auch nur konsequent. Es wurden eben Menschen gewählt, die ein ganz anderes Politikverständnis haben als ich, zumindest in der Mehrzahl.

    Spengler: Würden Sie soweit gehen und sagen, das war ein Schritt zurück in die Zukunft?

    Pau: Ich würde weder zurück in die Vergangenheit noch zurück in die Zukunft sagen, das ist das Problem, sondern es ist eher das "Weiter so". Und wir haben gerade eine Wahlschlappe eingesteckt, weil wir in den vergangenen Jahren ein Konzeptions- und Strategiedefizit zugelassen haben. Wenn man beschwört, wir seien weder konzeptionslos noch ohne Strategie, wie das am Wochenende geschehen ist, würde uns das nicht weiterhelfen, weil die Wählerinnen und Wähler uns am 22. September genau das Gegenteil signalisiert haben.

    Spengler: Was befürchten Sie denn nun für die Zukunft der PDS?

    Pau: Hier geht es nicht um Befürchtungen. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass sich die Partei, denn es war ja nicht die gesamte Partei, die dort auf dem Parteitag zusammensaß, zusammenreißt. Außerdem hoffe ich, dass sich der Druck aus der Partei, dass es nach vorn gehen muss, dass politische Konzepte entwickelt werden müssen und dass wir uns in die Öffentlichkeit drängen müssen, durchsetzt und auch den zukünftigen Vorstand entsprechend unter Druck setzt.

    Spengler: Was heißt für Sie heute sozialistisch?

    Pau: Ja, das müssen wir weiter ausführen. Wir haben es in den vergangenen Jahren nicht so richtig geschafft, demokratischen Sozialismus tatsächlich auszuführen. Insgesamt sage ich immer politische wie auch soziale Rechte müssen zusammen gedacht werden. Wir müssen sehen, dass wir in der freien Gesellschaft auch Gerechtigkeit herstellen.

    Spengler: Was bedeutet denn diese Niederlage in Gera für Sie als Bundestagsabgeordnete? Man benötigt doch da den Rückhalt der Basis. Wo bekommen Sie den in der Zukunft her?

    Pau: Das wird auch noch herauszufinden sein. Erst mal geht die Arbeit in dieser Woche los. Der Bundestag konstituiert sich. Ich werde die Zusammenarbeit mit den Landtagsfraktionen suchen und werde schauen, ob der neue Vorstand Frau Lötzsch, das ist die andere Bundestagsabgeordnete, und mir irgendwann auch politisch etwas anzubieten hat. So sehr viel haben wir aus Gera nicht mitnehmen können.

    Spengler: Nun sind Sie nicht mehr im Vorstand. Warum genau sind Sie nicht mehr dort?

    Pau: Das ist dann konsequent. Wenn man seine politische Grundüberzeugung und Richtung nicht wiederfindet und sich eine andere durchsetzt, dann muss auch das entsprechende Personal dazu antreten.

    Spengler: Aber an die Aufgabe Ihres Bundestagsmandats denken Sie nicht?

    Pau: Rund zwei Millionen Wählerinnen und Wähler haben die PDS gewählt, und in meinem Wahlkreis bin ich direkt gewählt worden. Da habe ich kein Recht dazu, das jetzt hinzuschmeißen.

    Link: Interview als RealAudio