Liminski: Der überraschende Rücktritt Gysis wegen der privaten Nutzung von dienstlich erworbenen Bonusmeilen der Lufthansa wirft die Frage auf, ob nun der halbe Bundestag – vielleicht ist es auch dreiviertel – zurücktreten sollte oder ob man sich nicht auch einmal anderen wichtigen Finanzproblemen widmen sollte. Ich gebe die Frage weiter an Friedrich Merz, den Chef der Unionsfraktion. Zunächst einmal guten Morgen.
Merz: Ja, guten Morgen Herr Liminski
Liminski: Herr Merz, das Tagesthema ist allerdings der Rücktritt von Gregor Gysi. Warum, glauben Sie, ist er zurückgetreten?
Merz: Ich war gestern einigermaßen überrascht, als ich das gehört habe, Herr Liminski, und bei etwas längerem Nachdenken komme ich doch zu dem Ergebnis, dass das mit den Bonusmeilen wohl vorgeschoben ist, denn Gregor Gysi hatte erkennbar keine Lust, keine Freude an seiner Aufgabe in Berlin. Er hatte auch keinen Erfolg, und es stand im Abgeordnetenhaus von Berlin eine weitere Stasi-Überprüfung bevor. Und offensichtlich hat er auch da einige Sorgen und einiges zu befürchten. Ich glaube in der Tat, das ist für ihn sozusagen der Notausgang gewesen, um sich aus der Politik endgültig zurückzuziehen. Er hatte es ja letztes Jahr schon einmal vor, ist dann nur gedrängt worden, in dieses Amt zu gehen. Für die PDS wird das einige Konsequenzen haben, denn sie verlieren ihre Galionsfigur, sie verlieren ihren Meister aller Talkshows, und ich vermute mal, sie werden jetzt wirklich in die Nähe der 5-Prozent-Grenze geraten bei der Bundestagswahl. Also, es könnte noch eine Überraschung geben an Konsequenz für den 22. September.
Liminski: Herr Merz, Bundestagspräsident Thierse hat einen pragmatischen Weg zur Lösung der Problematik bei den Freiflügen gewiesen, aber Ex-Senator Gysi hat nun auch, jedenfalls in der Öffentlichkeit, die moralischen Ansprüche mit seinem Rücktritt hochgeschraubt. Was empfehlen Sie denn Ihren Fraktionskollegen, die pragmatische oder die moralische Lösung?
Merz: Wir haben unseren Fraktionskolleginnen und –kollegen von Anfang an dieser Wahlperiode und auch vorher schon empfohlen, sich so zu verhalten, wie die Richtlinien des Ältestenrates es vorsehen, nämlich die Bonusmeilen nicht für private Flüge in Anspruch zu nehmen. Und ich gehe unverändert davon aus, dass das bei uns auch eingehalten wird. Insofern brauche ich mich mit dieser Frage im Augenblick nicht zu befassen. Im übrigen – das, was Herr Thierse da in seinem Brief an uns geschrieben hat, ist zumindest unvollständig, denn wenn es Fälle geben sollte auch in der Unionsfraktion, dann wüsste nach diesem Brief ja keiner, was er denn nun eigentlich tun soll. Also, insofern warten wir mal ab, was nun daraus wird. Der Lufthansa-Chef hat ja, wie ich finde, auch zu recht gesagt, dass er die Daten alle gar nicht veröffentlichen kann, denn da gilt ja nun auch der Datenschutz. Das Problem ist noch nicht gelöst, aber warten wir mal ab, was daraus wird. Zumindestens müsste ja der Wert dieser Bonusmeilen einmal spezifiziert werden, um dann entsprechende Leistungen auch an die Staatskasse erbringen zu können. Im übrigen geht es ja nicht nur um Flüge, sondern es geht, wie wir bei Herrn Trittin wissen, auch um die Anschaffung von Reisekoffern oder Aktenkoffern. Also, warten wir es ab. Der Bundestagspräsident ist mit seiner Arbeit noch nicht am Ende.
Liminski: Arbeit gibt es auch in anderen Bereichen. Bundesfinanzminister Hans Eichel hat gestern eine Entlastungsinitiative gestartet und die Bearbeitung von dringenden Sachthemen, zum Beispiel die Gemeindefinanzreform, gefordert. Dem müssten Sie doch zustimmen?
Merz: Ja, Herr Liminski, dem stimme ich natürlich zu, wobei mich schon einigermaßen überrascht, dass, soweit ich auch die Presselage übersehe, es bis jetzt niemandem aufgefallen ist, dass das, was da jetzt verkündet worden ist in dieser Woche, Gegenstand der Koalitionsvereinbarung von Rot und Grün seit vier Jahren ist. Diese Koalition hatte nach der Bundestagswahl 1998 verabredet, eine Gemeindefinanzreform auf den Weg zu bringen. Es ist dreieinhalb Jahre nichts geschehen, und jetzt wird, wie es bei dieser Regierung leider immer der Fall ist, der Ausweg gewählt, eine Kommission einzusetzen. Diese Kommission gibt es seit einigen Wochen, und jetzt wird verkündet, das Ergebnis sollte vorgezogen werden für das nächste Jahr – also zu einem Zeitpunkt, wo diese Regierung nach allem, was wir annehmen müssen, gar nicht mehr im Amt ist. Da wird der Öffentlichkeit etwas vorgemacht. Die Probleme, die bei den Kommunen entstanden sind, sind nicht zuletzt durch die Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung entstanden. Wir haben nachhaltig davor gewarnt, die Steuerreform so anzulegen, wie Rot-Grün das im Sommer 2000 gemacht hat. Und jetzt sind die Konsequenzen zu besichtigen. Das fängt bei den Gemeinden an, das geht aber bei den Ländern und dem Bund selbst weiter, denn der geradezu dramatische Einbruch bei der Körperschaftssteuer wird auch die Länder und den Bund vor fast unlösbare Probleme stellen. Es gibt Länder, die jetzt schon sagen – dazu gehört Nordrhein-Westfalen, dazu gehört Hessen –, dass sie die Grundversorgung der Bevölkerung nicht aufrechterhalten können, wenn aus der Gewerbesteuereinnahme eine dauerhafte Gewerbesteuerauszahlung wird. Und da sind wir angekommen. Wir haben jetzt in diesem ersten Halbjahr 2002 schon 1,2 Milliarden Euro Körperschaftssteuer mehr ausbezahlt als eingenommen in ganz Deutschland. Und das ist eine Entwicklung, die war in diesem Umfang nicht voraussehbar, aber dass es Probleme gibt, das haben wir der rot-grünen Bundesregierung gesagt. Das ist alles in den Wind geschlagen worden, und jetzt stehen sie vor einem Trümmerhaufen ihrer eigenen Finanz- und Steuerpolitik.
Liminski: Nach dem, was Sie sagen, kommt als Erstes wahrscheinlich – wenn Ihre Partei zum Zuge kommt als Regierung – eine große Steuerreform auf die Deutschen zu?
Merz: Es kommt eine Steuerreform, eine in der Tat große und wichtige Steuerreform auf uns zu. Diese Steuerreform muss zweierlei leisten. Erstens, sie muss die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wieder herstellen. Es geht nicht, dass der Mittelstand und die Personengesellschaften in Deutschland zusammen mit den Arbeitnehmerhaushalten die Last der öffentlichen Aufgaben praktisch alleine schultern. Zum Zweiten brauchen wir eine radikale Vereinfachung unseres Steuersystems. Wir haben mittlerweile die Aufrufe von Finanzamtsvorstehern aus Bayern und Nordrhein-Westfalen vorliegen, die sich hilfesuchend an den Gesetzgeber wenden und sagen: Dieses Steuersystem in Deutschland ist mittlerweile so kompliziert geworden - komplizierter denn je zuvor, es ist nicht mehr vollziehbar. Das sagen jetzt nicht Steuerberater, das sagen auch nicht Steuerzahler, die sich über ihre Steuerlast beklagen, sondern das sagen die Beamten der Steuerverwaltung, die Finanzamtsvorsteher, die also wirklich an der Basis damit umgehen müssen, was in Berlin beschlossen worden ist. Also, es steht zweierlei auf der Tagesordnung: Wiederherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und eine radikale Vereinfachung unseres Systems, so dass es wirklich wieder durchschaubar ist und auch von den Menschen akzeptiert wird.
Liminski: Herr Merz, Professor Sinn vom IFO-Institut fordert eine Rentenreform zum wiederholten Mal. Auch das ist in der Tat dringend wegen der leeren Rentenkassen. Was kommt denn nun zuerst - die Renten, die Steuern, die Gesundheitsreform?
Merz: Das Problem ist, dass wir, Herr Liminski, nach vier Jahren Rot-Grün alles zugleich machen müssen. Und das ist eine Aussicht, die uns schon einigermaßen Respekt beibringt. Wir freuen uns auf einen möglichen Wahlsieg, aber wir wissen auch gleichzeitig, welche dramatischen Aufgaben danach auf uns zukommen. Das kann man nicht getrennt voneinander machen. Sie können nicht eine Rentenreform machen und die Auswirkungen auf die Gesundheitspolitik unberücksichtigt lassen. Sie können nicht eine Steuerreform machen und die Besteuerung der Alterseinkommen unberücksichtigt lassen, die der Gesetzgeber bis zum Jahr 2006 leisten muss; so hat es uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben. Und dies ist ein Thema, was mich schon seit längerer Zeit beschäftigt. Wie schaffen wir es endlich wieder, Politik in großen Zusammenhängen zu formulieren – nicht das eine Kästchen neben das andere zu stellen, hier mal eine kleine Lösung zu machen, da mal eine kleine Lösung zu machen und alles passt nicht mehr zusammen. Das ist ja ohnehin eines der großen Probleme, das wir haben, dass wir den ordnungspolitischen Kompass in der gesamten Politik verloren haben. Ich mache das übrigens nicht nur der rot-grünen Bundesregierung zum Vorwurf, sondern das ist ein Vorwurf, den ich auch früher schon in unseren eigenen Reihen artikuliert habe. Die Politik muss wieder lernen, in Gesamtzusammenhängen zu denken und zu konzipieren und dann auch umzusetzen. Und damit steht das Jahr 2003 bevor als das wahrscheinlich strategisch wichtigste Jahr der nächsten Wahlperiode – auch wieder ganz unabhängig davon, wer die Bundestagswahl gewinnt. Aber wenn wir sie gewinnen sollten, dann sind wir uns darüber im Klaren, dass wir eine riesige Aufgabe zu schultern haben, die im Jahr 2003 geleistet werden muss. Wenn wir es nicht schaffen, dann werden wir aus den Problemen, die wir in allen Bereichen unserer Wirtschaft haben und unserer Gesellschaft haben, nicht herausfinden.
Liminski: Kleine Skandale und riesengroße Probleme. Das war Friedrich Merz, Chef der Unionsfraktion im Bundestag. Besten Dank für das Gespräch, Herr Merz.
Merz: Ich bedanke mich bei Ihnen
Link: Interview als RealAudio
Merz: Ja, guten Morgen Herr Liminski
Liminski: Herr Merz, das Tagesthema ist allerdings der Rücktritt von Gregor Gysi. Warum, glauben Sie, ist er zurückgetreten?
Merz: Ich war gestern einigermaßen überrascht, als ich das gehört habe, Herr Liminski, und bei etwas längerem Nachdenken komme ich doch zu dem Ergebnis, dass das mit den Bonusmeilen wohl vorgeschoben ist, denn Gregor Gysi hatte erkennbar keine Lust, keine Freude an seiner Aufgabe in Berlin. Er hatte auch keinen Erfolg, und es stand im Abgeordnetenhaus von Berlin eine weitere Stasi-Überprüfung bevor. Und offensichtlich hat er auch da einige Sorgen und einiges zu befürchten. Ich glaube in der Tat, das ist für ihn sozusagen der Notausgang gewesen, um sich aus der Politik endgültig zurückzuziehen. Er hatte es ja letztes Jahr schon einmal vor, ist dann nur gedrängt worden, in dieses Amt zu gehen. Für die PDS wird das einige Konsequenzen haben, denn sie verlieren ihre Galionsfigur, sie verlieren ihren Meister aller Talkshows, und ich vermute mal, sie werden jetzt wirklich in die Nähe der 5-Prozent-Grenze geraten bei der Bundestagswahl. Also, es könnte noch eine Überraschung geben an Konsequenz für den 22. September.
Liminski: Herr Merz, Bundestagspräsident Thierse hat einen pragmatischen Weg zur Lösung der Problematik bei den Freiflügen gewiesen, aber Ex-Senator Gysi hat nun auch, jedenfalls in der Öffentlichkeit, die moralischen Ansprüche mit seinem Rücktritt hochgeschraubt. Was empfehlen Sie denn Ihren Fraktionskollegen, die pragmatische oder die moralische Lösung?
Merz: Wir haben unseren Fraktionskolleginnen und –kollegen von Anfang an dieser Wahlperiode und auch vorher schon empfohlen, sich so zu verhalten, wie die Richtlinien des Ältestenrates es vorsehen, nämlich die Bonusmeilen nicht für private Flüge in Anspruch zu nehmen. Und ich gehe unverändert davon aus, dass das bei uns auch eingehalten wird. Insofern brauche ich mich mit dieser Frage im Augenblick nicht zu befassen. Im übrigen – das, was Herr Thierse da in seinem Brief an uns geschrieben hat, ist zumindest unvollständig, denn wenn es Fälle geben sollte auch in der Unionsfraktion, dann wüsste nach diesem Brief ja keiner, was er denn nun eigentlich tun soll. Also, insofern warten wir mal ab, was nun daraus wird. Der Lufthansa-Chef hat ja, wie ich finde, auch zu recht gesagt, dass er die Daten alle gar nicht veröffentlichen kann, denn da gilt ja nun auch der Datenschutz. Das Problem ist noch nicht gelöst, aber warten wir mal ab, was daraus wird. Zumindestens müsste ja der Wert dieser Bonusmeilen einmal spezifiziert werden, um dann entsprechende Leistungen auch an die Staatskasse erbringen zu können. Im übrigen geht es ja nicht nur um Flüge, sondern es geht, wie wir bei Herrn Trittin wissen, auch um die Anschaffung von Reisekoffern oder Aktenkoffern. Also, warten wir es ab. Der Bundestagspräsident ist mit seiner Arbeit noch nicht am Ende.
Liminski: Arbeit gibt es auch in anderen Bereichen. Bundesfinanzminister Hans Eichel hat gestern eine Entlastungsinitiative gestartet und die Bearbeitung von dringenden Sachthemen, zum Beispiel die Gemeindefinanzreform, gefordert. Dem müssten Sie doch zustimmen?
Merz: Ja, Herr Liminski, dem stimme ich natürlich zu, wobei mich schon einigermaßen überrascht, dass, soweit ich auch die Presselage übersehe, es bis jetzt niemandem aufgefallen ist, dass das, was da jetzt verkündet worden ist in dieser Woche, Gegenstand der Koalitionsvereinbarung von Rot und Grün seit vier Jahren ist. Diese Koalition hatte nach der Bundestagswahl 1998 verabredet, eine Gemeindefinanzreform auf den Weg zu bringen. Es ist dreieinhalb Jahre nichts geschehen, und jetzt wird, wie es bei dieser Regierung leider immer der Fall ist, der Ausweg gewählt, eine Kommission einzusetzen. Diese Kommission gibt es seit einigen Wochen, und jetzt wird verkündet, das Ergebnis sollte vorgezogen werden für das nächste Jahr – also zu einem Zeitpunkt, wo diese Regierung nach allem, was wir annehmen müssen, gar nicht mehr im Amt ist. Da wird der Öffentlichkeit etwas vorgemacht. Die Probleme, die bei den Kommunen entstanden sind, sind nicht zuletzt durch die Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung entstanden. Wir haben nachhaltig davor gewarnt, die Steuerreform so anzulegen, wie Rot-Grün das im Sommer 2000 gemacht hat. Und jetzt sind die Konsequenzen zu besichtigen. Das fängt bei den Gemeinden an, das geht aber bei den Ländern und dem Bund selbst weiter, denn der geradezu dramatische Einbruch bei der Körperschaftssteuer wird auch die Länder und den Bund vor fast unlösbare Probleme stellen. Es gibt Länder, die jetzt schon sagen – dazu gehört Nordrhein-Westfalen, dazu gehört Hessen –, dass sie die Grundversorgung der Bevölkerung nicht aufrechterhalten können, wenn aus der Gewerbesteuereinnahme eine dauerhafte Gewerbesteuerauszahlung wird. Und da sind wir angekommen. Wir haben jetzt in diesem ersten Halbjahr 2002 schon 1,2 Milliarden Euro Körperschaftssteuer mehr ausbezahlt als eingenommen in ganz Deutschland. Und das ist eine Entwicklung, die war in diesem Umfang nicht voraussehbar, aber dass es Probleme gibt, das haben wir der rot-grünen Bundesregierung gesagt. Das ist alles in den Wind geschlagen worden, und jetzt stehen sie vor einem Trümmerhaufen ihrer eigenen Finanz- und Steuerpolitik.
Liminski: Nach dem, was Sie sagen, kommt als Erstes wahrscheinlich – wenn Ihre Partei zum Zuge kommt als Regierung – eine große Steuerreform auf die Deutschen zu?
Merz: Es kommt eine Steuerreform, eine in der Tat große und wichtige Steuerreform auf uns zu. Diese Steuerreform muss zweierlei leisten. Erstens, sie muss die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wieder herstellen. Es geht nicht, dass der Mittelstand und die Personengesellschaften in Deutschland zusammen mit den Arbeitnehmerhaushalten die Last der öffentlichen Aufgaben praktisch alleine schultern. Zum Zweiten brauchen wir eine radikale Vereinfachung unseres Steuersystems. Wir haben mittlerweile die Aufrufe von Finanzamtsvorstehern aus Bayern und Nordrhein-Westfalen vorliegen, die sich hilfesuchend an den Gesetzgeber wenden und sagen: Dieses Steuersystem in Deutschland ist mittlerweile so kompliziert geworden - komplizierter denn je zuvor, es ist nicht mehr vollziehbar. Das sagen jetzt nicht Steuerberater, das sagen auch nicht Steuerzahler, die sich über ihre Steuerlast beklagen, sondern das sagen die Beamten der Steuerverwaltung, die Finanzamtsvorsteher, die also wirklich an der Basis damit umgehen müssen, was in Berlin beschlossen worden ist. Also, es steht zweierlei auf der Tagesordnung: Wiederherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und eine radikale Vereinfachung unseres Systems, so dass es wirklich wieder durchschaubar ist und auch von den Menschen akzeptiert wird.
Liminski: Herr Merz, Professor Sinn vom IFO-Institut fordert eine Rentenreform zum wiederholten Mal. Auch das ist in der Tat dringend wegen der leeren Rentenkassen. Was kommt denn nun zuerst - die Renten, die Steuern, die Gesundheitsreform?
Merz: Das Problem ist, dass wir, Herr Liminski, nach vier Jahren Rot-Grün alles zugleich machen müssen. Und das ist eine Aussicht, die uns schon einigermaßen Respekt beibringt. Wir freuen uns auf einen möglichen Wahlsieg, aber wir wissen auch gleichzeitig, welche dramatischen Aufgaben danach auf uns zukommen. Das kann man nicht getrennt voneinander machen. Sie können nicht eine Rentenreform machen und die Auswirkungen auf die Gesundheitspolitik unberücksichtigt lassen. Sie können nicht eine Steuerreform machen und die Besteuerung der Alterseinkommen unberücksichtigt lassen, die der Gesetzgeber bis zum Jahr 2006 leisten muss; so hat es uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben. Und dies ist ein Thema, was mich schon seit längerer Zeit beschäftigt. Wie schaffen wir es endlich wieder, Politik in großen Zusammenhängen zu formulieren – nicht das eine Kästchen neben das andere zu stellen, hier mal eine kleine Lösung zu machen, da mal eine kleine Lösung zu machen und alles passt nicht mehr zusammen. Das ist ja ohnehin eines der großen Probleme, das wir haben, dass wir den ordnungspolitischen Kompass in der gesamten Politik verloren haben. Ich mache das übrigens nicht nur der rot-grünen Bundesregierung zum Vorwurf, sondern das ist ein Vorwurf, den ich auch früher schon in unseren eigenen Reihen artikuliert habe. Die Politik muss wieder lernen, in Gesamtzusammenhängen zu denken und zu konzipieren und dann auch umzusetzen. Und damit steht das Jahr 2003 bevor als das wahrscheinlich strategisch wichtigste Jahr der nächsten Wahlperiode – auch wieder ganz unabhängig davon, wer die Bundestagswahl gewinnt. Aber wenn wir sie gewinnen sollten, dann sind wir uns darüber im Klaren, dass wir eine riesige Aufgabe zu schultern haben, die im Jahr 2003 geleistet werden muss. Wenn wir es nicht schaffen, dann werden wir aus den Problemen, die wir in allen Bereichen unserer Wirtschaft haben und unserer Gesellschaft haben, nicht herausfinden.
Liminski: Kleine Skandale und riesengroße Probleme. Das war Friedrich Merz, Chef der Unionsfraktion im Bundestag. Besten Dank für das Gespräch, Herr Merz.
Merz: Ich bedanke mich bei Ihnen
Link: Interview als RealAudio