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Nach dem Tod des Ex-Konzernchefs
Fiat-Chrysler trauert um Sergio Marchionne

Erst am vergangen Wochenende war Sergio Marchionne als Chef des Autobauers Fiat-Chrysler wegen gesundheitlicher Probleme abgelöst worden. Jetzt ist der Vorzeige-Manager gestorben. Das italienische Parlament würdigte ihn mit einer Schweigeminute. Er gilt als Retter des Fiat-Konzerns.

Von Tassilo Forchheimer | 25.07.2018
    Foto IPP/Paolo Bona Parma 09/04/2010 Meeting di Confindustria nella foto sergio marchionne, amministratore delegato del gruppo fiat Italy Photo Press World Wide Copyright Victor Matfiled PUBLICATIONxNOTxINxITAxFIN 0
    Sergio Marchionne (imago stock&people)
    Am Ende war er das Gesicht von Fiat, was wirklich etwas heißen will in dieser Firma, die zuvor vor allem von Mitgliedern der Familie Agnelli geprägt wurde, denen der Reichtum in die Wiege gelegt war. Anders bei Sergio Marchionne.
    "Ich bin in den Abruzzen geboren, habe aber die meiste Zeit meines Lebens im Ausland verbracht", erzählte er einigermaßen trocken ohne große Begeisterung. Immer wieder habe er die Sicherheit des Bekannten für die Unsicherheit des Neuen aufgeben müssen.
    Ein Leben auf gepackten Koffern, Studium in Kanada, Wohnsitz in der Schweiz, zwischen Turin und Detroit mit guten Kontakten zu den Mächtigen der Welt, mit denen er auf Augenhöhe verkehrte, ohne sich von ihnen vereinnahmen zu lassen.
    "Ich bin kein Professor, kein Wirtschaftswissenschaftler und erst recht kein Politiker."
    Harte Maßnahmen sicherten Firmenexistenz
    Lange Zeit nutzte Marchionne Gewinne aus dem Ausland, um Verluste in Italien auszugleichen. Ohne den italienischen Unternehmenszweig würde Fiat mehr verdienen, so seine schonungslose Analyse. Die meisten Konkurrenten hätten längst die Notbremse gezogen, meinte der Manager, was nicht heißt, dass die italienischen Arbeitnehmer unter ihm geschont wurden. Eher im Gegenteil: Aus 120.000 Fiat-Beschäftigten im Jahr 2000 sind inzwischen 29.000 geworden. Drei von vier Arbeitsplätzen wurden gestrichen.
    Das hat Marchionne in Italien viel Kritik eingebracht. Wir können Autos auch ohne ihn produzieren, meinten aufgebrachte Mitarbeiter noch im Jahr 2012. Tatsächlich ist es wohl so, dass die harten Maßnahmen am Ende die Existenz der Firma gesichert haben. Genauso wie der Ausstieg aus der Allianz mit General Motors, seine wahrscheinlich wichtigste Entscheidung gleich nach dem Einstieg bei Fiat im Jahr 2004.
    Befehle, Kontrollen und kurzfristige Löschmaßnahmen
    Die Rettung von Chrysler im Jahr 2009 gelang ihm nur dank seines großen Verhandlungsgeschicks mit den Gewerkschaften. Das Vokabular des Klassenkampfes war ihm zuwider.
    "Wir leben nicht mehr in den 60er Jahren. Wir sollten nicht die Zukunft auf Spiel setzen, indem wir weiter meinen, es gebe einen Kampf zwischen Arbeit und Kapital, zwischen Chefs und Arbeitern. Wenn Italien dieses Denken nicht hinter sich lässt, werden wir unsere Probleme nie lösen."
    Sein Stil sei schwer zu kopieren, heißt es. Marchionne habe Unternehmensführung immer als laufendes Geschäft betrieben - als eine Mischung aus Befehlen, Kontrollen und kurzfristigen Löschmaßnahmen, wo immer dies nötig war. Nun müssen andere in seine übergroßen Fußstapfen treten und den Fiat-Konzern nach einer Phase der Konsolidierung in die Zukunft führen. In Sachen Elektromobilität beispielsweise gehört Fiat bis jetzt nicht zu den Trendsettern.