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Nach den Wahlen in Italien

Liminski: Eine absolute Mehrheit der Italiener hat die Alleanza Silvio Berlusconi gewählt. Man sprach diesseits der Alpen mit Blick auf diese Allianz eigentlich immer nur von Berlusconi und den Neofaschisten. Letztere sind deutlich geschwächt. Dafür rücken andere Namen aus der Umgebung Berlusconis in den Vordergrund, etwa Casini, ein bekannter Familienpolitiker, der auch dieses Ministerium übernehmen könnte, oder Rocco Buttiglione, Philosoph und Europaabgeordneter, der den Bereich der Bildung und Wissenschaft übernehmen dürfte, oder auch Alberto Michelini, früher Journalist, dann Europaabgeordneter, der für das Europaressort zuständig werden könnte, um nur einige Namen zu nennen. Am Telefon begrüße ich nun den Vorsitzenden der größten Fraktion im Europaparlament, der EVP, den CDU-Politiker Hans-Gerd Pöttering. Guten Morgen!

    Pöttering: Guten Morgen Herr Liminski.

    Liminski: Herr Pöttering, Sie kennen nicht wenige der Männer, die jetzt als Minister gehandelt werden. Sie waren ja schließlich auch in Ihrer Fraktion, zu der auch Berlusconi selbst gehörte. Können Sie mit Blick auf diese Personen die Befürchtungen teilen, die hier und da in Bezug auf den neuen Regierungschef Italiens auftauchen?

    Pöttering: Nein, ich habe diese Befürchtungen nie geteilt, weil die Forza Italia mit ihrem Vorsitzenden Silvio Berlusconi eine ausgewiesene europaorientierte Partei ist. Ich war vor einigen Jahren auch sehr bemüht, meinen Beitrag zu leisten, dass Forza Italia in unsere Fraktion und dann auch in die Europäische Volkspartei als Partei hinein kam. Diese Campagne der Sozialisten in Europa, gleichsam Berlusconi und seine Partei, die Forza Italia, und auch die Verbündeten zu demonisieren, dieses haben wir nie geteilt, nie verstanden und haben es mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen, auch hier im Europäischen Parlament, wo es ja entsprechende Bemühungen gab. Was die von Ihnen genannten Namen angeht, Herr Liminski, so bin ich nicht nur mit den betroffenen Personen gut bekannt, sondern mit Rocco Buttiglione und mit Pierferdinando Casini auch befreundet, so dass uns wirklich ein Vertrauensverhältnis verbindet. Alle genannten Personen sind ausgewiesene Europäer und es sind Persönlichkeiten, die mein ganzes Vertrauen habe. Ich habe auch nie daran gezweifelt, dass Silvio Berlusconi, der ja unserer Fraktion angehört, solche Personen in sein Kabinett berufen wird.

    Liminski: Das Haus der Freiheiten hat nun gewonnen. Italien hat wieder eine Mitte-Rechts-Regierung. Hier und da wird auch in Deutschland so getan, als ob man jetzt besonders auf der Hut sein müsste. Frage an den Parlamentarier: muss man das nicht bei jeder Regierung?

    Pöttering: Natürlich. Wir müssen in jedem Land der Europäischen Union und darüber hinaus wachsam sein. Es gibt ja auch andere Regierungen, an denen Kommunisten beteiligt sind. Nur das schweigt man tot. Man hat die Situation in Italien demonisiert. Jetzt haben die Wählerinnen und Wähler gesprochen und ich bin doch zuversichtlich, dass es niemand mehr wagen wird, eine Neuauflage des Falles Österreich zu inszenieren. Wir haben uns mit aller Kraft dagegen gesetzt. Man muss die Ergebnisse bei den Wahlen in den Ländern akzeptieren. Wenn Sie vor allen Dingen auch Österreich nehmen, so ist dort eine demokratisch gebildete Regierung mit einer sehr akzeptablen europaorientierten Politik. Ich bin froh, dass sich eine ähnliche Diskussion nicht wiederholen wird im Fall Italien, obwohl hier und da die Versuche gemacht werden. Wenn sie aber fortgesetzt werden sollten, unsere Fraktion, die größte Fraktion im Europäischen Parlament, wird sich dem mit aller Kraft widersetzen.

    Liminski: Berlusconi hat weniger Steuern und höhere Renten versprochen, aber auch konkrete Pläne für die Infrastruktur vorgelegt, besonders im armen Süden Italiens. Das kostet viel Geld, das Berlusconi erst noch locker machen oder erwirtschaften muss. Halten Sie es für möglich, dass Italien seine Haltung gegenüber der Osterweiterung ändert und ähnlich wie Spanien, wo ja auch eine Mitte-Rechts-Regierung an der Macht ist, die Erweiterung beziehungsweise die Freizügigkeitsregelung an die Fortsetzung der Regionalhilfen knüpft?

    Pöttering: Das hoffe ich nicht und das erwarte ich eigentlich auch nicht. Jedes Land hat natürlich seine eigenen Interessen, aber die Mitgliedschaft der Länder Mitteleuropas in der Europäischen Union ist eine so historisch wichtige Aufgabe, dass wir keine Irritationen entstehen lassen dürfen. So wie ich die Überzeugung von Silvio Berlusconi kenne wird er helfen, dass die Länder Mitteleuropas, wenn sie die Bedingungen erfüllen, in die Europäische Union hinein kommen. Ich erwarte nicht, dass er unangemessene Forderungen für Italien selbst stellt. Das würde eigentlich seiner bisherigen Politik widersprechen und deswegen erwarte ich es nicht.

    Liminski: Wie steht eigentlich das Parlament zu den Forderungen Spaniens? Kann Straßburg überhaupt ein Wort mitreden?

    Pöttering: Wir haben natürlich dazu keine offiziell formulierte Position, aber es ist schon unsere Erwartung, dass man sich unter schwedischer Präsidentschaft, die ja noch bis Ende Juni läuft, auf eine Formel einigt, die akzeptabel ist für die bisherigen Länder der Europäischen Union, aber vor allen Dingen auch sicherstellt, dass die Erweiterung der Europäischen Union im vorgegebenen Zeitraum sich gestaltet. Ich erwarte also von der schwedischen Präsidentschaft, dass sie nach Kompromissen sucht.

    Liminski: Spanien, Portugal und Griechenland haben bisher kräftig von der EU-Mitgliedschaft profitiert. Ähnliches ist nun bei den Ostländern, die hinzukommen sollen, zu erwarten. Wenn die Südländer jetzt so stark auftreten, werden die Ostländer das kaum minder tun. Wird die EU-Solidarität dort nicht überstrapaziert nach der Gleichung Süd und Ost gleich Pleite?

    Pöttering: Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Finanzströme, die heute vorrangig in den Süden der Europäischen Union gehen, zum Teil auch umgelenkt werden müssen in die Mitte Europas, denn dort sind die strukturschwachen Gebiete. Dafür müssen alle Opfer bringen: diejenigen, die in den letzten Jahrzehnten die Hauptsummen der Gelder bekommen haben, aber auch Deutschland und andere müssen Opfer bringen, damit Mitteleuropa eine gesunde, vernünftige Entwicklung nimmt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass was Deutschland angeht wir jetzt wirtschaftlich von dem Austausch mit den Ländern Mitteleuropas profitieren, denn wir exportieren um ein Vielfaches mehr nach Mitteleuropa als wir zu uns reimportieren, so dass viele Tausende Arbeitsplätze bei uns gesichert werden durch unsere positive Handelsbilanz mit den Ländern Mitteleuropas.

    Liminski: Herr Pöttering, noch mal eine Frage zu Italien. Nun hat dort ein Mitte-Rechts-Bündnis gewonnen, das zweite nach Österreich. Wendet sich die Stimmung in Europa wieder zu Gunsten der Bürgerlichen? Spielt das überhaupt eine Rolle in Straßburg?

    Pöttering: Ja, natürlich spielt das eine Rolle. Die Frage Österreichs hat ja im Parlament eine große Rolle gespielt und die Sozialisten waren auch übermütig geworden, weil sie von 15 Regierungen 11 in den Ländern der Europischen Union stellen. Die Sanktionen gegen Österreich wären auch gar nicht denkbar gewesen, wenn es diese sozialistische Dominanz nicht gegeben hätte. Aber in der Politik ist es Gott sei Dank so, dass eine Regierung von heute die Opposition von morgen ist und die Opposition von heute die Regierung von morgen. Insofern haben wir unsere Arbeit hier auch als stärkste Fraktion immer als ein stück Korrektiv zu den sozialistischen Regierungen verstanden. Wenn jetzt mit Italien eine Regierung der politischen Mitte oder Mitte-Rechts die Verantwortung übernimmt so zeigt dies, dass die Dinge sich wieder in eine andere Richtung bewegen können.

    Liminski: Sie sagen immer "sozialistische Regierung". Meinen Sie damit auch die Sozialdemokraten?

    Pöttering: Ja natürlich. Im Europäischen Parlament nennt sich ja die Fraktion je nach Opportunität wie es gerade passt, mal sozialdemokratische Fraktion, mal sozialistische Fraktion. Die Regierung von Bundeskanzler Schröder war ja mit an der Spitze, was die Sanktionen gegen Österreich angeht. Auch der gegenwärtige Besuch des Bundeskanzlers in Wien zeigt ja, dass man so sehr viel noch nicht gelernt hat aus den Erfahrungen der letzten Jahre.

    Liminski: Das war der CDU-Politiker Hans-Gerd Pöttering, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament. - Besten Dank für das Gespräch, Herr Pöttering!

    Link: Interview als RealAudio