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Nach den Wahlen in Serbien

    Engels: Ich begrüße Herrn Marco Cadec. Er ist Serbe und Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Belgrad. Guten Morgen, Herr Cadec.

    Cadec: Guten Morgen.

    Engels: Waren Sie gestern wählen?

    Cadec: Ja.

    Engels: Warum lassen denn, Ihrer Einschätzung nach, Ihre Landsleute diese Wahlen zum zweiten Mal platzen?

    Cadec: Das hat mehrere Gründe: Einerseits tragen natürlich auch die Kandidaten selbst eine Schuld. Kostunica hat sich wenig bemüht, die Wähler zu den Wahlurnen zu bringen. Besonders wenn man den Wahlkampf beobachtet hat, dann hat man noch nie so einen toten Wahlkampf in Serbien gesehen wie im letzten Monat. In den Hauptnachrichten in Serbien zum Beispiel hat Kostunica nur 38 Sekunden für den Wahlkampf benutzt. Das sah auch in anderen Lagern, bei den anderen Kandidaten nicht besser aus.

    Engels: Steckt dahinter also von der Bevölkerung her politischer Protest, nicht wählen zu gehen?

    Cadec: Ja, so kann man es auch sagen. Einige sagen, es gab für uns keinen richtigen Kandidaten, andere sagen, wir sind von allen enttäuscht, sowohl von Regierungspremier Djindjic als auch von der Partei Kostunicas.

    Engels: Sie haben es angedeutet: Auffällig war ja in diesem Wahlkampf, dass neben dem konservativen Kostunica zwei rechte bis rechtsextreme Mitbewerber antraten. War die Auswahl für die Wähler zu einseitig, das heißt, fehlte ein sogenannter linker oder liberaler Bewerber?

    Cadec: Ja, das beschreibt auch die heutige Situation, die politische Szene in Serbien am besten, wo es eigentlich keine richtige sozialdemokratische Option gibt. Einige haben sich entschieden, an der Wahl nicht teilzunehmen und eigentlich den rechten Seiten, den konservativen Kräften die Wahlen überlassen. Das aber reichte nicht für die Wähler und für die Bürger Serbiens. Also eine Mehrheit besaß es.

    Engels: Wie kommt man aus dieser Schwierigkeit nun heraus?

    Cadec: Ja, diese Wahl und auch die Wahl im Oktober haben uns gezeigt, dass keine der zwei Gruppen dieser zwei demokratischen Kräfte alleine regieren kann. Also, dieses Wahlscheitern hat nur die Krise der demokratischen Kräfte weiter vertieft. Ein Weg heraus führt über eine gemeinsame Politikfront sozusagen, über einen Kompromiss zwischen Kostunica und Djindjic.

    Engels: Eben war ja - Sie haben es gerade noch einmal angesprochen - schon die Rede vom Machtkampf zwischen Kostunica und Djindjic. Sie denken also, Djindjic nützt diese gescheiterte Wahl?

    Cadec: Natürlich, Djindjic ist nicht sehr enttäuscht darüber, dass die Wahlen nicht gelungen sind. Das Amt des Präsidenten übernimmt der Parlamentspräsident Natasa Micis, der aus Djindjics Partei kommt. Damit gewinnt er natürlich auch Zeit.

    Engels: Steht denn Serbien nun vor einer Verfassungskrise?

    Cadec: Verfassungskrise weniger, aber eine Parlamentskrise sicherlich. Alle Experten hier in Serbien sprechen davon, dass es diese Krise der demokratischen Kräfte nur weiter vertieft, dass der einzige Weg dieses Scheitern der Wahlen nicht zu einem politischen Kompromiss, zu einer politischen Mitarbeit von zwei Streitparteien führt, sondern mehr auseinander.

    Engels: Werfen wir noch einen Blick auf Ihre alltägliche Arbeit. Sie sind ja bei der CDU-nahen Adenauer-Stiftung tätig. Wie sieht Ihre allgemeine oder Ihre tägliche Arbeit aus?

    Cadec: Ja, die gescheiterten Wahlen haben uns nur gezeigt, dass an sich noch viel in Serbien zu tun ist, vor allem was die politische Bildung angeht. Wir arbeiten hart an mehreren Projekten an einer stärkeren politischen Bildung. Wir arbeiten mit allen demokratischen, also es gibt nicht eine Partei, mit denen wir sozusagen eine Partnerschaft haben. Wir arbeiten zum Beispiel nicht nur mit Kostunica, was unser natürlicher Partner sein sollte, sondern wir arbeiten mit demokratischen Parteien und auch mit der demokratischen Partei Serbiens.

    Engels: Warum tun Sie das und nicht diese Fixierung auf vergleichsweise verwandtes Lager, also auf ein konservatives Lager ähnlich wie die CDU?

    Cadec: Das Problem in Serbien ist natürlich, dass es noch immer keine so richtige politische Positionierung bei Parteien gibt, also Kostunicas Partei ist nur nach ihrer Beschreibung eine konservative Partei, aber noch immer sehr weit von Werten entfernt, die wir als christlich-demokratische Werte sozusagen befinden.

    Engels: Nun arbeiten Sie für eine deutsche Organisation. Wie kommen denn die Deutschen derzeit in Serbien an?

    Cadec: Eigentlich gut. Es gibt mehrere Stiftungen, die in Deutschland tätig sind, also zum Beispiel auch unsere Kollegen aus der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie aus Hanns Seidel und Friedrich Naumann und wir haben natürlich auch eine Projektteilung gemacht, schneiden uns nicht und arbeiten in verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Also, die Konrad-Adenauer-Stiftung macht viel für politische Bildung, kommunale Selbstverwaltung, Sicherheitspolitik und Reform der öffentlichen Verwaltung.

    Engels: Spüren Sie denn manchmal noch Anfeindungen von Personen, die vielleicht den Krieg, der ja von westlichen Kräften betrieben wurde, nicht vergessen haben?

    Cadec: Nein, diese Stimmung ist in Serbien eigentlich schon vorbei. Sowohl die Deutschen als auch andere internationale Kräfte in Serbien arbeiten und helfen viel. Das müssen wir sagen, und diese Meinung hat auch die Bevölkerung in Jugoslawien. Es gibt ein radikales Lager. Das haben auch diese Wahlen gezeigt. Das waren 20 Prozent, die Rechtsextremisten, aber es war eine Minderheit.

    Engels: Sie gehen also davon aus, dass Serbien auf dem Weg zur Demokratisierung trotz der gescheiterten Wahlschritte weiterkommt? Natürlich. Das muss Serbien auch.

    Engels: Vielen Dank. Wir sprachen mit Marco Cadec. Er arbeitet für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Belgrad.

    Link: Interview als RealAudio