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Nach der Bundestagswahl
Warum Wahlkreis Köln II kaum AfD wählt

Ein Rezept gegen die AfD suchen viele Parteien, der Kölner Wahlkreis II scheint es gefunden zu haben: Hier erhielten die Rechtspopulisten das bundesweit zweitniedrigste Ergebnis bei der Bundestagswahl. Gründe für die niedrigen Zustimmungswerte gibt es einige.

Von Mirjam Kid | 09.10.2017
    Die Rheinpromenade in Köln-Rodenkirchen
    Köln-Rodenkirchen gehört zum Wahlkreis Köln II (imago/Schöning)
    "'Kein Veedel für Rassismus' ist ursprünglich mal angeschoben worden von 'Köln gegen Rechts'. Mehr oder weniger haben wir gemerkt, wir müssen irgendwie mehr in die Fläche in der Stadt, wir müssen in die Bezirke wo Rechte stark sind und da müssen wir aktiv werden."
    Erinnert sich Rainer Schmidt, Sprecher der Initiative "Köln gegen Rechts". Informations- und Aufklärungsarbeit in den Vierteln gehören genauso zum Aufgabenfeld von "Kein Veedel für Rassismus", wie öffentlichkeitswirksame Konzerte und Demonstrationen gegen die AfD. Mittlerweile ist das Bündnis breit aufgestellt und fest in der Stadtgesellschaft verankert – besonders im Wahlkreis Köln II, in dem die AfD mit 5,1 Prozent ihr bundesweit zweitschlechtestes Ergebnis eingefahren hat – nach Münster. Das sei kein Zufall, meint Hans-Peter Killguss, Leiter der Informations- und Bildungsstelle des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln.
    "Dass in Köln II es ein aktives zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts gibt, dass also sehr viele Leute sich gegen Rassismus und für ein gleichberechtigtes Miteinander einsetzen, das prägt die politische Kultur und das prägt natürlich auch Wahlergebnisse."
    Der Ausländeranteil im Wahlbezirk liegt bei 13,3 Prozent
    Sogenannte Influencer wie etwa Rainer Schmidt und die genannten Initiativen seien dafür entscheidend. Dass diese Faktoren eine entscheidende Rolle spielen, bestätigt auch Alexander Häusler, Sozialwissenschaftler der Universität Düsseldorf. Gerade im Vergleich mit Münster, wo die AfD mit 4,9 Prozent die wenigsten Stimmen bekam, würden strukturelle Gemeinsamkeiten deutlich.
    "Münster hat eben auch, ähnlich wie Köln, eine sehr lebendige und zwar auch Milieu übergreifende Stadtkultur und Zivilgesellschaft, die stark engagiert gegen rechts ist."
    Historisch betrachtet gingen die niedrigen Zustimmungswerte im Wahlkreise Köln II nicht auf alte Wahltraditionen zurück, vielmehr handle es sich hier um neuere Resilienzen - neben der politischen Kultur spielten auch zwei weitere Faktoren für das Wahlverhalten eine Rolle, erklärt Hans-Peter Killgus. Und nennt zum einen: die Bevölkerungszusammensetzung im Viertel.
    "Sind das Leute mit unterschiedlichen Hintergründen? Sei es unterschiedlichen Herkünften, unterschiedlichen Kulturen oder ähnliches, und wie ergänzt sich das? Also, gibt es so etwas wie Vielfalt vor Ort?"
    Der Ausländeranteil im Wahlbezirk liegt bei 13,3 Prozent, ein Drittel der Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund. In die Stadtteile Südstadt und Innenstadt etwa, die zum Wahlkreis II gehören, sind vor Jahrzehnten bereits Menschen aus Italien und aus der Türkei migriert – seit langem gehören sie fest zum Stadtbild mit dazu. Vielfalt hieße aber auch: offenes queeres und schwul-lesbisches Leben, so Killgus. Auch das gehöre zur Stadt und werde hier zelebriert. Der dritte Faktor, der für das Wahlverhalten eine Rolle spielt:
    "Wie ist die sozioökonomische Lage, wie ist das Haushaltseinkommen, wie sind Privilegien vor Ort verteilt."
    Bessere Chancen, nicht lange arbeitslos zu bleiben
    Der Wahlkreis II verdient ziemlich gut. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt rund 55.000 Euro, und ist damit erkennbar über dem bundesdeutschen Durchschnitt von rund 40.000 Euro. Abitur und Fachhochschulreife und damit die Möglichkeit zu studieren, haben hier mehr als 40 Prozent. Obwohl es im Wahlkreis rund neun Prozent Arbeitslose gibt, haben die Menschen hier wohl insgesamt bessere Chancen, nicht lange arbeitslos zu bleiben. Nicht der einzige, aber eben auch ein Faktor, der das Wahlverhalten zu beeinflussen scheint.
    Zusammengefasst: Je nachdem wie es um diese drei Faktoren bestellt ist …
    " … gibt es eine größere Affinität zu extrem rechten und rechtspopulistischen Parteien oder eine geringere."
    Der Wahlkreis Köln II sei dafür exemplarisch.