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Nach der Plakat-Blamage

Heinlein: Trotz Ministerrücktritten, BSE-Skandal und der Sponti-Vergangenheit grüner Kabinettsmitglieder, die Bundesregierung bleibt in den Umfragen stabil. Die Opposition tritt dagegen auf der Stelle. Der angekündigte Frontalangriff auf rot/grün kommt nicht recht voran. Die harte Gangart von CDU-Generalsekretär Meyer wurde gestern Abend auch von den eigenen Leuten hart kritisiert. Sein umstrittenes Rentenplakat wird wieder eingerollt. Der schroffe Politikstil von Laurenz Meyer für manche ein Hinweis, dass es der Opposition an Themen mangelt. Seit langem versucht die Union, inhaltlichen Boden gut zu machen. So soll die wirtschaftspolitische Kompetenz, einst fest in Händen der Christdemokraten, wiedererobert werden. Doch dort gibt es intern Streit zwischen dem Arbeitnehmer- und dem Wirtschaftsflügel der Partei. Gestern Abend nun versuchte die Fraktionsspitze hier eine gemeinsame Linie abzustecken. Am Telefon dazu heute Morgen Hans-Peter Repnik, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!

    Repnik: Guten Morgen Herr Heinlein.

    Heinlein: Herr Repnik, Ihr Fraktionschef Merz sprach vor dem gestrigen Treffen von einer ganzen Reihe ungelöster Konfliktfelder. Was hat er denn damit gemeint?

    Repnik: Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass wir nicht am Beginn einer Diskussion stehen. Wir haben im vergangenen Jahr einige wichtige Felder bereits aufgearbeitet. Wir haben ein familienpolitisches Programm der Union verabschiedet, das sich sehen lassen kann. Wir sehen auf Seiten der Regierungskoalition nichts dergleichen. Wir haben ein großes Bildungsprogramm verabschiedet, das uns ebenfalls die Perspektiven für die Zukunft eröffnet, und wir sind gestern Abend auf Vorschlag von Friedrich Merz - und er hat auch eingeführt in das Thema - eingestiegen, wie wir Antworten geben auf so große Fragestellungen wie Globalisierung. Wir haben es mit einer unglaublich hohen Geschwindigkeit an technischen Erneuerungen zu tun. Ich erinnere an das Thema Bio- und Gentechnologie. Das sind Fragen, die nicht nur politische Antworten zum Tag verlangen, sondern wo auch ethische Fragen aufgeworfen sind. Es ist deutlich geworden, dass ein anderes großes Thema, die Demographie, die Entwicklung der Gesellschaft, die Zusammensetzung zwischen jung und alt, uns beschäftigt. Da haben wir rund sechs Stunden lang eine sehr grundsätzliche hervorragende Diskussion geführt, bei der sowohl Wirtschafts- als auch Sozialpolitiker zu Wort gekommen sind.

    Heinlein: Wie tief ist denn der Riss zwischen dem Sozial- und dem Wirtschaftsflügel Ihrer Fraktion?

    Repnik: Es hat sich deutlich gezeigt, dass man hier nicht von Flügeln sprechen kann, und es geht auch kein Riss durch die Diskussion. Wir müssen einerseits Lösungsansätze finden, die der Modernität, der wir unterzogen sind, gerecht werden, und auf der anderen Seite müssen wir Lösungsansätze finden, die eben auch dem menschlichen Anspruch gerecht werden. Wir haben noch einmal zurückgeschaut auf Ludwig Erhard, auf die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft, die Freiheit des einzelnen auf der einen Seite, dem Wettbewerb die Chancen einräumen, um dann allerdings auch und gerade der Solidarität des einzelnen Menschen gerecht zu werden, Ängste dort wo sie vorhanden sind abzubauen. Hier haben die Vertreter sowohl aus dem Bereich der Wirtschaft wie der Sozialpolitik sehr nahe zusammengefunden. Es gab auch einen wichtigen gemeinsamen Nenner, der da lautet: wir müssen gerade wenn wir die Demographie im Auge haben, den Probleme bei der Rente, bei der Gesundheit, den Familien einen noch sehr viel stärkeren Stellenwert einräumen.

    Heinlein: Wächst denn insgesamt in der Union die Erkenntnis, dass es nicht ausreicht, einzelne Regierungsmitglieder persönlich zu attackieren, sondern dass man auch thematisch Alternativen aufzeigen muss?

    Repnik: Herr Heinlein, das war nicht unser Stil, aber wir können es uns ja nicht aussuchen. Wenn wir es mit einer Regierungstruppe zu tun haben, die derzeit in Skandale verwickelt ist, von Fischer bis zu Trittin - ich erinnere noch einmal an Lafontaine und Hombach, an den Rücktritt von Frau Fischer und Herrn Funke -, dann war das ein ganz eindeutiges Versagen auf der Regierungsseite. Wir wären als Opposition deshalb schlecht beraten, wenn wir auf solche Dinge nicht eingehen würden. Auf der anderen Seite haben wir klare Akzente gesetzt und wir werden diese in dieser Woche an einem großen wichtigen Thema deutlich machen: an der Rente. Wir haben am Freitag die von der Koalition vorgelegte Rentenreform im Plenum und wir werden dort nicht in polemischer, sondern in sehr fachlicher Arbeit herausarbeiten, weshalb es uns nicht möglich ist, dieser Reform zuzustimmen. Schröder - und dies kann nicht bestritten werden - streut der Bevölkerung in der Rentenfrage heute Sand in die Augen. Es wird mit falschen Zahlen operiert. Die anstehende Besteuerung der Renten - Eichel hat bereits die Pläne in der Schublade - wird der Bevölkerung vorenthalten. Wir werden gerade am Freitag dieser Woche nicht zulassen, dass man jetzt nur über ein Plakat diskutiert, sondern wir werden uns inhaltlich mit der Regierung auseinandersetzen und wir haben gute Karten.

    Heinlein: Herr Repnik, bleiben wir noch einen Moment bei Ihrer Partei, bei Ihrer Fraktion. Wie stark ist denn dort die Unterstützung für den doch recht plakativen Politikstil Ihres Generalsekretärs?

    Repnik: Herr Heinlein, wir leben ja in einer reizüberfluteten Gesellschaft. Dies bedeutet, wenn sie mit einem Thema in der Öffentlichkeit überhaupt noch auffallen wollen, dann müssen sie gelegentlich provozieren. Dies wiederum heißt auch, dass die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit immer auch eine Gradwanderung ist. Da kann man vielleicht mal übers Ziel hinausschießen. Doch wer sieht, wie in der Vergangenheit bis in die heutigen Tage hinein diesbezüglich gearbeitet wird, wer ins Internet schaut, was die SPD Bayern zu Politikern der Union für Plakate ins Internet eingestellt hat, der muss und kann nur feststellen, dass die andere Seite auch nicht zimperlicher ist. Der Generalsekretär Meyer spricht eine deutliche Sprache, eine Sprache, die die Bürger auch verstehen. Die Tatsache, dass die Gegenseite gelegentlich aufschreit und reagiert, zeigt, dass er mit seiner Sprache auch den Nerv trifft.

    Heinlein: Fanden Sie das Plakat gelungen?

    Repnik: Ich glaube beides gehört zusammen: Holzschnitt und filigrane Sacharbeit.

    Heinlein: Herr Repnik, fanden Sie das Plakat gelungen?

    Repnik: Ich hatte das Plakat nicht zu verantworten. Ich weiß nur, dass über dieses Plakat, auch über die Rente erneut diskutiert wird. Sie wissen, dass bereits ein neues Plakat auf dem Markt ist. Wie gesagt, wir diskutieren jetzt nicht über das Plakat, sondern wir diskutieren über Inhalte, und da sieht die Regierung schlecht aus.

    Heinlein: Wie viele Fehltritte kann sich denn noch der Generalsekretär leisten, bevor er zum zweiten Missgriff auf diesem Posten wird?

    Repnik: Ich kann in diesem Plakat, das Herr Meyer mitzuverantworten hat, keine Fehltritte erkennen. Man kann darüber streiten, ob man solch ein Plakat kleben soll. Er wollte provozieren. Er wollte das Plakat nicht flächendeckend aufhängen. Die Provokation ist ganz offensichtlich gelungen. Aber wenn wir schon dabei sind, Herr

    Heinlein: Gestern Abend wurde Frau Merkel gefragt oder gebeten, ob sie sich für dieses Plakat entschuldigen müsse. Ich kann nur sagen, wer wie Herr Schröder zum Beispiel mit den Renten umgeht, wer den Witwen in der Zukunft, wenn diese ein Zimmer vermieten, dies auf die Rente anrechnen lassen will, der muss sich fragen, ob er nicht bei einer Zielgruppe, der er noch vor zwei Jahren etwas ganz anderes versprochen hat, sich entschuldigen sollte. So wird glaube ich eher ein Schuh daraus.

    Heinlein: Herr Meyer hat das Plakat zu verantworten. Sie haben es in der Tat zurecht gesagt. Bleibt deshalb die Frage: wie konnte ein solch umstrittenes Plakat an die Öffentlichkeit gelangen, ohne dass die Fraktion darüber im Vorfeld informiert wurde? Gab es gestern Abend bei Ihnen in der Fraktionsspitze dazu Kritik?

    Repnik: Nein. Wir haben uns gestern Abend vorgenommen, zu einem sehr wichtigen Thema - ich habe darauf hingewiesen -, Wirtschafts- und Sozialpolitik, eine Grundsatzdiskussion zu führen, neue Fingerzeige für die Lösung dieser wichtigen Fragen für die Zukunft zu erarbeiten. Dies haben wir getan. Das Thema Plakat hat keine Rolle gespielt. Wir waren uns gestern Abend aber einig, dass wir am Freitag im Plenum des deutschen Bundestages die Defizite der Rentenreform herausarbeiten werden und dass wir dem Bürger verdeutlichen, dass die Regierung dabei ist, hier einen gigantischen Wahlbetrug im Hinblick auf die Rentner der Bevölkerung zu offerieren.

    Heinlein: Herr Repnik, wie groß ist denn Ihre Sorge, dass mit der heutigen Vernehmung von Helmut Kohl im Untersuchungsausschuss und den Ermittlungen gegen Frau Baumeister sich nun die öffentliche Aufmerksamkeit wieder verstärkt auf die Affären Ihrer Partei hinwendet?

    Repnik: Sie wissen, dass dieses Thema uns seit einem Jahr befasst, dass uns dies auch im letzten Jahr sehr stark daran gehindert hat, eine konstruktive Sacharbeit zu tun, weil unsere Kräfte auch gebunden waren. Nach allem was wir wissen gibt es zumindest nach unserer Erkenntnis keine neuen Sachverhalte, so dass wir hoffen, dass es uns gelingt, in der Tat auch die öffentliche Diskussion, die Aufmerksamkeit der Medien den großen Fragen der Zukunft zuzuwenden. Dazu zählt zum Beispiel die Rente, dazu zählt die ausstehende Gesundheitsreform, dazu zählt auch, wie reagieren wir im Hinblick auf den Verbraucherschutz bei BSE und bei anderen Fragen. Ich bin ganz sicher, dass wir uns inhaltlich mit diesen Fragen und nicht nur mit der Vergangenheit in den nächsten Monaten auseinandersetzen werden. Wir sind dies der Bevölkerung auch und gerade im Hinblick auf die Wahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz schuldig.

    Heinlein: Ganz kurz zum Schluss, Herr Repnik. Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf hat angekündigt, 2003 sein Amt vorzeitig niederzulegen. Haben Sie eine Idee, wer sein Nachfolger werden könnte?

    Repnik: Das werden die Freunde in Sachsen entscheiden. Wir haben auch ganz herausragende personelle Alternativen. Ich bin ganz sicher, dass eine gute Lösung gefunden werden wird.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Hans-Peter Repnik. - Danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio