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Nach der rot-grünen Koalitionssitzung in Düsseldorf

Wiese: Letzten Endes war es doch eine Überraschung, als der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) am vergangenen Freitag das Aus für den Metrorapid zwischen Düsseldorf und Dortmund bekannt gab. Immerhin handelte es sich dabei um ein Lieblingsprojekt Steinbrücks, für das er vehement gekämpft hatte, und zwar vor allem gegen seinen grünen Koalitionspartner. Nun ist zwar mit dem Metrorapid ein Stolperstein für Rot-Grün in Düsseldorf beseitigt. In Steinbrücks umfangreichem Positionspapier sind aber noch etliche andere enthalten und darüber wurde gestern Abend in einer erneuten Koalitionsrunde beraten. Am Telefon begrüße ich jetzt die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn von den Grünen. Guten Morgen!

    Höhn: Guten Morgen Herr Wiese.

    Wiese: Frau Höhn, haben Sie und Ihre grünen Mitstreiter am Freitag mal so richtig frohlockt, weil ihr ungeliebter Koalitionspartner Steinbrück eine Niederlage kassieren musste?

    Höhn: Nein. Es geht ja im Prinzip immer um die Sache und de facto ist es schon so, dass glaube ich immer mehr Leute eingesehen haben, dass der Metrorapid nicht mehr in unsere Zeit passt, übrigens auch unter den finanziellen Rahmenbedingungen, unter denen wir momentan arbeiten müssen. Der Ministerpräsident hat selber gesagt, er ist in der Realität angekommen. Ich glaube so hat er sich ausgedrückt. Von daher war das glaube ich auch nur eine Frage der Zeit.

    Wiese: Aber so etwas wie Genugtuung werden Sie schon empfunden haben?

    Höhn: Wissen Sie ich habe es mir angewöhnt, dass man erst am Ende eines Prozesses alles gemeinsam bewertet.

    Wiese: Frau Höhn, worauf ist eigentlich Ihrer Meinung nach Steinbrücks Kehrtwendung zurückzuführen? Es heißt ja immer, es sei massiver Druck aus Berlin ausgeübt worden.

    Höhn: Immer mehr Experten haben ja gesagt, dass spätestens bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung im Herbst deutlich werden würde, dass das Projekt Metrorapid nicht realisierbar wäre. Insofern ist das glaube ich eine Entscheidung gewesen, sich jetzt aktiv für einen Ausstieg zu positionieren, was gerade rechtzeitig war, um selber das Heft des Handelns noch zu bestimmen. Deshalb glaube ich war es auch sehr richtig, was Herr Steinbrück da gemacht hat.

    Wiese: Also Druck aus Berlin sehen Sie dort nicht so entscheidend?

    Höhn: Ich war nicht bei den Gesprächen dabei, die in Berlin geführt worden sind, aber was ich gesehen habe ist, wie der Metrorapid sich entwickelt. Das war wahrscheinlich dann schon Druck genug. Da musste wahrscheinlich gar kein Druck aus Berlin mehr kommen.

    Wiese: Die Verhandlungsposition der Grünen ist doch jetzt aber deutlich verstärkt, oder sehen Sie das nicht so? Konnte man das auch gestern schon in der Sitzung irgendwie feststellen?

    Höhn: Ich glaube der entscheidende Punkt ist nicht, wer hat irgendeine Verhandlungsposition verstärkt oder nicht, sondern wie können wir uns positionieren, dass wir gut aufgestellt als rot-grüne Koalition jetzt sehr schnell wieder zu dem kommen, wofür uns die Leute gewählt haben, zum Regieren, und dann aber auch gute Ideen entwickeln in einer schwierigen Situation für Nordrhein-Westfalen. Das muss das Ziel sein und da glaube ich kann man das gar nicht so in Verhandlungspositionen verstärkt oder nicht sehen.

    Wiese: Dann lassen Sie uns doch einige Knackpunkte aus dem Positionspapier von Peer Steinbrück herausnehmen. Welche Projekte werden Sie ihm denn jetzt versalzen, etwa die weitere, wenn auch geringere Subvention der Steinkohle, die für ihn ja nicht verhandelbar ist?

    Höhn: Bei der Steinkohle ist in der Tat noch ein offener Punkt - das haben Sie eben auch richtig dargestellt - und zwar auch deshalb, weil wir einfach sagen, wir haben eine so schwierige Haushaltssituation, dass keine Position, insbesondere auch nicht die großen Positionen Tabu sein können. Unter diesem Gesichtspunkt müssen wir uns auch die Steinkohlesubvention noch mal angucken, insbesondere unter der Haushaltssituation.

    Wiese: Steinbrück will ja, wenn ich das richtig sehe, von 26 Millionen Jahrestonnen auf 18 Millionen Jahrestonnen runterkommen. Sie, die Grünen aber wollen die Steinkohlesubvention völlig abbauen. Wie ist denn da irgendeine Einigung noch möglich?

    Höhn: Natürlich ist das eine pur grüne Position zu sagen, bis 2010 wird die Steinkohlesubvention vollständig auf null abgebaut. Das ist eine pure grüne Position; das gebe ich zu. Insofern wird das auch nicht die sein, die wir am Ende durchsetzen können. Es ist aber schon so, dass wir sehr deutlich machen, dass auch diese 18 Millionen Tonnen, die jetzt von den Sozialdemokraten vorgeschlagen worden sind, eine enorme Belastung des Haushaltes bedeuten. Das ist die entscheidende Frage, ob wir uns in der jetzigen Zeit das leisten können, denn es geht zum einen um die Arbeitsplätze in der Steinkohle. Die sind uns wichtig und es ist ganz wichtig, diesen sozialen Faktor zu berücksichtigen. Es geht aber auch um andere Arbeitsplätze in anderen Projekten, in Projekten, die viel Gutes tun für dieses Land. Wenn wir die nicht mehr unterstützen können, dann werden dort auch Menschen entlassen werden. Sie werden ihren Job verlieren. Deshalb muss man das im Ganzen betrachten.

    Wiese: Aber grundsätzlich sind Sie auch in der Steinkohlesubvention schon verhandlungsbereit und kompromissbereit?

    Höhn: Natürlich sind wir verhandlungs- und kompromissbereit. Das ist überhaupt gar keine Frage. Wir wollen Rot-Grün. Wir wollen das auch zu einem guten Erfolg mit unserem sozialdemokratischen Partner führen. Deshalb sind wir natürlich verhandlungsbereit.

    Wiese: Frau Höhn, ein zweiter Streitpunkt ist die Verwaltungsreform. Da sind auch besonders Sie mit Ihrem Ministerium betroffen. Wie weit geht denn da Ihre Verhandlungsbereitschaft? Sind Sie auch bereit, Kompetenzen abzugeben, wie Steinbrück das ganz augenscheinlich will?

    Höhn: Ich glaube man muss dort zwei Sachen unterscheiden. Der erste Punkt ist: Reden wir über Kompetenzen abgeben, wie Sie das eben zurecht dargestellt haben, oder Ressortveränderungen. Die haben in diesem Gespräch nichts zu suchen, denn die werden in Koalitionsverhandlungen geführt. Dort legt man solche Ressortzuständigkeiten fest und da wird dann auch ausgehandelt, wie das Gesamtpaket ist. Das haben wir vor drei Jahren in den Koalitionsverhandlungen gemacht. Ein anderer Punkt ist wirklich eine Verwaltungsmodernisierung, und die ist absolut notwendig. Da bin ich sogar eine gewesen, die in unserem grünen Papier hierzu zuerst Vorschläge gemacht hat. Für eine Verwaltungsmodernisierung müssen wir eintreten. Wir müssen dieses Land auch von der Verwaltung her reformieren. Insofern muss man genau diese beiden Punkte unterscheiden.

    Wiese: Wenn aber diese Modernisierung in den Augen und nach Meinung Steinbrücks auch bedeutet, Ihnen Kompetenzen aus Ihrem Umweltministerium wegzunehmen, dann denke ich haben Sie Probleme damit oder?

    Höhn: Gucken Sie mal, ich glaube der Punkt ist: Wie macht man so etwas. Wenn der Eindruck vermittelt wird - und gerade in diesem Zusammenhang wird ja auch im Umweltministerium blockiert -, es geht eigentlich nur um Kompetenzen wegnehmen. Im übrigen ist nicht ein einziges Beispiel genannt worden, wo am Ende wirklich zum Beispiel die staatlichen Umweltämter blockiert hätten. Es ist ja kein einziges Beispiel vorgelegt worden für diese These. Wenn man sich das anguckt, es geht sozusagen um Kompetenzabnahme von Höhn, dann glaube ich kommen wir nicht zusammen. Jetzt sage ich es aber man anders herum: Wenn wir unter bestimmten inhaltlichen Zielsetzungen unsere Verwaltung modernisieren wollen, das heißt Schnittstellen im Ablauf optimieren, das heißt sich kundennah positionieren, das heißt zu sagen was machen wir eigentlich für die Wirtschaft, für die Kommunen, für die Schule, was wollen wir verbessern, wenn wir eben solche inhaltlichen Ziele formulieren und dann sagen, alle Behörden kommen auf den Prüfstand, nicht nur die Umweltbehörden, die Schulbehörden, die Polizei, die Planung, alle Behörden, und dann versuchen, zu einem Neuaufbau zu kommen, dann sind die Grünen die letzten und ich auch als Person die letzte, die das nicht wollen. Im Gegenteil: Das ist ein Prozess, der notwendig ist. Er ist aber inhaltlich strukturiert. Das heißt wir wollen unsere Verwaltung verbessern und wir wollen nicht unter dem Mäntelchen Verwaltungsmodernisierung einer Person Kompetenzen streitig machen und damit zum jetzigen Zeitpunkt Koalitionsverhandlungen führen. Das muss man glaube ich unterscheiden. Eine Verwaltungsmodernisierung, die vielleicht am Ende zu anderen Zuschnitten auch in meinem Bereich führt, aber unter inhaltlichen Vorgaben, das ist richtig und das ist notwendig. Sozusagen aber von vornherein zu sagen, wir haben schon das Ziel der Verwaltungsmodernisierung, nämlich die Umweltbehörden irgendwo anders reinzustecken, das ist eine Sache, die nicht geht. Im übrigen muss ich auch sagen würde sie nicht sinnvoll sein, weil man damit die Arbeit verschlechtert.

    Wiese: Frau Höhn, Sie haben jetzt in unserem Gespräch doch einige versöhnliche Signale in Richtung Steinbrück ausgesandt. Er hat das auch getan. Wird es also weitergehen mit Rot-Grün in Düsseldorf? Wann ist die Krise offiziell beendet?

    Höhn: Das Gespräch gestern Nacht war wirklich ausgesprochen erfolgreich. Das muss ich sagen. Wir haben mehr zusammengebracht als ich vorher gedacht hatte. Wenn das heute so weiter geht, dann glaube ich können wir uns relativ schnell einigen. Das muss man jetzt gucken.

    Wiese: Dann danke ich für das Gespräch. - Das war die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn von den Grünen. Auf Wiederhören Frau Höhn!

    Link: Interview als RealAudio