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Nach Frauenmorden
Österreich debattiert Ursachen von Gewalt gegen Frauen

Seit Jahresbeginn wurden in Österreich bereits fünf Frauen ermordet. Die blau-schwarze Regierung veranlasst nun ein umfangreiches Maßnahmenpaket, nachdem erst letztes Jahr Kürzungen bei den Frauen- und Familienberatungsstellen vorgenommen worden waren. Doch die Diskussion geht weiter - auch um die Herkunft der Täter.

Von Clemens Verenkotte |
    Im niederösterreichischen Tulln wurde eine 32 Jahre alte Frau am 21. Jänner 2019 auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes ermordet. Im Bild: Polizeibeamte am Tatort.
    Besonders unter Frauen lösen die zahlreichen Frauenmorde - wie am Parkplatz eines Lebensmittelmarktes in Tulln - Verunsicherung aus (dpa / picture alliance / Herbert Pfarrhofer)
    "Wir merken einen enormen Anstieg von Frauen, die jetzt sehr verunsichert sind, aufgrund der Morde an Frauen. Also es löst ja auch etwas aus."
    Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins "Autonome österreichische Frauenhäuser" und Chefin der Frauenhelpline gegen Gewalt:
    "Wir hatten gleich zu Jahresbeginn bereits fünf Morde an Frauen, und das macht uns natürlich extreme Sorgen und wir hoffen, dass es abbricht und dass wir nicht so viel Morde haben wie letztes Jahr. Letztes Jahr allein hatten wir schon 41 Morde und die Morde in Österreich steigen. Seit 2014 haben wir eine Verdoppelung der Morde an Frauen. Also 2014 hatten wir 19 Morde an Frauen und mittlerweile eben schon 41."
    Morde sollen genau analysiert werden
    Eine Serie von Morden an Frauen innerhalb von zwei Wochen erschüttert Österreich: Am 8. Januar ersticht ein Österreicher türkischer Herkunft in Amstetten seine Ehefrau vor den Augen der drei gemeinsamen Kindern. Am 9. Januar ermordet ein Österreicher in Krumbach seine ehemalige Freundin mit einem Messer. Am 13. Januar wird die Leiche einer 16-Jährigen in einem Park in Wiener Neustadt erdrosselt aufgefunden, der 19-jährige syrische Ex-Freund wird als dringend Tatverdächtiger festgenommen. In der Nacht zum 15. Januar ersticht ein junger Spanier somalischer Herkunft seine ältere Schwester im Wiener Hauptbahnhof. Am 21. Januar ersticht ein 36-jähriger Mazedonier seine Ehefrau auf dem Parkplatz eines Supermarkts in Tulln.
    Bereits in der vergangenen Woche stellten die Außen-, Familienministerin und Innenstaatssekretärin gemeinsam ein zusätzliches Maßnahmenpaket vor, darunter mehr Geld für Übergangswohnungen für Frauen, die heimischer Gewalt ausgesetzt sind sowie die Einrichtung einer dreistellige Notrufnummer. Zudem gebe es eine sogenannte "Screening-Gruppe" , vom Innenministerium eingesetzt , die die jüngsten Frauenmorde genauer analysieren soll.
    Patriarchalisches Denken durch Migranten "importiert"?
    Im vergangenen Jahr, so die Kritik der Opposition, habe die Regierung Kürzungen bei den Finanzmitteln für Frauen- und Familienberatungsstellen vorgenommen, die sie nun wieder - nach den jüngsten Frauenmorden - zurücknehme. Innenstaatssekretärin Karoline Edtstadler wies auf die Arbeit der "Screening-Gruppe" hin, und betonte in der ORF-Talkshow "Im Zentrum":
    "Da kommt ein wesentlicher Aspekt dazu. Wenn Sie die Grafik an die Wand werfen, sehen Österreicher, Nicht-Österreicher. Sie sehen aber nicht, ob der Österreicher Migrationshintergrund hat oder nicht."
    Mit der Flüchtlingskrise seien Migranten nach Österreich gekommen, die ein patriarchalisches Rollenverständnis hätten. Die Frau würde als Besitz gesehen. Das sei, so erklärte Familienministerin Juliane Bogner-Strauss, ein Denken, das in Österreich in dieser Art nicht stattfinde, sondern "importiert" worden sei. Gewalt an Frauen sei ein globales und nicht ein importiertes Thema, gibt Maria Rösslhumer von der Frauenhelpline zu bedenken. Allerdings:
    "Natürlich ist es auch durch diese Flüchtlingswelle oder durch die Zuwanderung - (das) hat sich natürlich auch verstärkt. Wir haben natürlich auch viel mehr Männer aus Kriegsgebieten, aus Ländern, wo Krieg und Terror passiert. Wenn die nach Österreich kommen, dann bringen sie natürlich auch ihr Männlichkeitsbild oder Frauenbild, und das ist natürlich auch vielfach ein patriarchales Denken oder Denkmuster, das sie mitbringen."
    Gewalt geht auch von Frauen aus
    Laura Wiesböck, Soziologin an der Universität Wien, spricht bei sogenannten "Beziehungstaten" davon, dass Männer gegenüber Frauen Gewalt anwendeten, sofern diese dem vermeintlichen "Anspruch" des Mannes nicht gerecht würden. Und weiter:
    "Die Idee, dass männliche Gewalt gegen Frauen eine Bedrohung von draußen darstellt, ist eine völlig artifizielle, die nicht auf den empirischen Grundlagen basiert. Also wir haben auch zahlreiche Statistiken zur Verfügung über schutzsuchende Frauen von Gewalt von Männern. In Österreich waren es 2017 rund 18.000 Fälle. Also, dass man davon spricht, dass patriarchale Haltungen importiert sind, basiert auf keiner empirische Grundlage."