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Nach Stürmung des Kapitols
Demokraten wollen Resolution für Amtsenthebung einreichen

Tausende überrannten das Kapitol, Abgeordnete fürchteten um ihr Leben, fünf Menschen starben: Viele machen Noch-US-Präsident Donald Trump für die gewaltsamen Ausschreitungen in Washington verantwortlich. Die Demokraten wollen deshalb ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen ihn in Gang setzen.

Von Doris Simon | 11.01.2021
    Tränengasschwaden verdunkeln das von Protestlern umlagerte Kapitol in Washington.
    Bilder vom Tag der Erstürmung des Kapitols (06.01.2021) (imago images/ZUMA Wire/Probal Rashid)
    Polizisten der Metropolitan und der Capitol Police standen gestern (10.01.2021) in langer Reihe Spalier, für Brian Sicknick: Der Polizist der Kapitolspolizei war beim Sturm des gewalttätigen Mobs auf das Gebäude des US-Kongresses am Mittwoch * ums Leben gekommen. Erst nach vier Tagen setzte gestern das Weiße Haus die Flagge auf Halbmast. Kein Wort zum Umsturzversuch in der Presseerklärung.

    Zweiter Antrag auf Impeachmentverfahren geplant

    In dieser Woche wollen demokratische Abgeordnete einen Antrag für ein Impeachmentverfahren ins Repräsentantenhaus einbringen, der Vorwurf: der Präsident habe zum Aufruhr angestiftet. Trump sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung, heißt es weiter in der Vorlage. Fünf Menschen kamen bei den Unruhen ums Leben. Seth Molton gehört zu den 200 demokratischen Abgeordneten, die den Antrag unterstützen. Ihm gehe es um die Zukunft des Landes, um die Aufrechterhaltung der Verfassung für seine Tochter, für seine Enkelkinder, sagte Molton. Jetzt müsse das Richtige getan werden, denn was jetzt passiere, werde auf viele Generationen hin von Bedeutung sein.
    Trump-Unterstützer trägt Fahne mit Trump als Waffenträger
    Trump-Unterstützer trägt Fahne mit Trump als Waffenträger (ZUMA Wire)
    Nach dem Sturm auf das US-Kapitol - "Trump als Spieler war Mussolini in diesem Augenblick sehr ähnlich"Der Historiker Achatz von Müller sieht in der "bandenmäßigen Besetzung des Kapitols" eine Parallele zu Mussolinis Marsch auf Rom. Zwar gebe es keine ähnlich gravierenden politischen Folgen, doch die symbolische Entweihung der Staatswürde werde in der amerikanischen Kultur einen enormen Nachhall haben.
    Es wäre zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten ein zweites Impeachment-Verfahren gegen einen Präsidenten, vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs hatte war Trump im Februar durch den republikanisch dominierten Senat entlastet worden.

    Schwere Vorwürfe gegen Donald Trump

    Doch vorher will Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Abgeordnetenhauses, Vizepräsident Mike Pence unter Druck setzen, mit Hilfe des 25. Zusatzes zur Verfassung Präsident Trump für amtsunfähig erklären zu lassen und so aus dem Amt zu entfernen. Der Präsident sei gefährlich, sagte Pelosi gestern im Sender CBS.
    Es seien zwar nur wenige Tage, bis Amerika vor Trump geschützt sei, aber was er getan habe, sei so schwerwiegend, dass er dafür strafrechtlich verfolgt werden müsste. Alle Optionen lägen auf dem Tisch.
    In einem Brief an ihre Kolleginnen und Kollegen kündigte Pelosi an, dass sie heute eine Resolution ins Repräsentantenhaus einbringen wird, die den Vizepräsidenten und das Kabinett auffordert, das Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Da heute keine reguläre Sitzung angesetzt ist, reicht eine Gegenstimme für die Ablehnung. Dann würde die Resolution am Dienstag erneut vorgelegt, wenn das Repräsentantenhaus zusammenkommt. Bei Zustimmung hätte der Vizepräsident 24 Stunden Zeit, um mit der Mehrheit der Kabinettsmitglieder Trumps Amtsenthebung gegenüber dem Kongress zu erklären. Bislang war Pence dazu nicht bereit, gestern hieß es, er halte sich die Möglichkeit offen. Leitet der Vizepräsident kein Amtsenthebungsverfahren nach Artikel 25 ein, dann bleibt den Demokraten nur das Impeachment, wenn sie ein deutliches Zeichen setzen wollen. Am Mittwoch könnte das Repräsentantenhaus mit demokratischer Mehrheit dieses Impeachment beschließen. Die Vorlage würde aber wohl erst später weitergeleitet an den Senat. Der demokratische Abgeordnete und Biden-Vertraute Jim Clyburn:
    "Geben wir dem nächsten Präsidenten doch 100 Tage, damit er seine Vorhaben auf den Weg bringen kann, und anschließend leiten wir die Impeachment-Artikel weiter."
    Die Verzögerung würde dem neuen Präsidenten erlauben, die von ihm geplanten Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie und die wichtigsten Nominierungen für sein Kabinett direkt nach seiner Vereidigung auf den Weg und durch den Senat zu bringen. Biden würde damit vermeiden, dass er gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft von den Republikanern im Senat mit einer kontroversen, sich hinziehenden Diskussion um das Impeachment ausgebremst würde.
    Schäden nach dem Angriff von Demonstranten auf das US-Kapitol
    Schäden nach dem Angriff von Demonstranten auf das US-Kapitol (picture alliance/dpa/Sputnik/Stringer)
    Nach dem Sturm auf das US-Kapitol - Trump ist mehr als ein SymptomEs sei unvollständig, Trump nur als ein Symptom einer zerissenen US-Gesellschaft zu bezeichnen, kommentiert Marcus Pindur. Denn die Bösartigkeit und die Verlogenheit des abgewählten Präsidenten sei unabdingbar dafür, den Mob zu ermutigen und die Demokratie zu beschädigen.
    Zustimmung zum Impeachment hat bislang nur ein republikanischer Abgeordneter signalisiert, der republikanische Senator Ben Sasse will den Entwurf ernsthaft prüfen. Die Senatorin Lisa Murkowski sowie Pat Toomey forderten den Rücktritt des Präsidenten: Das sei der beste Weg um Trump loszuwerden, und der schnellste, auch wenn er nicht glaube, dass es passieren werde, sagte Toomey.

    Suche nach mutmaßlichen Tätern geht weiter

    Die Strafverfolgungsbehörden suchen mit großem Aufwand nach dem Sturm aufs Kapitol nach mutmaßlichen Tätern, über Telefonverbindungsdaten und Datenbanken, in Videomaterial und sozialen Netzwerken und mit Unterstützung aus der Bevölkerung. Der zuständige Bundesanwalt erklärte im Sender NPR, er erwarte hunderte von Verfahren, mit Anklagen von der Beschädigung öffentlicher Güter bis hin zu Mord.
    Absprachen von Trump-Anhängern in sozialen Netzwerken lassen erwarten, dass es in den Tagen bis zum 20. Januar zu weiteren Gewaltaktionen kommen könnte. Die Sicherheit bei der Amtseinführung von Joe Biden organisiert wie alle vier Jahre der Secret Service. Das Pentagon hat nach den Erfahrungen von Mittwoch zugesagt, 6200 Nationalgardisten abzustellen.
    * Anmerkung der Redaktion: Nach heutigem Wissensstand starb Brian Sicknick entgegen der ursprünglichen Darstellung im Text eines natürlichen Todes.