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Nach Trumps G7-Eklat
"Das weitere Drehen an der Spirale wird auch den USA schaden"

Nach dem Eklat beim G7-Treffen in Kanada durch US-Präsident Donald Trump ist "eine Einigung zumindest kurzfristig nicht in Sicht", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Dlf. Klar sei auch, dass die Europäer nur zu fairen und rechtmäßigen Vereinbarungen bereit seien.

Peter Altmaier im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 11.06.2018
    Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
    Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) (imago / Thomas Trutschel)
    Für die Europäer sei wichtig, dass sie sich nicht spalten lassen dürften, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Sie müssten geschlossen agieren und dürften nicht den Eindruck erwecken, "dass wir Bittsteller sind". Er setze darauf, dass es auch in den USA eine Diskussion über diese Entwicklung geben werde, denn nicht alle seien damit zufrieden, sagte Altmaier. Denn "das weitere Drehen an der Spirale wird auch den USA schaden". Wenn die Zölle stiegen, dann würden sich auch die Produktionskosten in den USA erhöhen.

    Das Interview in voller Länge:
    Jörg Münchenberg: Debakel, Eklat, Spaltpilz Trump – nach der Weigerung des US-Präsidenten, die Abschlusserklärung des G7-Treffens mitzutragen, sind Frust und Wut über den Präsidenten groß, zumindest aufseiten der anderen Partner. Selbst die Bundeskanzlerin zeigte sich gestern im ARD-Interview deprimiert über die turbulenten Tage in der internationalen Politik.
    Vor gut einer viertel Stunde habe ich dazu auch mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier gesprochen. Eigentlich waren wir zur CEBIT verabredet, die heute Abend beginnt, aber natürlich habe ich ihn zuerst gefragt, welche Konsequenzen der Eklat beim G7-Treffen für die Handelspolitik haben wird.
    Peter Altmaier: Endgültig ist in der internationalen Politik wenig. Wichtig ist, dass die Europäer weiter geschlossen agieren, dass wir deutlich machen, dass wir nur zu fairen und zu rechtmäßigen Vereinbarungen bereit sind. Wichtig ist zweitens, dass wir den internationalen Handel, die offenen Märkte verteidigen. Und wichtig ist drittens selbstverständlich, dass wir auch nicht gegen unsere eigenen Überzeugungen handeln, sondern das vertreten, was wir für richtig halten in der Sache. Ich glaube, dann ist eine Win-win-Situation immer noch möglich. Im Augenblick sieht es aber so aus, dass eine Einigung jedenfalls kurzfristig noch nicht in Sicht ist.
    "Manchmal findet man über Fakten auch eine Annäherung"
    Münchenberg: Herr Altmaier, die Bundeskanzlerin hat angekündigt, es soll jetzt einen Mechanismus zur Konfliktlösung entwickelt werden. Sprich: Da soll vor der Verhängung von Sanktionen geprüft werden, welche Länder benachteiligt seien. Wie soll ein solcher Mechanismus wirken, wenn der US-Präsident – und den Eindruck hat man ja gewonnen nach diesem Eklat auf dem G7-Treffen – gar nicht auf einen Ausgleich bedacht ist?
    Altmaier: Ich glaube, dass auch der US-Präsident ein Interesse daran hat, dass sein Land Teil der freien westlichen Welt bleibt, dass die Beziehungen zu den anderen Mitgliedsstaaten der G7 und auch der G20 sich in einem sachlichen Rahmen bewegen. Deshalb muss man jetzt zunächst einmal, glaube ich, abwarten, bis das Gipfeltreffen in Singapur vorüber ist. Das fordert jetzt jedenfalls auf amerikanischer Seite viele Kräfte. Dann müssen wir uns über Fakten unterhalten, und manchmal findet man über Fakten auch eine Annäherung. Wichtig ist jedenfalls, dass wir als Europäer jeden Versuch zurückweisen, uns zu spalten oder gegenseitig in Stellung zu bringen.
    "Wir sind bereit, über Ungleichgewichte im Handel zu reden"
    Münchenberg: Noch mal: Haben Sie den Eindruck nach den Ereignissen jetzt auf dem G7-Treffen in Kanada, dass Donald Trump überhaupt an Fakten interessiert ist? Er hat ja auch gesagt, die USA seien weiter das Sparschwein, das von allen geplündert werde. Da hat er sich doch eigentlich schon längst festgelegt.
    Altmaier: Nun, das ist eine Sichtweise, die der Präsident schon länger persönlich vertritt. Ich glaube, dass wir alle im Augenblick seit dem Eklat des Gipfels nicht viel mehr wissen als das, was über Twitter und öffentliche Stellungnahmen verbreitet worden ist. Das sieht im Augenblick noch nicht danach aus, dass sich die Lage in vernünftige Bahnen entwickelt. Und deshalb noch einmal: Wir stehen zu dem, was in der Gipfelerklärung verankert ist. Die war ja bereits mit Zustimmung der Amerikaner verabschiedet. Wir sind bereit, über Ungleichgewichte im Handel zu reden. Wir sind bereit, sachliche Argumente zu prüfen. Aber wir glauben, das muss unter Freunden und Partnern geschehen und nicht in der gegenseitigen Konfrontation.
    Münchenberg: Nun hat ja Trump in seinem Tweet zur Absage an die G7-Erklärung auch gedroht, muss man schon sagen, man werde sich erneut die Zölle auf Autos anschauen, die in die USA kommen. Rechnet die Bundesregierung nicht längst schon mit weiteren Strafzöllen?
    Altmaier: Zunächst einmal hat er die Autos in diesem Tweet, soweit ich weiß, nicht erwähnt. Aber richtig ist, dass der Präsident darüber häufiger in der Vergangenheit gesprochen hat, und auch deshalb ist es so wichtig, dass die Europäer jetzt geschlossen sind, dass wir uns nicht ins Bockshorn jagen lassen, dass wir nicht den Eindruck erwecken, dass wir Bittsteller sind. Das haben wir deutlich gemacht. Das war die Geschlossenheit der G7. Und möglicherweise hat auch das vielleicht den einen oder anderen in den USA überrascht. Ich setze darauf, dass es auch im Land selbst dort eine Diskussion geben wird. Nicht alle im Kongress, im Senat, im Repräsentantenhaus sind der Auffassung, dass der jetzt von der Regierung eingeschlagene Weg der richtige ist. Wir werden auch unsere bilateralen Kontakte selbstverständlich fortsetzen, aber immer auf der Basis dessen, was wir für richtig halten.
    "Es geht um die Handelsbeziehungen insgesamt"
    Münchenberg: Aber noch mal: Rechnet die Bundesregierung eigentlich nicht längst schon mit weiteren Zöllen auf deutsche Autos?
    Altmaier: Lieber Herr Münchenberg, wir sollten jedenfalls Entwicklungen, die wir für den Welthandel als schädlich halten, nicht noch herbeireden, indem wir Prognosen abgeben, womit wir rechnen. Fakt ist: Diese Zölle sind bislang nicht verhängt. Fakt ist auch, dass ein Prüfverfahren eingeleitet worden ist, das Wochen dauern wird. Deshalb noch einmal: Wir würden ja das Geschäft der Gegner des freien Welthandels machen, wenn wir jetzt über höhere Zölle für irgendwelche Waren spekulieren würden.
    Münchenberg: Trotzdem kommen ja Gegenzölle. Die EU-Kommission hat sie auf den Weg gebracht. Die sollen jetzt zum 1. Juli verhängt werden als Reaktion auf die Sanktionen bei Aluminium und Stahl. Auch die Kanadier wollen jetzt Gegenzölle einleiten. Wie nah sind wir jetzt an einem globalen Handelskrieg?
    Altmaier: Wir haben in den letzten Tagen keine Fortschritte, sondern, wie wir mit der Absage der Gipfelerklärung gesehen haben, Rückschritte gemacht. Die Maßnahmen der Europäischen Union sind das, was die Welthandelsorganisation in solchen Fällen als Möglichkeit vorsieht der Antwort auf eine getroffene Maßnahme. Und wir haben das auch deshalb in so großer Einstimmigkeit gemacht, weil wir glauben, dass der amerikanische Präsident und die Regierung wissen müssen, dass bei jeder einseitigen Maßnahme, die sie ergreifen, die Europäer auch ihre Interessen verteidigen. Das ist vielleicht dann auch eine heilsame Maßnahme, um deutlich zu machen, das weitere Drehen an der Spirale wird auch den Interessen der USA schaden. Es geht eben nicht nur um Stahl und Aluminium oder um Autos oder um andere Produkte. Es geht um die Handelsbeziehungen insgesamt. Die amerikanische Wirtschaft ist in vielen Bereichen auf den Import von europäischen Waren angewiesen. Wenn die Zölle steigen, dann steigen auch die Produktionskosten in den USA.
    "Bei der künstlichen Intelligenz geht es darum, die Führung zurückzuerkämpfen"
    Münchenberg: Herr Altmaier, an dieser Stelle machen wir jetzt einen ganz harten Schnitt, denn wir sind ja eigentlich verabredet zur Digitalmesse CEBIT. Sie wird heute Abend von Ihnen eröffnet. Auf der CEBIT geht es um Themen wie künstliche Intelligenz oder auch Digitalisierung der Wirtschaft. Wie gut ist die deutsche Wirtschaft hier aufgestellt, wenn es gerade um die Digitalisierung geht?
    Altmaier: Wir sind in der Forschungslandschaft sehr gut aufgestellt. Viele der Experten in Sachen künstlicher Intelligenz kommen aus Deutschland. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Wir haben in einzelnen Bereichen einen großen Vorsprung erreicht, dort wo es um Maschinen geht, die mit Maschinen kommunizieren. Wir sind in anderen Bereichen noch nicht so weit, wie wir sein möchten. Bei der künstlichen Intelligenz geht es darum, dass wir die Führung zurückerkämpfen, und es geht insgesamt im gesamten Bereich der Digitalisierung darum, dass wir unsere PS besser auf die Straße kriegen. Das heißt konkret: Wenn Dinge in Europa, in Deutschland erforscht werden, dann haben wir ein Interesse daran, dass sie auch von europäischen Firmen umgesetzt werden, denn dadurch wird ja die Wertschöpfung generiert. Dadurch entstehen Arbeitsplätze. Das war in der Vergangenheit nicht immer zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten. Wir bereiten ein Maßnahmenpaket vor, um das zu erleichtern. Insbesondere geht es auch darum, dass man Unternehmen, die in der zweiten und dritten Gründungsphase sind, dort, wo sie viel Kapital benötigen, dann besseren Zugang zu Kapitalmärkten eröffnet. Denn derzeit sind es vor allen Dingen die großen Fonds aus den USA, die dann solche Unternehmen kaufen und übernehmen. Das kann nicht in unserem europäischen Interesse sein. Deshalb brauchen wir, von der Europäischen Union angefangen über die Bundesregierung und hin zu den Länderregierungen, eine gemeinsame Kraftanstrengung von Staat und Wirtschaft, in den Zukunftsbereichen dort, wo wir nicht gut sind, aufzuholen.
    "Wir müssen das Bewusstsein schärfen"
    Münchenberg: Herr Altmaier, da muss ich eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting zitieren. Die sagt zum Beispiel, jedes dritte deutsche Unternehmen habe einen Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Haben die Unternehmen die Herausforderung vielleicht doch nicht erkannt?
    Altmaier: Ja, das ist unterschiedlich. Insbesondere dort, wo mittelständische Unternehmen in Bereichen arbeiten, wo man zunächst einmal gar nicht an Digitalisierung denkt, müssen wir das Bewusstsein schärfen. Deshalb haben wir sogenannte Kompetenzzentren eingerichtet, wo wir mit den Handwerkskammern, mit den Handelskammern dafür sorgen werden, dass Innovation zu den mittelständischen Unternehmen kommt. Wir haben eine Gründerplattform eingerichtet, die jungen Menschen, die sich selbstständig machen wollen, gerade auch im Bereich der Digitalisierung, Hilfestellung gibt. Wir haben ein Programm "Exist" eingerichtet, das diesen Menschen zur Verfügung steht. Und ja, es gibt Nachholbedarf in bestimmten Bereichen, und das werden wir entschlossen vorantreiben. Wir werden auch die Infrastruktur besser ausbauen. Wir werden dafür sorgen, dass wir die modernste Telekommunikationsinfrastruktur errichten. Das alles wird in den nächsten Jahren geschehen, Schritt für Schritt. Das ist auch dringend notwendig.
    "Wir wollen, dass Software-Ingenieure vor allen Dingen auch aus Deutschland kommen"
    Münchenberg: Eine Frage noch. Digitalisierung der Wirtschaft heißt aber auch in manchen Branchen weniger Jobs, zum Beispiel bei der Versicherungswirtschaft oder auch bei den Banken.
    Altmaier: Es werden durch die Digitalisierung in einigen Bereichen Jobs wegfallen und es werden in anderen Bereichen neue Jobs entstehen. Unser Interesse ist, dass die neuen Jobs nicht nur in den USA, in China oder in Indien entstehen, sondern auch in Europa und in Deutschland. Wenn wir das schaffen, dann brauchen wir keine Sorge zu haben. Wir haben in den letzten Jahren jedes Jahr zwischen vier und 600.000 neue Jobs geschaffen, allerdings vorwiegend in anderen Bereichen. Das wollen wir ändern. Wir wollen, dass Mechatroniker, dass Software-Ingenieure vor allen Dingen auch aus Deutschland kommen, dass sie hier ausgebildet werden, hier Arbeit finden. Das ist eine Herausforderung und deshalb ist die CEBIT so wichtig, auch als Leuchtturm-Projekt für die Kompetenzen, die Deutschland in dem Bereich schon hat.
    Münchenberg: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in den "Informationen am Morgen" hier im Deutschlandfunk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.