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Nach Vattenfall-Rückzug
Konzepte für die Lausitz gesucht

Der größte Arbeitgeber der gesamten Lausitz will sich von dort zurückziehen. Von den ehemals 17 Braunkohletagebauen sind nur noch vier aktiv. Doch was kommt, wenn Vattenfall weg ist? Eine Region sucht neue Konzepte.

Von Vanja Budde | 10.01.2016
    Das größe Braunkohlekraftwerk Deutschlands in Jänschwalde in der Lausitz
    Das größe Braunkohlekraftwerk Deutschlands in Jänschwalde in der Lausitz (picture alliance / dpa / Andreas Franke)
    Das Ende wirft seine Schatten voraus: Einen Tag vor Weihnachten hat der letzte Kohlezug den Vattenfall-Tagebau Cottbus Nord verlassen. Nach rund drei Jahrzehnten der Braunkohlegewinnung ist die die genehmigte Menge abgebaggert – die Grube ist ausgekohlt, wie das im Fachjargon heißt. Die gewaltige Förderbrücke F 60 wird demnächst gesprengt und in ihre Einzelteile zerlegt. Danach wird das 40 Meter tiefe Baggerloch geflutet, damit der Cottbusser Ostsee entsteht: Mit fast 2.000 Hektar soll der dann der größte des neuen "Seenlandes" in der Lausitz sein: Aus gefluteten Tagebauen zwischen Sachsen und Brandenburg soll eine neue Tourismusregion entstehen.
    Ein wahrhaft symbolischer 23. Dezember 2015 war das, von den ehemals 17 Tagebauen der Lausitz sind damit nur noch vier aktiv. Und bald will sich der schwedische Staatskonzern komplett aus der Kohleförderung in Deutschland zurückziehen, alle Tagebaue und Kraftwerke verkaufen. Auf Druck der schwedischen Grünen, die um das Weltklima bangen und auch wegen der Energiewende hierzulande, die auf Erneuerbare setzt. Mit Vattenfall verlässt der größte Arbeitgeber weit und breit die Lausitz. Im abgelegenen Süden Brandenburgs haben die Menschen seit mehr als 100 Jahren in der Braunkohle ihr Auskommen gefunden. Geht hier eine Ära zu Ende?
    In der Stadthalle von Cottbus singt der Bergmannschor das "Steigerlied" und viele Gäste singen mit: Es ist wohl die letzte Feier zu Ehren der Bergbau-Schutzheiligen Barbara, zu der Vattenfall geladen hat. Rund 1.000 leitende Mitarbeiter, Lokalpolitiker und Amtsträger im dunklen Zwirn füllen die Stadthalle. Hartmuth Zeiß, Vorstandsvorsitzender der Vattenfall Europe Mining AG, erinnert an den Schock von Anfang 2015, als Bundesenergieminister Sigmar Gabriel wegen der hohen CO2-Emissionen eine Klimaabgabe auf alte Braunkohlekraftwerke erheben wollte.
    "Uns in der Lausitz hätte sie umgehend die Hälfte unserer Kapazitäten gekostet. Und mit den Kraftwerksstilllegungen hätten Tausende Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze verloren. Zum Glück waren wir in dieser Situation nicht allein"
    Vattenfall habe in den vergangenen Jahren die CO2-Emissionen seiner Kraftwerke nahezu halbiert, wettert Zeiß, und doch sehe sich die Braunkohle immer neuen Anfeindungen ausgesetzt. Den Kohle-Kompromiss vom Herbst, der Gabriel viel Kritik eingetragen hat, weil nun der Steuerzahler die Industrie für die schrittweise Stilllegung von neun Meilern entschädigen muss, den nennt der Vattenfall-Chef "schmerzhaft", weil er eine Zäsur darstelle:
    "Erstmals werden in Deutschland funktionstüchtige Braunkohlekraftwerke politik- und nicht etwa markt- oder technologiegetrieben außer Betrieb gehen."
    Blick in den Braunkohletagebau Welzow-Süd am 24. Juni 2015 in Welzow, Brandenburg
    Der Braunkohletagebau Welzow-Süd bei Cottbus (DPA)
    Vattenfall sucht derzeit per Ausschreibung nach einem Investor für seine Braunkohlesparte. Die Umweltorganisation Greenpeace wollte mitbieten, um die Tagebaue dann stillzulegen. Aber die mit der Organisation des Verkaufs beauftragte Bank hat Greenpeace aus dem Bieterverfahren ausgeschlossen. Zudem sollen drei Unternehmen aus Tschechien ernsthaftes Interesse bekundet haben, viel mehr ist nicht bekannt.
    "Sehen Sie es mir bitte nach, dass ich Ihnen zum Stand des Verkaufes nichts Neues berichten kann. Klarheit über die Eigentümerstruktur ist nicht vor Mitte 2016 zu erwarten."
    Für die Menschen in der Lausitz geht also die seit 2014 andauernde Hängepartie weiter: Werden noch Dörfer für neue Tagebaue abgebaggert, wenn ja, welche? Wie viele Jobs bleiben erhalten? Was, wenn niemand kaufen will? Und vom Betreiber mal abgesehen: Wie lange wird hier überhaupt noch Braunkohle gefördert? Schon vor dem Klimagipfel von Paris Mitte Dezember preschte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks plötzlich vor und forderte, sich noch in der laufenden Legislaturperiode auf ein konkretes Ausstiegszenario zu einigen und in den nächsten 20 bis 25 Jahren komplett auf den fossilen Energieträger zu verzichten. Wo sollen die Leute hier dann arbeiten, womit ihr Geld verdienen? Drängende Fragen auch für Holger Kelch, den Oberbürgermeister von Cottbus.
    "Und das bedeutet im Klartext, dass zirka 7.000 Tarifbeschäftigte zur Disposition stehen. Und dieser Tarif, der hier in der Braunkohlenindustrie gezahlt wird, ist überdurchschnittlich, also vergleichbar mit der Automobilindustrie in Süddeutschland. Das Bergbauunternehmen ist auch ein großer Auftraggeber. Zirka eine Milliarde Euro werden im Jahr an Dienstleistungsaufträgen in die Region reingegeben, davon sind wieder 21.000 Arbeitsplätze abhängig von vielen Zulieferern, ob in Görlitz bis hier nach Cottbus hoch. Und insofern ist das schon eine, ja, Wirtschaftsmacht hier vor Ort und leider auch nur eine und nicht auf breiten Schultern halt verteilt."
    Diese Wirtschaftsmacht war vor der Wende noch viel größer: Bis 1990 war die Lausitz das stolze Zentrum der Energiegewinnung der DDR. 60 000 gut ausgebildete Männer und Frauen waren in der Braunkohlenindustrie beschäftigt. Das Kombinat "Schwarze Pumpe" bei Spremberg unweit von Cottbus galt als "Flamme des Sozialismus". Doch nach der Wiedervereinigung wurden die Tagebaue reihenweise dicht gemacht. Zehntausende verloren mit den Jobs auch ihre Identität als traditionsbewusste Bergleute, die der Erde das "schwarze Gold" abringen. Der Strukturwandel, der nun für die Lausitz angemahnt wird? Die Region steckt schon seit einem Vierteljahrhundert mittendrin.
    Meiler Jänschwalde: Jährlich Strom für sechs Millionen Haushalte
    "Sicherlich, viele schöne Seen sind jetzt entstanden, aber diese Arbeitsplätze, die sind an keiner Stelle wiedergekehrt und darunter hat die Lausitz bis heute zu leiden. Letzten Endes konnten sich Bayern und Baden-Württemberg über hochqualifizierte Arbeitskräfte freuen. Aber diese Menschen kommen natürlich nicht mehr zurück. Und insofern brauchen wir, wenn wir eine Zukunft hier haben wollen, neue Arbeitsplätze in neuen Industriezweigen."
    "Jetzt hat man hier einen Rundblick über das Kraftwerk: Auf der linken Seite sind die Anlagen der Wasseraufbereitung und hier ist der Blick auf die Rauchgasentschwefelungsanlage und die Kühltürme des Werkes eins, unter uns direkt das Maschinenhaus mit dem grauen Dach hier, links und rechts hier von diesem Treppenturm sind die beiden Dampferzeuger, die Kessel, angeordnet, die also aus der thermischen Energie der Kohle den Dampf erzeugen, der dann die Turbine antreibt."
    Jürgen Ackermann von der Kraftwerksleitung ist stolz auf den Meiler Jänschwalde vor den Toren von Cottbus: Jahr für Jahr produzieren 750 Mitarbeiter Strom für sechs Millionen Haushalte. Das böse Wort vom Klimakiller weist Ackermann zurück:
    "Wir haben 1992, übrigens mit Grundsteinlegung des damaligen Bundeskanzlers Herrn Kohl, hier diese Rauchgasentschwefelungsanlage nachgerüstet, die gab es zur DDR-Zeit nicht. In Richtung Stickoxidminimierung sind die Dampferzeuger umgebaut worden. Und wir haben die Elektrofilter ertüchtigt, um den Abscheidegrad der Asche zu erhöhen. Dort erreichen wir heute Werte, die also merklich unter den zulässigen Grenzwerten liegen. Wir haben das da sauber im Griff."
    Dennoch gehört Jänschwalde zu den Meilern, die laut Kohle-Kompromiss teilweise in Reserve geschickt werden: Zwei der sechs Blöcke werden ab 2018 stillgelegt.
    "Es ist damit zu rechnen, dass die Netzstabilität unter weiter steigendem Einfluss der alternierenden Einspeisungen aus sogenannten erneuerbaren Energien weiter leiden wird und es daraufhin sicher Sinn machen könnte, in Zukunft eine solche Sicherheitsbereitschaft zu haben.
    Ob das dann reicht? Ich glaube, da finden Sie heute noch niemanden, der dafür wirklich die Hand hinlegen wird."
    Trotzdem ist Ackermann optimistisch, dass Vattenfall einen Käufer findet und der Betrieb für die hoch qualifizierte Belegschaft weiter geht. Das hofft auch Jungfacharbeiter Marco Bedrich: Der 22-Jährige hat hier eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik gemacht und ist im vergangenen Sommer fertig geworden.
    "Wenn man hier eine Ausbildung nach der Schule machen will, auch eine gute Ausbildung, dann sind die Möglichkeiten recht beschränkt, da bleibt hier Vattenfall übrig, BASF wäre in Schwarzheide noch eine Möglichkeit, aber danach ist man dann auch schon am Ende der großen Ausbildungsbetriebe."
    Ein Job in der Braunkohle bedeute für die jungen Leute in der Lausitz vor allem die Perspektive, nicht nach Berlin, München oder sonst wohin ziehen zu müssen.
    "Stichwort Haus bauen und so weiter. Das geht ja nun nur, wenn man auch einen festen Arbeitsplatz hat. Jetzt ist es mittlerweile nicht mehr so krisensicher wie man vielleicht mal gemeint hat, sondern aus politischen Gründen natürlich auch so unter Beschuss, aber man ist halt immer noch auf einem Arbeitsplatz, der auch eine Perspektive über die nächsten Jahrzehnte bietet. Und da kann man sich sein Leben auch nach aufbauen, das ist ganz wichtig."
    Einen schnellen Ausstieg aus der Kohle wird es nicht geben, solange Wind- und Sonnenenergie nicht gespeichert werden können, da ist der gebürtige Cottbusser Marco Bedrich mit seinem Oberbürgermeister einer Meinung.
    "Momentan haben wir keine Industrie, die die derzeitigen, wie gesagt, hoch bezahlten Arbeitsplätze ersetzt. Wir werden also weiter noch, und das sicherlich über einige Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, mit der Braunkohle hier leben müssen und müssen uns dann Gedanken machen, wie wir parallel hochbezahlte Arbeitsplätze hier in der Lausitz ansiedeln können."
    In Cottbus zahlt kein anderes Unternehmen so viel in die Stadtkasse ein, wie der Braunkohle-Betreiber: Bei Vattenfall war es über lange Zeit ein Drittel der gesamten Gewerbesteuern. Schon jetzt ist die 100.000-Einwohner-Stadt pleite und mit knapp 260 Millionen Euro verschuldet.
    Was soll in Zukunft aus der Metropole der Lausitz werden?
    "Wir werden auf alle Fälle als grüne Stadt, jetzt bezogen für Cottbus, versuchen, auf Elektromobilität zu setzen. Meine Vorstellungen gehen schon hin, dass wir hier eine Art Reallabor schaffen, um dort ein gewisses Alleinstellungsmerkmal zu generieren. Wir werden in wenigen Jahren den größten künstlichen Binnensee direkt vor den Toren der Stadt haben, den sogenannten Cottbuser Ostsee. Auch dort sind wir dabei zu untersuchen, welche Potenziale in der Vermarktung dieses Sees stecken."

    Der Ostsee so fern: Das Lausitzer Seenland erstreckt sich zwischen Senftenberg und Hoyerswerda.
    Der Ostsee so fern: Das Lausitzer Seenland erstreckt sich zwischen Senftenberg und Hoyerswerda. (dpa / Andreas Franke)
    Der Tourismus wird aber nicht ausreichen, die Industriearbeitsplätze zu ersetzen. Neue Unternehmen müssen angesiedelt werden, dafür braucht es Wirtschaftsförderung, eine bessere Anbindung mit Autobahnen und Schienen an Berlin, Leipzig und Dresden, länderübergreifende Zukunftsvisionen gemeinsam mit der sächsischen Lausitz, eine langfristige Strategie auch der rot-roten Landesregierung. Doch aus dem fernen Potsdam komme da seit Jahren schon nicht viel, kritisiert der CDU-Politiker Kelch.
    "Also ich würde ja nicht nur sagen, es fehlt ein Drang allein für die Lausitz. Ich kann keine Strategie für das Land Brandenburg entdecken. Ich sage mal ein positives Beispiel: Franz-Josef Strauß in Bayern, der im Prinzip aus einem Agrarland ein hochmodernes Industrieland geschaffen hat. Solche Strategien, die würde ich mir auch von einer Landesregierung wünschen."
    Der Gestaltungswille der Brandenburger SPD habe sich aber bislang darauf beschränkt, die Kohleförderung noch so lange wie möglich am Leben zu erhalten, sagt der Fraktionschef der oppositionellen Grünen im Potsdamer Landtag, Axel Vogel.
    "Sie hat sich jetzt bei der Klimaabgabe quergelegt. Sie wird alles unternehmen, um neue Tagebaue zu erschließen, völlig unabhängig davon, ob das wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht. Die Interessen des Landes wären es gewesen, Vattenfall hier im Land zu halten, dafür zu sorgen, dass ein Unternehmen, das wirklich Abermilliarden Gewinne mit seiner Braunkohleverstromung gemacht hat, auch den sozial verträglichen Ausstieg aus der Braunkohle organisiert. Aber die Landesregierung ist so von der Vorstellung beseelt, die Braunkohle hier noch Jahrzehnte am Netz zu halten, dass sie überhaupt nicht auf diese Idee gekommen zu sein scheint."
    Heide Schinowsky hat ihren Wahlkreis in Cottbus, sie ist die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Bislang habe die Landesregierung den Eindruck erweckt, man müsse gar nicht über Alternativen zur Kohle nachdenken, kritisiert sie.
    "Und jeder, der was Anderes gesagt hat, wurde so an den Rand gestellt mit: 'Ach was. Was du hier redest'. Ich glaube, wichtig ist es, jetzt tatsächlich die Karten auf den Tisch zu legen. Tatsache ist, dass das Auslaufen der Kohle jetzt angefangen hat. Und wir wissen nicht genau, wie lange wir noch Zeit haben werden, den Übergang zu gestalten. Klar ist, dass es nicht sofort passieren wird, aber wir werden auch keine 30 Jahre mehr Zeit haben dafür."
    In den vergangenen Monaten sind die Dinge allerdings zumindest ein wenig in Bewegung gekommen: Der Unternehmerverband, die IHK Cottbus und die Handwerkskammer haben gemeinsam mit einer Wirtschaftsinitiative und der örtlichen Universität eine "Innovationsregion Lausitz"- GmbH gegründet. Sie soll Alternativen fürs Revier entwickeln und bündeln.
    "Wir haben eine riesengroße Energiekompetenz insgesamt"
    Und am vergangenen Dienstag fasste der Vorstand der Brandenburger SPD einstimmig einen Beschluss über eine Zukunftsstrategie für die Lausitz. Die Grünen begrüßen ihn als Umdenken, denn darin heißt es zwar, dass die Energiewirtschaft auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen werde, es müsse aber auch berücksichtigt werden, dass die Verstromung der Braunkohle "langfristig" ende. Ministerpräsident Dietmar Woidke ist auch Vorsitzender der Brandenburger SPD. Er stammt aus Forst in der Lausitz und will erreichen, dass das Revier auch nach dem Strukturwandel eine Industrieregion bleibt.
    "Was allerdings den Masterplan betrifft, jetzt kommt jemand aus Potsdam und sagt: So und so müsst ihr das alles machen – das kann nicht funktionieren."
    Die Region müsse sich selbst auf ihre Stärken besinnen, sagt er.
    "Wir haben eine riesengroße Energiekompetenz insgesamt. Wir können in der Lausitz die Fragen, die für die Energiewende in Deutschland eine massive und große Rolle spielen, in Zukunft mit lösen. Wir haben eine hohe Kompetenz in der Bergbausanierung und Rekultivierung. Auch das ist eine Frage, die beispielsweise in China momentan eine riesengroße Rolle spielt und nachgefragt wird. Das zu entwickeln, noch stärker zu unterstützen, das ist die Aufgabe der Landesregierung."
    Ziele, die auch das Ruhrgebiet verfolgt, angesichts des nahen Endes der Steinkohle 2018. Eine Institution wird immer wieder als Hoffnungsträger genannt, wenn es um die Zukunft der Lausitz geht: die Brandenburgische Technische Universität in Cottbus.
    "Die Lausitz hat ein riesengroßes Potenzial und das ist der Bereich Wissenschaft, Innovation. Und wir müssen uns fragen, wie es noch besser gelingen kann, mit Innovation erst mal die Wirtschaft in der Lausitz voranzubringen, aber der zweite Punkt ist natürlich, wie man auch noch schneller aus der Uni raus mit Ausgründungen vorwärtskommen kann. Da sind wir in intensiven Gesprächen auch mit Professor Steinbach, mit dem Präsidenten der BTU Cottbus-Senftenberg. Das ist also für mich der ganz zentrale Punkt."
    Der, von dem diese Wunderdinge erwartet werden, hat die Zukunft im Blick: Auf dem Campus residiert Jörg Steinbach, der ehemalige Präsident der TU Berlin, seit anderthalb Jahren in einem gläsernen Büro mit Blick auf die Studierenden aus aller Welt, die draußen vorbei eilen. Er hat in den vergangenen Monaten einen Mentalitätswechsel im Revier ausgemacht:
    "Als ich hierhergekommen bin, hatte ich, ich als Zugereister, das Gefühl, dass man mit großen Augen nach Potsdam guckt und sagt: 'Potsdam hat die Lösung für die Lausitz zu bringen.' Unterdessen kenne ich sehr, sehr viele Kollegen, die wirklich engagiert sind, zu sagen: 'Das Denken kann uns keiner abnehmen. Wir müssen eigentlich erst mal mit den Konzepten kommen und dann gehen wir nach Potsdam an der Stelle, dass die Konzepte in irgendeiner Form finanziert werden.' Ich glaube, das ist erst mal schon ein großer Schritt nach vorne."
    Die BTU könne als einzige Technische Universität des Landes eine große Rolle spielen bei der Suche nach Speicherlösungen für regenerative Energien, glaubt Steinbach. Doch ob sich aus einem Forschungsschwerpunkt einer relativ kleinen Uni viele Arbeitsplätze generieren lassen?
    Vattenfall hat die BTU bislang mit etwa zwei Millionen Euro jährlich an Drittmitteln für entsprechende Forschungsprojekte unterstützt. Das Sponsoring von Kulturprojekten auch der sorbischen Minderheit und des Sports in der Region ließen sich die Schweden eine weitere Million im Jahr kosten, doch auch hier stehen die Zeichen auf Rückzug: Das Cottbusser Filmfestival musste im vergangenen November erstmals ohne seinen bisherigen Hauptsponsor auskommen. Auch Lars Töffling fragt sich, ob der neue Betreiber wohl dort weitermacht, wo Vattenfall aufhört. Er ist Sprecher des Fußball-Drittligisten FC Energie Cottbus.
    "Ganz viele Fans haben einen Job, der unmittelbar mit der Kohle zusammenhängt, ob's jetzt im Zuliefererbetrieb ist, oder direkt im Kraftwerk oder im Tagebau. Wir als Verein sind natürlich auch ein Stück weit finanziell betroffen von diesen neuen Entwicklungen beziehungsweise von den unklaren Perspektiven, also nicht nur, was die Zuwendungen von Vattenfall als solche als langjährigen Partner betrifft, sondern auch vor allen Dingen die ganzen Kleingewerbe oder mittelständischen Unternehmen, die unmittelbar mit der Kohle zu tun haben, sind dann, das steht zumindest zu vermuten, nicht mehr in der Lage, uns in dieser Größenordnung zu unterstützen, wie sie es bisher getan haben."
    "Die Leute sind bereit, die können hart arbeiten"
    Trotz aller Ungewissheiten herrsche In Cottbus aber keine depressive Stimmung, meint Töffling. Die Suche nach Alternativen und neuen Perspektiven sei längst angelaufen. Schließlich hätten die Menschen in der strukturschwachen Region ganz am Rand von Brandenburg schon immer Kampfgeist beweisen müssen.
    "Die Leute sind bereit, die können hart arbeiten, das ist mal sicher. Das haben sie auch immer in der Vergangenheit gezeigt. Und das ist schon mal ein gutes Fundament für alles, was danach kommt. Und daraus entnehmen wir einfach mal die Gewissheit oder die Zuversicht, dass den Lausitzern schon was einfallen wird. Und dass sie sich nicht einfach mal so damit zufriedengeben, dass es jetzt hier bergab geht."
    Doch diesen Kampf können die Menschen in der Lausitz allein nicht gewinnen. Höchste Zeit also, dass die Regierungen in Brandenburg und Sachsen, aber auch die Bundesregierung, die Zukunft aktiv gestalten helfen. GmbH-Gründungen und Parteibeschlüsse reichen nicht: Nicht erst seit dem Abkommen von Paris ist klar, dass die Klima-Uhr immer lauter tickt und die Zeit der Kohleförderung im Revier zu Ende geht.