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Nachfolgeregelung "ist blanke Spekulation"

Der CDU-Politiker Peter Altmaier dementiert einen Medienbericht zur angeblichen Nachfolgeregelung der schwarz-gelben Koalition im Falle eines Rücktritts von Bundespräsident Christian Wulff. Dies sei blanke Spekulation, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion.

Peter Altmaier im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 07.01.2012
    Jürgen Zurheide: Der Bundespräsident kommt offensichtlich nicht zur Ruhe, es gibt weiter Schlagzeilen – wir haben in dieser Sendung mehrfach darüber gesprochen, Sie haben es in den Nachrichten gehört, die Diskussion geht weiter. Zum Beispiel um die Frage: Sollen wir denn nun wissen, was in dieser Mailboxnachricht ist, die er dem Chefredakteur der "Bild"-Zeitung aufs Band gesprochen hat. Über all das wollen wir reden, dem Bundespräsidenten und die Lage, und dazu begrüße ich Peter Altmaier, den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, jetzt im Deutschlandfunk. Guten Morgen!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Altmaier, hätten Sie oder haben Sie dem Bundespräsidenten vielleicht geraten, das Gespräch doch zu veröffentlichen, dass wir dann endlich wissen, wer möglicherweise recht hat mit seiner Interpretation?

    Altmaier: Ich finde, das ist eine Entscheidung, die kann nur der Bundespräsident selber treffen in Gesprächen mit Herrn Diekmann von der "Bild"-Zeitung – das waren die beiden Beteiligten. Ich glaube, dass Politik auch davon lebt, dass man formale Regeln respektiert, und dazu gehört nun einmal, dass eine solche persönliche Kommunikation nicht gegen den Willen der Beteiligten öffentlich gemacht werden sollte.

    Zurheide: Auf der anderen Seite stehen wir jetzt vor der Schwierigkeiten, dass wir – ich sag's mal vorsichtig – unterschiedliche Interpretationen haben. Die könnte man natürlich nur dann ausräumen, wenn man wirklich 100-prozentig weiß, was da passiert ist. Mit diesem Nachteil müssen wir leben, da wabert natürlich dann auch irgendetwas, oder?

    Altmaier: Ja, es ist in der Tat unglücklich oder suboptimal, dass es über diese Interpretationen Streit gibt, allerdings hat der Bundespräsident mehrfach klar gesagt, dass er an der Aufklärung für die Zukunft mitwirken möchte. Die niedersächsische Landesregierung hat klargestellt, dass sie im Hinblick auf die übrigen Vorwürfe diese sehr genau prüfen wird, es gibt einen Fragenkatalog an die niedersächsische Landesregierung. Ich meine, daraus wird klar, wir werden uns mit der Klärung von Sachfragen und mit der Frage, wie was sich im Einzelnen abgespielt hat, noch eine Reihe von Tagen oder möglicherweise Wochen zu beschäftigen haben, weil man solche Debatten, die öffentlich geführt werden, nicht durch ein Machtwort der Politik beenden kann. Das heißt aber dann auch, dass wir von der Politik die Verantwortung haben, diesen Prozess so zu strukturieren, dass das Amt des Bundespräsidenten und auch die Person des Amtsinhabers nicht beschädigt werden. Und deshalb war ich schon ziemlich entsetzt und traurig, als ich gesehen habe, mit welchen Worten der SPD-Vorsitzende Gabriel heute Morgen versucht, politisches, parteipolitisches Kapital aus dieser Affäre zu schlagen. Das halte ich für absolut illegitim.

    Zurheide: Da kann man Ihnen im Zweifel folgen, nur es ist natürlich die Konsequenz einer Beobachtung, die wir heute Morgen mit dem Kollegen Hans Leyendecker von der "Süddeutschen" besprochen haben, dass bei vielen Fragen immer wieder Unschärfen auftauchen. Und jetzt habe ich mich extrem freundlich ausgedrückt, man könnte auch sagen, dass da immer zwei Wahrheiten im Raum stehen. Lassen Sie uns mal versuchen, vielleicht das ein oder andere abzuschichten. Also wenn wir denn hören, dass mindestens die Rede davon gewesen sein soll, dass man Krieg führt, dann ist das ja keine ganz freundliche Aussage mehr, dass ein Strafantrag gegen recherchierende Journalisten angedroht wird. Also wir können jetzt sagen wird, und wir müssen nicht mehr im Konjunktiv sprechen. Also ich weiß nicht, haben Sie schon mal einem Journalisten einen Strafantrag angedroht, wenn er etwas recherchiert, was ich Ihnen nicht wünsche, aber was vielleicht für Sie unangenehm wäre?

    Altmaier: Herr Zurheide, wir können natürlich jetzt viel über den Inhalt spekulieren. Ich weiß, es kursieren Darstellungen ...

    Zurheide: Richtig.

    Altmaier: ... und Behauptungen. Niemand hat bisher gesagt, ob diese Darstellungen richtig oder falsch sind, weder der Bundespräsident noch die Verantwortlichen bei der "Bild"-Zeitung, und deshalb meine ich, ist es selbstverständlich, dass wir von der Politik nicht solche Behauptungen und Darstellungen von uns aus dann kommentieren und die ganze Debatte weiterdrehen. Ich vertraue darauf, dass der Bundespräsident das tut, was er in seinem Fernsehinterview gesagt hat, nämlich mit dazu beitragen, dass alle Vorwürfe aufgeklärt werden. Er hat ja in der Vergangenheit auch Beiträge geleistet, es ist völlig müßig, darüber zu spekulieren, ob das eine oder andere vielleicht hätte früher oder anders getan werden können, das ist seine eigene Entscheidung. Und ich stelle fest, dass wir im Augenblick uns mitten in einer Sachdiskussion befinden, das muss eine Demokratie aushalten können. Dazu gehört Pressefreiheit, dazu gehört auch ein investigativer Journalismus, der Grenzen natürlich, rechtliche Grenzen, beachtet, und dann muss man eine solche Debatte so führen, dass Schäden vermieden werden. Ich will nur darauf hinweisen, bislang gibt es gegen den Bundespräsidenten kein Strafverfahren, die Staatsanwaltschaft hat mehrfach erklärt, dass sie keine Ermittlungen aufnimmt, weil es keinen Anlass dazu gibt. Bislang ist auch nirgendwo festgestellt worden, dass der Bundespräsident gegen irgendwelche Gesetze verstoßen hat. Und dann muss sich dies in der öffentlichen Debatte auch widerspiegeln, indem man klarmacht, es geht um Unklarheiten, um Ungereimtheiten, aber es geht nicht etwa um strafrechtlich relevante Vorgänge oder vergleichbare Dinge.

    Zurheide: Also mindestens bei dem Upgrade der Flugzeuggeschichte damals, der Air-Berlin-Flug, da hat er gegen das Ministergesetz verstoßen, das hat er selbst eingeräumt, aber wir können sagen, das ist in seiner Zeit als Ministerpräsident gewesen. Aber ist nicht genau die Schwierigkeit, dass damals in der Debatte der zweite Punkt, der ja gefragt wurde, gibt es eine geschäftliche Beziehung zu Herrn Geerkens – in der Tat, die Frage war so gestellt, dass Herr Geerkens betroffen war –, aber dass damals natürlich vermutlich der Bundespräsident aus wohlüberlegten Gründen den Kredit von Frau Geerkens nicht angesprochen hat, weil er gesagt hat, das Fass wäre voll gewesen. Also sind wir bei der Interpretation – ich zitiere jetzt wieder den Kollegen Leyendecker, der sagt: Da erkennt er ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit.

    Altmaier: Nun, ich meine, Sie haben ja zu Recht darauf hingewiesen, Herr Zurheide, dass die ganze Debatte über das Upgrade in diesem Flug nicht zur jetzigen Debatte gehört. Das hat auch niemand behauptet, und dieser Komplex ist damals seinerzeit abgeschlossen worden, als Herr Wulff noch Ministerpräsident in Niedersachsen war, dadurch, dass Herr Wulff den entsprechenden Betrag zurückgezahlt hat. Die Fragen, die Sie als Zweites angesprochen haben, im Zusammenhang mit dem Kredit von Frau Geerkens an Herrn Wulff, die Umstände, die Frage, wie die Anfrage an den Landtag zu beantworten war, das sind ja die Fragen, die derzeit in Niedersachsen geklärt werden. Und ich meine, wir sollten die Klärung abwarten, zumal die niedersächsische Landesregierung gestern durch den Regierungssprecher erklärt hat, sie wird all diese Fragen, die an sie herangetragen werden, sehr sorgfältig prüfen. Ich meine, wir müssen dann auch die Geduld aufbringen, uns anzuschauen, wie diese Fragen beantwortet werden, und dann zu schauen, ob möglicherweise noch offene Fragen bestehen. Es sind jedenfalls Sachverhalte, die wir weder von Berlin noch von Köln aus abschließend und umfassend klären können, wir können sie höchstens politisch bewerten, wenn die Sach- und Faktenlage klar ist.

    Zurheide: Hätten Sie den Wunsch, dass der Bundespräsident zum Beispiel dieses Interview offenlegt, weil dann müssten wir beide nicht mehr über das reden, was wir hören. Jeder glaubt, er hört natürlich das Richtige. Würden Sie es sich wünschen?

    Altmaier: Herr Zurheide, Sie versuchen es natürlich immer wieder.

    Zurheide: Bitte um Nachsicht. Ist mein Job heute Morgen.

    Altmaier: Das ist Ihr Job, und mein Job ist es, auch dafür zu sorgen, dass bestimmte Maßstäbe in der Debatte erkennbar werden. Es gibt Dinge, die man von der Politik aus einfordern darf und einfordern muss, da bin ich ganz auf der Seite derer, die sagen, es müssen alle Vorwürfe aufgeklärt werden, aber es gibt auch Dinge, die dem höchstpersönlichen Bereich angehören, und dazu gehört für mich die Kommunikation – sei es über Brief, sei es über Telefon – zwischen zwei Menschen. Wir haben nicht umsonst das im Grundgesetz auch besonders geschützt, und deshalb sage ich, so unangenehm die Debatte im Einzelnen auch sein mag, aber letzten Endes müssen die Betroffenen selber darüber entscheiden, wie sie damit umgehen.

    Zurheide: Okay, ich will es dann nicht weiter versuchen. Ein anderer Punkt aus dem Interview, der ist mir noch aufgefallen, da würde ich gerne Ihre Einschätzung haben: Halten Sie die Äußerungen, dass es ja schwierig ist, aus dem direkten politischen Amt des Ministerpräsidenten in das Bundespräsidentenamt zu kommen, dass man da eine gewisse – ich sag es jetzt mit meinen Worten – Lehrzeit braucht? Haben Sie sich über den Satz vielleicht geärgert?

    Altmaier: Na, ich hab mich nicht geärgert, ich weiß auch nicht, ob das Wort Lehrzeit nun es richtig trifft, aber Tatsache ist doch, dass wir alle Menschen sind, und jeder, der eine Tätigkeit gegen die andere eintauscht, befördert wird in seinem Beruf oder eine neue politische Funktion erhält, der muss sich mit den Umständen und den Anforderungen des Amtes vertraut machen. Ich habe im Übrigen den Eindruck, dass Christian Wulff als Bundespräsident ein guter Bundespräsident gewesen ist und immer noch ist. An dieser Amtsführung als Bundespräsident hat es ja auch ausdrücklich keine Kritik gegeben. Kritik hat es gegeben an Vorgängen, die in der Zeit vor dieser Amtsführung liegen, insofern habe ich dieser Äußerung jetzt nicht den großen Stellenwert beigemessen. Aber richtig ist, richtig ist, dass jeder Amtsinhaber sich in jedem Amt so aufstellt, dass er den Anforderungen dieses Amtes gerecht wird. Ich hab keinen Anlass zu glauben, dass dies bei Christian Wulff nicht der Fall war.

    Zurheide: Wird in der Bundesregierung und in den sie tragenden Parteien schon ein Nachfolgeverfahren beredet, ist es beredet worden, wie die Kollegen der "Rheinischen Post" heute Morgen melden?

    Altmaier: Also da habe ich heute Morgen wirklich schmunzeln müssen. Die FDP hat ja sofort erklärt, dass dies blanker Unsinn ist. Horst Seehofer hat erklärt vorgestern, dass die CSU und die CDU zum Bundespräsidenten stehen – ich meine, damit ist alles gesagt. Das ist eine blanke Spekulation, und die weise ich zurück.

    Zurheide: Sie haben das nicht gehört?

    Altmaier: Ich habe es nicht gehört, nein.

    Zurheide: Ich bedanke mich sehr für das Gespräch. Das war Herr Altmaier von der CDU/CSU. Peter Altmaier, ich bedanke mich für das Gespräch, auf Wiederhören!

    Altmaier: Ich danke Ihnen, Herr Zurheide!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.