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Nachhaltige Produkte
"Bei Cradle to Cradle geht es nicht nur um Kreisläufe"

Produkte für Mensch und Umwelt schonend herstellen: Dafür setzt sich seit vier Jahren der Verein Cradle to Cradle ein. Es gebe schon viele positive Entwicklungen, erklärte Mitbegründer und Geschäftsführer des Vereins Tim Janßen im DLF. Dazu gehörten Beispiele in der Architektur. In Sachen nachhaltige Textilien hingegen sei noch viel zu tun, sagte Janßen.

Tim Janßen im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 26.09.2016
    Susanne Kuhlmann: Cradle to Cradle - von der Wiege zur Wiege - das ist der Ansatz, Alltagsprodukte so herzustellen, dass sie am Ende biologisch abbaubar sind und sich daraus wieder Neues machen lässt, und zwar nicht Blumentöpfe oder Parkbänke, sondern Hochwertiges wie zum Beispiel Kleidung. Cradle to Cradle heißt ein Verein, der sich für Umweltschutz und Umweltbildung einsetzt. Am Wochenende hat er in Lüneburg seinen dritten Kongress veranstaltet.
    Am Telefon in Berlin ist Tim Janßen, der Geschäftsführer. Guten Tag!
    Tim Janßen: Guten Tag, Frau Kuhlmann.
    Kuhlmann: Herr Janßen, welche Themen standen im Mittelpunkt Ihres Kongresses?
    Janßen: Wir hatten auch in diesem Jahr wieder vielfältige Themen auf dem Programm. Auf der einen Seite hat uns Franz Alt durch den Tag geführt, und der ist ja selber auch Energieexperte. Von daher lag auch nahe, das Thema Energie zu thematisieren. Sie sagten ja schon: Wir können biologische Kreisläufe schließen. Es sind auch technische Kreisläufe. Wenn wir Materialien in Kreisläufe bringen, dann brauchen wir, um die Kreisläufe zu schließen, viel Energie.
    Von daher haben wir zum Beispiel dieses Thema diskutiert mit Ursula Sladek oder Professor Leukefeld, hatten aber auch die Themen Plastik, Politik oder Gesundheit, im Bereich Plastik zum Beispiel zu gucken, wie können wir Produkte von Anfang an so designen. Das ist ja der Ansatz von Cradle to Cradle zu sagen, wir definieren Materialien-Kreisläufe. Da haben wir zum Beispiel von einer Firma gehört, Desso, die produzieren Teppiche, die die Luft aktiv reinigen. Sie sind also schon gesundheitsverträglich in der Nutzung und können nach der Nutzung an die Firma zurückgegeben werden. Da gibt es ganz viele spannende Beispiele.
    Wir haben schon Alltagsprodukte, aber auch viele Produkte, die wir so gar nicht sehen. Gerade im Bereich Architektur zum Beispiel gibt es sehr viele Materialien, die heute schon nach Cradle to Cradle hergestellt werden. Deswegen haben wir auch da Experten-Austäusche gehabt zum Thema Architektur, Produktdesign. Und das Thema Politik ist natürlich für uns auch ganz wichtig. Wir sind ja eine gemeinnützige Organisation, Sie sagten das. Wir machen das seit vier Jahren, haben unsere Geschäftsstelle hier in Berlin, und wir haben ja neben diesem Kongress auch ein sehr aktives Ehrenamt. Wir haben mittlerweile 36 Regionalgruppen über ganz Deutschland, das sind über 400 ehrenamtlich Aktive. Und uns alle interessiert natürlich auch, durch welche politischen Instrumente können wir diese Idee von Cradle to Cradle in der Gesellschaft voranbringen.
    Das ist eine Bildungsarbeit, die Akteure auch durch Vernetzung zusammenzubringen, und deswegen haben wir auch geschaut, was politisch geht. So war zum Beispiel Reinhold Rünker vom Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen da, denn gerade wird in Nordrhein-Westfalen eine Studie zu dem Thema veröffentlicht, die das Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat, wo Cradle to Cradle als innovationspolitischer und wirtschaftsinnovationspolitischer Ansatz dargestellt wird und überlegt wird, wie kann man das in Zukunft auch stärken.
    "Die textile Wertschöpfungskette weltweit involviert Millionen an Menschen"
    Kuhlmann: Ich würde ganz gerne noch mal ein konkretes Beispiel von Ihnen hören, vielleicht im Bereich Textilien: Stark der Mode unterworfen, es gibt immer wieder Neues, Sachen werden auch weggeworfen oder weggegeben, nur weil sie nicht mehr modern sind.
    Janßen: Ja, das stimmt. Wir haben gerade im Textilbereich sehr kurze Nutzungszyklen und gleichzeitig wissen wir auch, die textile Wertschöpfungskette weltweit involviert Millionen an Menschen und letztlich geht es natürlich auch jeden was an, der Textilien trägt. Das heißt, wir fordern natürlich, dass Textilien von Anfang an so beschaffen sein müssen erst mal, dass sie überhaupt für Hautkontakt sind. Bei Cradle to Cradle geht es nicht nur um Kreisläufe, sondern auch darum, Materialien auszusuchen, die in der Nutzung gesund sind.
    Und das ist vielfach nicht der Fall. Wir haben es leider sehr oft mit sehr primitivem Produktdesign zu tun, gerade im Textilbereich werden sehr, sehr viele giftige Farben beispielsweise eingesetzt. Und das ist nicht nur problematisch für die, die das herstellen, sondern natürlich auch für diejenigen, die das tragen. Wir hatten ein tolles Beispiel auf dem Kongress. Es gibt natürlich vielzählige Beispiele, aber ein schönes Beispiel ist die Firma Trigema. Wir hatten Wolfgang Grupp da, der erzählt hat, schon vor zehn Jahren haben die sich auf den Weg gemacht und Farben entwickelt, die für Hautkontakt sind, die biologisch abbaubar sind, eine Textilie für Hautkontakt, die am Ende der Nutzung wieder in den biologischen Kreislauf gehen kann und Nährstoff für neues Wachstum bilden kann.
    Kuhlmann: Tim Janßen war das, Geschäftsführer von Cradle to Cradle. Wir sprachen über den Kongress des Vereins am Wochenende in Lüneburg. Danke schön nach Berlin.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.