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Nachruf
Zum Tod von Eduard Schewardnadse

Er trug Michael Gorbatschows Perestroika mit und leitete als letzter Außenminister der Sowjetunion den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan ein: Eduard Schewardnadse, der den Prozess der deutschen Wiedervereinigung unterstützte. Jetzt ist er im Alter von 86 Jahren in Tiflis gestorben.

Von Gesine Dornblüth | 07.07.2014
    Der frühere sowjetische Außenminister und spätere georgische Präsident Eduard Schewardnadse, aufgenommen beim ZDF-Polit-Talk "Maybrit Illner Spezial" am 05.11.2009 zum Thema "20 Jahre Mauerfall - Einheit ja, Gerechtigkeit nein?" im ZDF-Hauptstadtstudio im Berliner Zollernhof Unter den Linden.
    Machte nicht beim Geheimdienst Karriere, sondern in der Partei: Eduard Schewardnadse. (Karlheinz Schindler / dpa)
    Besucher führte Eduard Eduard Schewardnadse gern zu der Wand voll gerahmter Fotos in seinem Arbeitszimmer. Sie zeigten ihn mit George Bush senior, mit Jacques Chirac, mit Bill Clinton, herzhaft lachend mit Hans-Dietrich Genscher. Für westliche Politiker war der freundliche Mann mit den markanten weißen Locken ein Lichtblick nach Jahrzehnten der Betonköpfe im sowjetischen Außenministerium. Und Eduard Schewardnadse genoss es, gemocht zu werden. Vor allem wegen seiner Rolle bei der deutschen Wiedervereinigung.
    "Ich glaube, ich habe viel für Deutschland getan"
    "Ich glaube, ich habe viel für Deutschland getan. Ein geteilter Staat im Zentrum Europas, die sowjetischen Truppen mit ihren Waffen auf deutschem Gebiet, dazu die beginnenden Demonstrationen – das war eine große Gefahr. Daraus hätte sogar ein Weltkrieg entstehen können."
    Anders als viele Größen der sowjetischen Politik machte Schewardnadze nicht beim Geheimdienst Karriere, dem KGB, sondern in der Partei. Als Zwanzigjähriger trat er ein, brachte es schließlich zum Parteichef der Georgischen Sowjetrepublik. Dass er als solcher gegen Korruption vorging, war offenbar ein Grund, dass Michail Gorbatschow ihn 1985 nach Moskau holte. Schewardnadse trug dessen Perestroika mit und leitete als Außenminister den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan ein. Ende 1990 trat er zurück, um ein Zeichen zu setzen.
    "Das war der kürzeste Auftritt meines Lebens. Ich habe gesagt, dass eine Diktatur bevorsteht, und dass die Perestroika und die Demokratisierung auf dem Spiel stehen. Ich wollte die Leute wachrütteln."
    Nach dem Putsch gegen Gorbatschow und der Auflösung der Sowjetunion Ende 1991 kehrte Eduard Schewardnadse in seine Heimat zurück, in das inzwischen unabhängige Georgien. Dort nahmen ihn die Menschen mit gemischten Gefühlen auf. Eduard Schewardnadse galt einerseits als Vertreter der Sowjetmacht, die 1989 friedliche Demonstranten in Tiflis mit Giftgas umgebracht hatte. Andere sahen in ihm ein erfahrenes politisches Schwergewicht, das Ruhe in die von Bürgerkrieg und Separationskonflikten aufgeheizte Republik bringen könnte. Das gelang ihm nur bedingt.
    Der "kaukasische Fuchs"
    Eduard Schewardnadse erlaubte Pressefreiheit und schickte die jungen Eliten zur Ausbildung in den Westen. Andererseits ließ er zu, dass das Land immer weiter in Korruption versackte. Alltag in Georgien hieß unter Schewardnadze Stromausfälle, Armut, Kriminalität. Der "kaukasische Fuchs", wie er oft genannt wird, verpasste den Zeitpunkt des Rücktritts. Seine eigenen Zöglinge jagten ihn schließlich 2003 in der Rosenrevolution aus dem Amt. Hier zeigte Eduard Schewardnadse noch einmal Größe. Er verhängte den Ausnahmezustand, hob ihn aber schon nach einer Viertelstunde wieder auf. Solange dauerte seine Heimfahrt im Auto.
    "Als ich nach Hause kam, fragte mich meine Frau – sie war sehr klug und kannte sich gut in der Politik aus -: 'Eduard, du hast so einen langen Weg hinter dir – willst du ihn mit Blutvergießen krönen?' Ich habe gesagt: 'Mach dir keine Sorgen, ich habe den Befehl schon rückgängig gemacht, es wird keine Zusammenstöße geben.'"
    Nach seinem Rücktritt vom Präsidentenamt lebte Eduard Schewardnadse zurückgezogen in seiner Villa in Tiflis. Der Tod seiner Frau 2004 traf ihn schwer. Heute ist Eduard Eduard Schewardnadse im Alter von 86 Jahren gestorben.