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Näherinnen in Kambodscha
Der hohe Preis der Billig-T-Shirts

Mindestens zehn-Stunden-Tage, sechs Tage pro Woche und dafür wenig Lohn: Das ist Alltag für die Näherinnen in Fabriken in Kambodscha. Arbeitsschutzgesetze werden oft nicht umgesetzt - und die Frauen riskieren ihre Gesundheit.

Von Holger Senzel | 28.06.2019
    Eine junge kambodschanische Näherinnen bei der Kontrolle von Augenbinden und Pyjamas, die für den europäischen Markt gefertigt wurden, in einer Textilfabrik am Rande Phnom Penhs (Archivfoto aus dem Jahr 2007). Nach erfolglosen Streiks sind die meisten Textilarbeiterinnen in Kambodscha am 08.01.2014 wieder an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt. Die Textilindustrie ist mit 3,7 Milliarden Euro Exporterlösen im Jahr mit Abstand die größte Exportindustrie im Land. Foto: Arjay Stevens/dpa (zu dpa "Streik erfolglos - Textilarbeiterinnen in Kambodscha arbeiten wieder" vom 08.01.2014) | Verwendung weltweit
    Eine Näherin in einer Fabrik am Rande Phnom Penhs (dpa / Arjay Stevens)
    Hunderte Frauen dicht an dicht in einer riesigen Wellblechhalle bei Phnom Penh. Sie schneidern die T-Shirts und Shorts, die wir in den Textilketten und Boutiquen im reichen Westen zum Schnäppchenpreis kaufen. So wie die 34jährige So Peh.
    "Es ist wahnsinnig heiß in der Produktionshalle. Die Lüfter reichen nicht. Klar kannst Du zwischendurch mal aufs Klo gehen, aber du musst dich beeilen. Wenn du zu oft gehst, dann schimpft die Vorarbeiterin."
    Produktion für Markenhersteller
    160 Euro monatlich für 60 Stunden Arbeit – das ist auch im armen Kambodscha nicht viel. Montag bis Samstag kümmert sich So Pehs Mutter um die beiden Söhne der geschiedenen Näherinnen. Die Familie lebt in einer kleinen Hütte in einem Vorort der kambodschanischen Hauptstadt. Fünf Menschen müssen von So Pehs Einkommen leben, meist gibt es nur Reis – für Fisch und Fleisch reicht das Geld nicht, erzählt So Pehs Mutter.
    "Es ist hart. Meine Tochter hat ja keinen Ehemann mehr, der mitverdient. Sie muss mit ihrem kleinen Gehalt allein für uns sorgen. Wenn jemand krank wird, müssen wir am Essen sparen, um den Arzt bezahlen zu können."
    Die Näherei, in der So Peh arbeitet, produziert für viele Markenhersteller. Die EU ist weltweit größter Abnehmer für Textilien in Kambodscha – einem der ärmsten Länder der Welt. Berichte über unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Fabriken haben den Druck auf die Produzenten erhöht. Der Arbeitsschutz wurde verbesser, Atemschutzmasken beispielsweise sind inzwischen Standard. Auch die Löhne haben sich erhöht - aber davon haben die Näherinnen nichts, sagt So Peh: "Wenn Modefirmen Druck aufbauen und wir dann Lohnerhöhungen bekommen so wie letztes Jahr dann hat das seinen preis. Aus meinem Team wurden von 30 Näherinnen gleich fünf entlassen und wir anderen müssen nun die selbe Stückzah in acht Stunden schaffen statt in zehn.
    Zehnstundenschicht in der Näherei
    Hungerlöhne, Akkordarbeit, Zusammenbrüche. Fast die Hälfte der Frauen leidet laut einer Studie unter Blutarmut, ein Zeichen von Vitaminmangel. Ein Fünftel ist untergewichtig. Offiziel haben sich die Standards verbessert - sagt Yung Leap von der Näherinnengewerkschaft – aber das sei Augenwischerei:
    "Kambodschas Arbeitsschutzgesetze werden leider nicht umgesetzt. Zwei Überstunden sind erlaubt, aber vier sind schon fast Standard. Die meisten Frauen haben auch nur Kurzzeitverträge, so leben sie ständig in der Angst um ihren Arbeitsplatz, die Firmen halten sie klein."
    Nach der Zehnstundenschicht in der Näherei - arbeitet Soh Peh weitere drei Stunden als Aushilfe in einem Biergarten, das bringt noch einmal 43 Euro im Monat. Meistens schläft sie dort auch, denn morgens um sechs sammelt der Kleinbus der Näherei sie wieder ein.
    "Ich vermisse meine Jungs wahnsinnig., aber ich muss das hier machen, damit sie zur Schule gehen können. Ich bin so müde, aber ich habe keine Wahl."