Gerd Breker: Am Telefon begrüße ich nun den Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik Volker Perthes. Guten Tag, Herr Perthes!
Volker Perthes: Ja, schönen guten Tag!
Breker: Herr Perthes, warum soll mit drei schwachen Staatsmännern gelingen, was in Camp David mit drei starken Staatsmännern gescheitert ist?
Perthes: Niemand geht davon aus, dass heute in Annapolis gelingen würde, was bei den sehr intensiven Gesprächen in Camp David damals, vor sieben Jahren, nicht gelungen ist, sondern worauf man setzt, ist, dass hier ein Startschuss gesetzt wird für einen intensiven Verhandlungsprozess über die nächsten Monate, und das vielleicht, wenn man ein bisschen optimistisch sein will, etwas, wo man sagen kann, das muss nicht scheitern. Ich glaube, es gibt eine wichtige Botschaft dieses Treffens heute, und tatsächlich geht es mehr um Botschaften als darum, dass hier heute Ergebnisse kämen. Und diese Botschaft heißt, die Zeit des Unilateralismus im Nahen Osten, also wo jeder Akteur nur alleine handelt, aber nicht bereit ist, mit dem jeweiligen Counterpart auf der anderen Seite zu verhandeln, die Zeit ist vorbei, weil diese Politik des Unilateralismus gescheitert ist. Man kann zwar immer behaupten, der Partner auf der anderen Seite gefiele einem nicht, aber man muss einsehen, dass es ein Partner ist.
Breker: Israel, Herr Perthes, bewegt sich nur auf Druck der US-Amerikaner. Das lässt die Frage aufkommen: Wie ernsthaft ist denn die Initiative von George Bush wirklich gemeint?
Perthes: Ich glaube, die Initiative, die vor allem eine von Frau Rice, es aber, wie es heißt, von Herrn Bush unterstützt wird, ist tatsächlich ernsthaft, denn die USA müssen beweisen, und ich glaube, Frau Rice weiß das, dass sie im Nahen Osten tatsächlich auch ein positives Erbe der Bush-Ära hinterlassen können, das ist ja, um es milde zu sagen, nicht an allen Plätzen im Nahen und Mittleren Osten so. Sie wissen auch, auch das ist eher die diplomatische Einsicht von Frau Rice, dass sie, wenn sie an anderen Stellen im weiteren Nahen und Mittleren Osten ein Stück weit Sympathie für die USA zurückgewinnen wollen, dass sie dann ernsthaft sich bemühen müssen, um eine friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern.
Breker: Geschehen soll das mit einem eigenen palästinensischen Staat, Herr Perthes. Inwieweit ist das denn mehr als nur ein Symbol, denn Souveränität im eigentlichen Sinne kann ein palästinensischer Staat ja gar nicht haben?
Perthes: Nun, er könnte schon, aber nicht, wenn er, so wie das jetzt beim Gazastreifen der Fall ist, praktisch noch von israelischem Militär umrundet ist, wenn die Ein- und Ausgänge gewissermaßen bewacht werden von einem anderen Staat und auch der Luftraum und der Seeraum davor, dann ist es ein Staat, der sich so vielleicht nennen kann, aber der keinen Staat macht. Ich denke schon, dass alle, die eine Lösung, eine friedliche Beilegung wollen, und davon gibt es ja genug, sowohl auf der palästinensischen Seite als auf der israelische Seite, wissen, was es braucht, um eine tragfähige Friedenslösung herbeizubekommen, und dazu gehört natürlich der Staat, aber dazu gehört eben auch, dass in diesem Staat Bewegungsfreiheit besteht. Dazu gehört die Entfernung der Siedlungen, dazu gehören die sicheren Verbindungen zwischen den beiden Teilen des Staates. Dazu gehört Sicherheit und Staatsautorität, das ist auch etwas, was für die Israelis ganz wichtig ist. Man weiß dies, man weiß auch, dass dieser Staat eine Hauptstadt braucht, und dass man sich die Hauptstadt Jerusalem wird teilen müssen, aber nicht alle, die es wissen, haben tatsächlich auch die Macht und die Kontrolle in ihren jeweiligen Gesellschaften, um das durchzusetzen.
Breker: Ist das nicht das eigentliche Problem, dass da eben halt drei Schwache sitzen?
Perthes: Ja, Sie haben das ja auch schon einleitend gesagt, dies ist tatsächlich das größte Problem, und nun könnte man sagen, weil die drei so schwach sind, lässt man es lieber und versucht es gar nicht erst, oder man kann sagen, wenn es jedoch nur kleine Fortschritte gibt, also wenn zum Beispiel die israelische Regierung Herrn Abbas unterstützt, indem sie Gefangene freilässt, indem sie Checkpoints abbaut, indem sie den vor Längerem schon einmal versprochenen Freeze, also das Einfrieren der Siedlungsaktivitäten, auch umsetzt, dann kann sie Herrn Abbas vielleicht auch stärken. Denn stärker werden, indem man keine diplomatischen Aktivitäten anleiert, werden die drei Verhandler sicherlich nicht. Herr Bush hat nichts mehr zu verlieren. Er kann zumindest versuchen, sein Prestige und seine Kraft für das Jahr, was er noch hat, in diesen Friedensprozess zu investieren.
Breker: Herr Perthes, es wird ja schon als Erfolg dieser Konferenz bezeichnet, dass so viele Teilnehmer, auch so viele Teilnehmer aus arabischen Staaten dabei sind, aber trifft da nicht zu, was man über viele Köche sagt, die den Brei verderben?
Perthes: Ja, ich glaube, die arabischen Staaten werden wenig Chancen haben, tatsächlich sich selbst in den Brei einzumischen oder dort mit herumzurühren. Man will sie vor allem dabei haben, damit sie Herrn Abbas und in gewisser Weise auch Herrn Olmert ein Mehr an Legitimität geben gegenüber ihren jeweiligen eigenen Gesellschaften. Man will sie politisch stützen dadurch, dass eben die arabische Umwelt den Israelis und den Palästinensern sagt, wir wollen, dass ihr jetzt euren Konflikt beilegt, und wir sind gegebenenfalls bereit, da zu helfen und zu unterstützen, das wird dann vor allem im wirtschaftlichen Feld erwartet werden.
Breker: Positiv ist zu erwähnen, dass Syrien teilnimmt. Syrien nimmt natürlich teil wegen der Golanhöhen, aber ist das nicht eine Chance, aus der man eigentlich was machen will, müsste?
Perthes: Also es ist gut, dass Syrien dabei ist. Es ist gut, dass die Amerikaner sich trotzt ideologischer Widerstände, die es da im Weißen Haus und beim Vizepräsidenten gab, darauf eingelassen haben, Syrien einzuladen, denn Syrien hat natürlich selbst ein berechtigtes Interesse, das sind die israelisch besetzten Golanhöhen. Gleichzeitig weiß man, da kann man durchaus realpolitisch herangehen, dass Syrien, wenn es nicht eingeladen wird, auch Mittel und Möglichkeiten hat, den Fortschritt von Gesprächen, die in den nächsten Wochen ja stattfinden müssen, zu unterminieren, und diese Mittel und Möglichkeiten auch nutzen würde.
Breker: Herr Perthes, was gibt uns eigentlich die Gewissheit, dass es den Amerikanern bei diesen Verhandlungen tatsächlich um das Schicksal der Palästinenser, um den Nahen Osten geht oder nicht vielleicht am Ende doch eigentlich um eine Front, gegen das iranische Atomprogramm aufzubauen?
Perthes: Für die Amerikaner ist da sicherlich kein Widerspruch drin. Es geht hier nicht aus humanistischen Motiven um das Schicksal der Palästinenser, es geht um das Standing der Amerikaner im Nahen Osten, das ist ganz wichtig. Es geht sicherlich auch darum, dass man versucht, der arabischen Öffentlichkeit und den arabischen Eliten zu zeigen, die USA sind euer Verbündeter, versucht, euch nicht auf die Ansinnen des Iran in der Region einzulassen. Ja, insofern ist dieser Aspekt durchaus da, dass man auch andere Fronten im Nahen Osten nutzt, gegebenenfalls sogar verschärft. Gleichwohl wird es für die Palästinenser und, ich denke auch, für die Israelis um Herrn Olmert letztlich relativ unwichtig sein, welche Motive der amerikanische Präsident hat. Sie wollen, dass er seine Energie investiert in diesen Prozess, denn ohne diese Hilfe von außen, und da sind wir wieder bei den zwei schwachen Führern in Israel und Palästina, ohne diese Hilfe von außen werden die beiden nicht in der Lage sein, gegen ihre jeweiligen Parteien, ihre Opposition, ihre Mehrheiten in Parlamenten anzuregieren und etwas durchzusetzen im Friedensprozess.
Breker: Zu den Erfolgsaussichten der Nahost-Konferenz von Annapolis war das der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik Volker Perthes.
Volker Perthes: Ja, schönen guten Tag!
Breker: Herr Perthes, warum soll mit drei schwachen Staatsmännern gelingen, was in Camp David mit drei starken Staatsmännern gescheitert ist?
Perthes: Niemand geht davon aus, dass heute in Annapolis gelingen würde, was bei den sehr intensiven Gesprächen in Camp David damals, vor sieben Jahren, nicht gelungen ist, sondern worauf man setzt, ist, dass hier ein Startschuss gesetzt wird für einen intensiven Verhandlungsprozess über die nächsten Monate, und das vielleicht, wenn man ein bisschen optimistisch sein will, etwas, wo man sagen kann, das muss nicht scheitern. Ich glaube, es gibt eine wichtige Botschaft dieses Treffens heute, und tatsächlich geht es mehr um Botschaften als darum, dass hier heute Ergebnisse kämen. Und diese Botschaft heißt, die Zeit des Unilateralismus im Nahen Osten, also wo jeder Akteur nur alleine handelt, aber nicht bereit ist, mit dem jeweiligen Counterpart auf der anderen Seite zu verhandeln, die Zeit ist vorbei, weil diese Politik des Unilateralismus gescheitert ist. Man kann zwar immer behaupten, der Partner auf der anderen Seite gefiele einem nicht, aber man muss einsehen, dass es ein Partner ist.
Breker: Israel, Herr Perthes, bewegt sich nur auf Druck der US-Amerikaner. Das lässt die Frage aufkommen: Wie ernsthaft ist denn die Initiative von George Bush wirklich gemeint?
Perthes: Ich glaube, die Initiative, die vor allem eine von Frau Rice, es aber, wie es heißt, von Herrn Bush unterstützt wird, ist tatsächlich ernsthaft, denn die USA müssen beweisen, und ich glaube, Frau Rice weiß das, dass sie im Nahen Osten tatsächlich auch ein positives Erbe der Bush-Ära hinterlassen können, das ist ja, um es milde zu sagen, nicht an allen Plätzen im Nahen und Mittleren Osten so. Sie wissen auch, auch das ist eher die diplomatische Einsicht von Frau Rice, dass sie, wenn sie an anderen Stellen im weiteren Nahen und Mittleren Osten ein Stück weit Sympathie für die USA zurückgewinnen wollen, dass sie dann ernsthaft sich bemühen müssen, um eine friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern.
Breker: Geschehen soll das mit einem eigenen palästinensischen Staat, Herr Perthes. Inwieweit ist das denn mehr als nur ein Symbol, denn Souveränität im eigentlichen Sinne kann ein palästinensischer Staat ja gar nicht haben?
Perthes: Nun, er könnte schon, aber nicht, wenn er, so wie das jetzt beim Gazastreifen der Fall ist, praktisch noch von israelischem Militär umrundet ist, wenn die Ein- und Ausgänge gewissermaßen bewacht werden von einem anderen Staat und auch der Luftraum und der Seeraum davor, dann ist es ein Staat, der sich so vielleicht nennen kann, aber der keinen Staat macht. Ich denke schon, dass alle, die eine Lösung, eine friedliche Beilegung wollen, und davon gibt es ja genug, sowohl auf der palästinensischen Seite als auf der israelische Seite, wissen, was es braucht, um eine tragfähige Friedenslösung herbeizubekommen, und dazu gehört natürlich der Staat, aber dazu gehört eben auch, dass in diesem Staat Bewegungsfreiheit besteht. Dazu gehört die Entfernung der Siedlungen, dazu gehören die sicheren Verbindungen zwischen den beiden Teilen des Staates. Dazu gehört Sicherheit und Staatsautorität, das ist auch etwas, was für die Israelis ganz wichtig ist. Man weiß dies, man weiß auch, dass dieser Staat eine Hauptstadt braucht, und dass man sich die Hauptstadt Jerusalem wird teilen müssen, aber nicht alle, die es wissen, haben tatsächlich auch die Macht und die Kontrolle in ihren jeweiligen Gesellschaften, um das durchzusetzen.
Breker: Ist das nicht das eigentliche Problem, dass da eben halt drei Schwache sitzen?
Perthes: Ja, Sie haben das ja auch schon einleitend gesagt, dies ist tatsächlich das größte Problem, und nun könnte man sagen, weil die drei so schwach sind, lässt man es lieber und versucht es gar nicht erst, oder man kann sagen, wenn es jedoch nur kleine Fortschritte gibt, also wenn zum Beispiel die israelische Regierung Herrn Abbas unterstützt, indem sie Gefangene freilässt, indem sie Checkpoints abbaut, indem sie den vor Längerem schon einmal versprochenen Freeze, also das Einfrieren der Siedlungsaktivitäten, auch umsetzt, dann kann sie Herrn Abbas vielleicht auch stärken. Denn stärker werden, indem man keine diplomatischen Aktivitäten anleiert, werden die drei Verhandler sicherlich nicht. Herr Bush hat nichts mehr zu verlieren. Er kann zumindest versuchen, sein Prestige und seine Kraft für das Jahr, was er noch hat, in diesen Friedensprozess zu investieren.
Breker: Herr Perthes, es wird ja schon als Erfolg dieser Konferenz bezeichnet, dass so viele Teilnehmer, auch so viele Teilnehmer aus arabischen Staaten dabei sind, aber trifft da nicht zu, was man über viele Köche sagt, die den Brei verderben?
Perthes: Ja, ich glaube, die arabischen Staaten werden wenig Chancen haben, tatsächlich sich selbst in den Brei einzumischen oder dort mit herumzurühren. Man will sie vor allem dabei haben, damit sie Herrn Abbas und in gewisser Weise auch Herrn Olmert ein Mehr an Legitimität geben gegenüber ihren jeweiligen eigenen Gesellschaften. Man will sie politisch stützen dadurch, dass eben die arabische Umwelt den Israelis und den Palästinensern sagt, wir wollen, dass ihr jetzt euren Konflikt beilegt, und wir sind gegebenenfalls bereit, da zu helfen und zu unterstützen, das wird dann vor allem im wirtschaftlichen Feld erwartet werden.
Breker: Positiv ist zu erwähnen, dass Syrien teilnimmt. Syrien nimmt natürlich teil wegen der Golanhöhen, aber ist das nicht eine Chance, aus der man eigentlich was machen will, müsste?
Perthes: Also es ist gut, dass Syrien dabei ist. Es ist gut, dass die Amerikaner sich trotzt ideologischer Widerstände, die es da im Weißen Haus und beim Vizepräsidenten gab, darauf eingelassen haben, Syrien einzuladen, denn Syrien hat natürlich selbst ein berechtigtes Interesse, das sind die israelisch besetzten Golanhöhen. Gleichzeitig weiß man, da kann man durchaus realpolitisch herangehen, dass Syrien, wenn es nicht eingeladen wird, auch Mittel und Möglichkeiten hat, den Fortschritt von Gesprächen, die in den nächsten Wochen ja stattfinden müssen, zu unterminieren, und diese Mittel und Möglichkeiten auch nutzen würde.
Breker: Herr Perthes, was gibt uns eigentlich die Gewissheit, dass es den Amerikanern bei diesen Verhandlungen tatsächlich um das Schicksal der Palästinenser, um den Nahen Osten geht oder nicht vielleicht am Ende doch eigentlich um eine Front, gegen das iranische Atomprogramm aufzubauen?
Perthes: Für die Amerikaner ist da sicherlich kein Widerspruch drin. Es geht hier nicht aus humanistischen Motiven um das Schicksal der Palästinenser, es geht um das Standing der Amerikaner im Nahen Osten, das ist ganz wichtig. Es geht sicherlich auch darum, dass man versucht, der arabischen Öffentlichkeit und den arabischen Eliten zu zeigen, die USA sind euer Verbündeter, versucht, euch nicht auf die Ansinnen des Iran in der Region einzulassen. Ja, insofern ist dieser Aspekt durchaus da, dass man auch andere Fronten im Nahen Osten nutzt, gegebenenfalls sogar verschärft. Gleichwohl wird es für die Palästinenser und, ich denke auch, für die Israelis um Herrn Olmert letztlich relativ unwichtig sein, welche Motive der amerikanische Präsident hat. Sie wollen, dass er seine Energie investiert in diesen Prozess, denn ohne diese Hilfe von außen, und da sind wir wieder bei den zwei schwachen Führern in Israel und Palästina, ohne diese Hilfe von außen werden die beiden nicht in der Lage sein, gegen ihre jeweiligen Parteien, ihre Opposition, ihre Mehrheiten in Parlamenten anzuregieren und etwas durchzusetzen im Friedensprozess.
Breker: Zu den Erfolgsaussichten der Nahost-Konferenz von Annapolis war das der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik Volker Perthes.