Spengler: Die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit konzentriert sich in den letzten Wochen zunehmend auf ein Land im Nahen Osten. Seien es die anhaltenden Terroranschläge im Irak, wie der blutige heute morgen erst, sei es das Selbstmordkommando in Tel Aviv am vergangenen Freitag oder das Attentat im Libanon vor zwei Wochen. Immer wird Syrien in irgendeiner Weise mit diesen blutigen Geschehnissen in Verbindung gebracht, nicht zuletzt von US-Präsident Bush und Außenministerin Rice. Am Telefon begrüße ich den Nahost-Experten Michael Lüders. Herr Lüders, ist Syrien wirklich dieser Hort des Bösen, wie es gelegentlich den Anschein hat, oder ist es nur ein Sündenbock?
Lüders: Ich glaube, man muss hier unterscheiden. Es gibt viele Gründe, sachliche Gründe, die syrische Politik in der Region zu kritisieren, aber wir erleben gleichzeitig eine zunehmende Dämonisierung Syriens von Seiten der Regierungen in Washington und in Jerusalem, mit dem Ziel, die Achse des Bösen in Richtung Teheran und Damaskus auszuweiten. Syrien und Iran sind ja seit dem irakisch-iranischen Krieg 1980/88 eng miteinander verbündet und beide Länder sind den Regierungen in den USA und in Israel ein Dorn im Auge, insofern wird die Kritik an Syrien auch massiv überbewertet, mit dem Ziel, das Land an den Pranger zu stellen, um es massiv unter Druck zu setzten.
Spengler: Man muss aber doch zugeben, dass Damaskus, also die syrische Hauptstadt, schon lange Exilsitz für palästinensische Extremisten ist.
Lüders: Ja, Damaskus ist Exilsitz für palästinensische Extremisten, Damaskus unterstützt auch die libanesischen Hisbollah-Miliz, die in den USA, wie auch in Israel, nicht aber in der Europäischen Union als Terrororganisation gesehen wird. Aber warum macht Syrien das? Das ist im Grunde genommen nichts weiter, als ein Verhandlungspoker. Das klare Angebot lautet: "Wir sind bereit, eine Friedenslösung mit Israel zu finden. Solange es aber nicht passiert, solange wir nicht miteinander verhandeln, ist dieses das Druckmittel, das wir benutzen, um auf die Amerikaner und auf die Israelis Druck auszuüben", so die syrische Logik.
Spengler: Nun scheint sich aber das Blatt gewendet zu haben und Syrien hat nicht mehr die besten Karten, oder?
Lüders: In der Tat. Man muss, um das zu verstehen, einen Blick auf das syrische Regime werfen. Es gibt sehr starke Geheimdienste und es gibt ein sehr starkes Militär und es gibt eine politische Klasse, angeführt von Bashar al-Assad, dem Präsidenten, der im Grunde genommen ein gemäßigter Politiker ist und Reformen will, aber sich nur ganz schwer durchsetzen kann gegen die Hardliner im eigenen Lager, die vor allem deswegen Angst haben vor einem Friedensschluss mit Israel, weil sie dann wissen, dass ihre Rolle als Militär in der syrischen Gesellschaft zurückgeworfen wird. Und deswegen setzten sie den Präsidenten unter Druck. Es gibt sogar viele Beobachter, die sagen, diese Geheimdienstkreise waren es, die den Anschlag auf Rafik Hariri im Libanon verübt haben, damit der Präsident Bashar al-Assad keinerlei Verhandlungsmöglichkeiten mehr hat, sei es mit Israel, sei es mit den USA.
Spengler: Kann denn nun angesichts dieses innenpolitischen Machtkampfes, der von uns ja nicht so gut erkennbar ist, kann es denn nun realistisch sein, dass Syrien seine 14.000 Soldaten aus dem Libanon abzieht?
Lüders: Ich bin davon überzeugt, dass Syrien über kurz oder lang seine Soldaten abziehen wird, weil es gar keine andere Wahl hat. Allerdings muss die syrische Regierung versuchen, ihr Gesicht zu wahren und sie wird sicherlich nicht einen Rückzug innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate anstreben, aber es ist nicht unrealistisch, sich vorzustellen, dass bis Ende diesen Jahres ein solcher Rückzug erfolgt, denn die libanesische Empörung über die Ermordung von Rafik Hariri ist viel zu groß und gleichzeitig weiß Bashar al-Assad, dass er dem geballtem Druck der Amerikaner, der Israelis, der europäischen Union in dieser Frage - auch ganz eindeutig: Auch sie fordern einen Rückzug Syriens - wie auch der Vereinten Nationen - auf Dauer nicht wiederstehen kann. Der Rückzug wird kommen, nur der Zeitpunkt ist gegenwärtig noch offen.
Spengler: Und wie Sie schon angedeutet haben, der Mord an Hariri, da könnten zumindest Teile des syrischen Establishments dahinter stecken?
Lüders: Es gibt bisher noch keine verwertbaren Indizien für den Anschlag, aber nichts desto trotz, die stärkste Geheimdienstmacht im Libanon ist die syrische und man muss wohl davon ausgehen, dass es hier realistischerweise Spuren in Richtung Syrien gibt. Aber ich glaube nicht, dass der Präsident Bashar al-Assad selber oder seine unmittelbare politische Umgebung den Anschlag in Auftrag gegeben hat, weil das politischer Selbstmord wäre für das syrische Regime. Denkbar ist, dass es Geheimdienstmitarbeiter waren, die auf diese Art und Weise die Regierung unter Druck setzen, auf dass sie keinerlei Reformen mehr anstrebt im Inneren mit dem Ziel die Allgewalt der Militärs in Syrien zurückzudrängen.
Spengler: Was ist von dem Vorwurf der Amerikaner zu halten - und jetzt kommen wir noch auf den Irak - dass Syrien die Grenze zum Irak nicht dicht genug macht?
Lüders: Dieser Vorwurf ist in der Sache kaum gerechtfertig. Zunächst einmal ist es sehr schwierig, die über tausend Kilometer lange Grenze des Irak zu sichern und es trifft immer wieder Syrien der Vorwurf, man würde nicht genug tun, aber der selbe Vorwurf müsste eigentlich auch Jordanien und Saudi-Arabien gelten, nur sind diese beiden Länder halt Verbündete der Amerikaner. Also schlägt man auf Syrien ein, aber Syrien kontrolliert die Grenze, wie zumindest europäische Botschafter in Damaskus bestätigen, durchaus mit Nachdruck. Nichts desto trotz, es gibt einzelne Syrer, die sich dem Widerstand und dem Terror im Irak anschließen. Das tun aber auch Jordanier und Saudis. Also dieses ist ein Beispiel dafür, dass Syrien doch sehr exemplarisch herausgepickt wird, um es an den Pranger zu stellen, mit dem Ziel, diesen Schurkenstaat, aus amerikanischer Sicht, nun sozusagen politisch in die Mangel zu nehmen und nach Möglichkeit zu erdrücken, wenn man so will.
Lüders: Ich glaube, man muss hier unterscheiden. Es gibt viele Gründe, sachliche Gründe, die syrische Politik in der Region zu kritisieren, aber wir erleben gleichzeitig eine zunehmende Dämonisierung Syriens von Seiten der Regierungen in Washington und in Jerusalem, mit dem Ziel, die Achse des Bösen in Richtung Teheran und Damaskus auszuweiten. Syrien und Iran sind ja seit dem irakisch-iranischen Krieg 1980/88 eng miteinander verbündet und beide Länder sind den Regierungen in den USA und in Israel ein Dorn im Auge, insofern wird die Kritik an Syrien auch massiv überbewertet, mit dem Ziel, das Land an den Pranger zu stellen, um es massiv unter Druck zu setzten.
Spengler: Man muss aber doch zugeben, dass Damaskus, also die syrische Hauptstadt, schon lange Exilsitz für palästinensische Extremisten ist.
Lüders: Ja, Damaskus ist Exilsitz für palästinensische Extremisten, Damaskus unterstützt auch die libanesischen Hisbollah-Miliz, die in den USA, wie auch in Israel, nicht aber in der Europäischen Union als Terrororganisation gesehen wird. Aber warum macht Syrien das? Das ist im Grunde genommen nichts weiter, als ein Verhandlungspoker. Das klare Angebot lautet: "Wir sind bereit, eine Friedenslösung mit Israel zu finden. Solange es aber nicht passiert, solange wir nicht miteinander verhandeln, ist dieses das Druckmittel, das wir benutzen, um auf die Amerikaner und auf die Israelis Druck auszuüben", so die syrische Logik.
Spengler: Nun scheint sich aber das Blatt gewendet zu haben und Syrien hat nicht mehr die besten Karten, oder?
Lüders: In der Tat. Man muss, um das zu verstehen, einen Blick auf das syrische Regime werfen. Es gibt sehr starke Geheimdienste und es gibt ein sehr starkes Militär und es gibt eine politische Klasse, angeführt von Bashar al-Assad, dem Präsidenten, der im Grunde genommen ein gemäßigter Politiker ist und Reformen will, aber sich nur ganz schwer durchsetzen kann gegen die Hardliner im eigenen Lager, die vor allem deswegen Angst haben vor einem Friedensschluss mit Israel, weil sie dann wissen, dass ihre Rolle als Militär in der syrischen Gesellschaft zurückgeworfen wird. Und deswegen setzten sie den Präsidenten unter Druck. Es gibt sogar viele Beobachter, die sagen, diese Geheimdienstkreise waren es, die den Anschlag auf Rafik Hariri im Libanon verübt haben, damit der Präsident Bashar al-Assad keinerlei Verhandlungsmöglichkeiten mehr hat, sei es mit Israel, sei es mit den USA.
Spengler: Kann denn nun angesichts dieses innenpolitischen Machtkampfes, der von uns ja nicht so gut erkennbar ist, kann es denn nun realistisch sein, dass Syrien seine 14.000 Soldaten aus dem Libanon abzieht?
Lüders: Ich bin davon überzeugt, dass Syrien über kurz oder lang seine Soldaten abziehen wird, weil es gar keine andere Wahl hat. Allerdings muss die syrische Regierung versuchen, ihr Gesicht zu wahren und sie wird sicherlich nicht einen Rückzug innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate anstreben, aber es ist nicht unrealistisch, sich vorzustellen, dass bis Ende diesen Jahres ein solcher Rückzug erfolgt, denn die libanesische Empörung über die Ermordung von Rafik Hariri ist viel zu groß und gleichzeitig weiß Bashar al-Assad, dass er dem geballtem Druck der Amerikaner, der Israelis, der europäischen Union in dieser Frage - auch ganz eindeutig: Auch sie fordern einen Rückzug Syriens - wie auch der Vereinten Nationen - auf Dauer nicht wiederstehen kann. Der Rückzug wird kommen, nur der Zeitpunkt ist gegenwärtig noch offen.
Spengler: Und wie Sie schon angedeutet haben, der Mord an Hariri, da könnten zumindest Teile des syrischen Establishments dahinter stecken?
Lüders: Es gibt bisher noch keine verwertbaren Indizien für den Anschlag, aber nichts desto trotz, die stärkste Geheimdienstmacht im Libanon ist die syrische und man muss wohl davon ausgehen, dass es hier realistischerweise Spuren in Richtung Syrien gibt. Aber ich glaube nicht, dass der Präsident Bashar al-Assad selber oder seine unmittelbare politische Umgebung den Anschlag in Auftrag gegeben hat, weil das politischer Selbstmord wäre für das syrische Regime. Denkbar ist, dass es Geheimdienstmitarbeiter waren, die auf diese Art und Weise die Regierung unter Druck setzen, auf dass sie keinerlei Reformen mehr anstrebt im Inneren mit dem Ziel die Allgewalt der Militärs in Syrien zurückzudrängen.
Spengler: Was ist von dem Vorwurf der Amerikaner zu halten - und jetzt kommen wir noch auf den Irak - dass Syrien die Grenze zum Irak nicht dicht genug macht?
Lüders: Dieser Vorwurf ist in der Sache kaum gerechtfertig. Zunächst einmal ist es sehr schwierig, die über tausend Kilometer lange Grenze des Irak zu sichern und es trifft immer wieder Syrien der Vorwurf, man würde nicht genug tun, aber der selbe Vorwurf müsste eigentlich auch Jordanien und Saudi-Arabien gelten, nur sind diese beiden Länder halt Verbündete der Amerikaner. Also schlägt man auf Syrien ein, aber Syrien kontrolliert die Grenze, wie zumindest europäische Botschafter in Damaskus bestätigen, durchaus mit Nachdruck. Nichts desto trotz, es gibt einzelne Syrer, die sich dem Widerstand und dem Terror im Irak anschließen. Das tun aber auch Jordanier und Saudis. Also dieses ist ein Beispiel dafür, dass Syrien doch sehr exemplarisch herausgepickt wird, um es an den Pranger zu stellen, mit dem Ziel, diesen Schurkenstaat, aus amerikanischer Sicht, nun sozusagen politisch in die Mangel zu nehmen und nach Möglichkeit zu erdrücken, wenn man so will.