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Nahost-Friedensvideo
Viel Lärm um nichts?

"To Our Countries", "Für unsere Länder" haben die zwei seit 2003 in Schweden lebenden syrischen Schwestern Faia und Rihan Younan ihr Youtube-Musikvideo genannt, das eine Friedensbotschaft für den Nahen Osten sein soll. Viele westliche Medien reagierten begeistert. Ganz anders in der arabischen Welt.

Von Martina Sabra | 05.11.2014
    Das Logo des Videoportals YouTube ist auf einem i-Phone zu sehen, aufgenommen am 23.08.2012 in Berlin.
    Erfolg bei Youtube: Das Lied "To Our Countries" (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Ist es die Sehnsucht nach Frieden? Oder ist es das selbstbewusste Auftreten der beiden gut aussehenden jungen Frauen? Was "Spiegel online", "taz" und andere Leitmedien zu den Lobhudeleien motiviert haben mag, darüber kann man nur spekulieren. Tatsache ist: inhaltlich gibt dieses Youtube-Filmchen nichts her, über das zu berichten sich lohnte.
    Faia Younan - blaues Kleid, V-Ausschnitt – schmettert bekannte Lieder der mittlerweile fast 80-jährigen libanesischen Diva Fairuz. Das tun viele arabische junge Frauen jeden Tag, allerdings oft wesentlich gekonnter, und ohne dass es einen Medienhype auslöst.
    Rihan Younan - blaues Kleid, runder Ausschnitt – präsentiert Selbstverfasstes zum Thema Krieg im Nahen Osten. Der feierliche Sprechduktus soll poetische Tiefe andeuten, kann aber über die schiefen Bilder und die hohlen Phrasen nicht hinwegtäuschen.
    "Unlogischer Krieg" in Syrien
    Seit über drei Jahren tobe in Syrien "ein unlogischer Krieg", deklamiert Rihan Younan mit bedeutungsschwerem Augenaufschlag. Aha. Gibt es einen "logischen" Krieg? Und weiter im Text:
    "Ein Krieg, der nie erfuhr, wann er begonnen hatte, und der von seinem eigenen Ende träumte". Genau! Der Krieg, der aus dem Nichts kam. Wie sollte man auch auf die Idee kommen, dass für den Massenmord an der syrischen Zivilbevölkerung außer den fiesen Dschihadisten noch jemand anders verantwortlich sein könnte? Womöglich das Assad-Regime, das vor mittlerweile fast vier Jahren eine anfangs friedliche Revolution zusammenschießen ließ und das seither behauptet, alle Oppositionellen seien Terroristen?
    Die implizite Analyse und die verschwurbelte Wortwahl der Sprechtexte von Rihan Younan erinnern fatal an die Rhetorik, mit der der syrische Staatspräsident Baschar al-Assad gelegentlich die arabophone Öffentlichkeit martert. Nach dem Syrien-Kapitel handelt Rihan Younan nicht minder einseitig und verlogen die Konflikte im Irak, im Libanon und in Palästina ab.
    Bärtige Männer als Frauen
    Oppositionelle syrische Aktivisten im Exil rücken das vermeintliche Friedensvideo noch deutlicher in die Nähe der Pro-Assad-Propaganda. Die in Istanbul ansässige Gruppe Firqat Khutba Al Fanniya hat ein satirisches Gegenvideo gedreht, das in der aktuellen Fassung seit dem 22. Oktober 2014 auf Youtube steht und das seinerseits ebenfalls bereits weit über 100.000 Mal angeklickt worden ist. In der Parodie stellen zwei bärtige männliche Schauspieler die Frauen nach – in allen Details, mit Langhaarperücken, grellrot geschminkten Lippen und treuherzig-naivem Augenaufschlag. Sogar die wehenden Haarsträhnen stimmen.
    "Syrien. Agenten ausländischer Mächte zogen aus, um unser Land zu verbrennen und zu zerstören", deklamiert der eine.
    "Sie brannten alles nieder", lamentiert der andere herzzerreißend. "Die Kolonialmächte unterstützten sie. Sie säten Furcht in den Herzen der Unschuldigen. Unser Führer Doktor Bashar Hafez al-Assad versprach ihnen Reformen und freies Geleit. Doch sie setzten ihren Terror fort und zwangen ihn zu Dingen, für die er nichts konnte."
    Bislang gibt es keine stichhaltigen Belege, dass die beiden Schwestern die Assad-Diktatur unterstützen oder gar die Gräuel des Regimes gut heißen. Faia und Rihan Younan haben auf entsprechende Interviewfragen geantwortet, dass sie sich auf eine Debatte über das Thema nicht einlassen wollen.