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Nahost-Initiative der G-8-Staaten stößt auf Misstrauen

Heinlein: Und über die Nahostinitiative der Amerikaner will ich jetzt reden mit dem Politikwissenschaftler Amre Hamzawy von der Universität Kairo. Guten Morgen Herr Hamzawy.

    Hamzawy: Guten Morgen nach Köln.

    Heinlein: Herr Hamzawy, Hosny Mubarak, Ihr Präsident, hat die Einladung zum G-8-Gipfel ausgeschlagen. Warum verweigert sich Ägypten dem Dialog mit dem Westen?

    Hamzawy: Es gibt mehrere Gründe, weshalb Ägypten an dem Gipfeltreffen nicht teilnehmen wollte. Das ist vor allem einerseits, die Ägypter haben den Eindruck, dass die Nahost-Initiative der Amerikaner, die Greater Middle East, oder nun in der neuen Variante der Broader Middle East, dass diese Initiative darauf beruht, dass vorhandene Modalitäten im arabischen Raum, das heißt die Arabische Liga oder andere organisatorische Rahmen, im Grunde genommen überwunden werden für eine neue Region, für eine neue regionale Initiative, mit der die arabischen Länder wenig anfangen können.

    Heinlein: Ja, halten Sie das Misstrauen der arabischen Staaten, Ihrer Regierung, Saudi Arabien und Ägypten für berechtigt?

    Hamzawy: Ich glaube, es ist teilweise in der Tat verständlich, weil die Art und Weise, wie die amerikanische Initiative angekündigt wurde, vor mehreren Monaten inzwischen, im Grunde genommen nicht nach Konsultation mit arabischen Länder war, sondern das wurde ihnen vorgeschlagen, als ob man den arabischen Ländern Reformen von außen aufoktroyieren wollte und das kam sicherlich schlecht an. Das heißt, im Moment haben wir vielmehr so ein Spannungsfeld zwischen Reformen von innen oder Reformen von außen. Und da neigen Ägypten und Saudi Arabien dazu zu sagen, nein wir schaffen das allein, wir brauchen keine Hilfe von außen und schon gar nicht nach einem Blueprint aus den USA.

    Heinlein: Dennoch, Herr Hamzawy, ohne den Impuls von außen kommen die Reformen ja nicht in Gang. Seit Jahren stagniert der von Ihnen angesprochene Reformprozess in Ägypten und anderen arabischen Ländern.

    Hamzawy: Ja, in der Tat ist es so, deshalb habe ich auch gesagt Spannungsfeld, die Regierungen vor allem reagieren so, dass sie sagen, nein nationale Souveränität, wir wollen keine Interventionen von außen. Tatsache ist aber, dass die Amerikaner und die Europäer seit mehreren Jahren versuchen, arabische Staaten, arabische Regierungen unter Druck zu setzen, um ein bisschen mehr zu liberalisieren, zu demokratisieren vor allem. Es ist wichtig, dass Impulse von außen kommen, man muss aber zuschauen wie es den arabischen Herrschern vermittelt wird und wie es auch den arabischen Intellektuellen und Oppositionellen vermittelt wird. Niemand wird zu einem Blueprint aus dem Westen ja und amen sagen.

    Heinlein: Warum gelingt es denn nicht den arabischen Gesellschaften von innen heraus Reformen anzugehen?

    Hamzawy: Es gibt mehrere Reformansätze im arabischen Raum. Wir müssen da etwas differenzierter mit der Beurteilung der arabischen Welt umgehen. Es gibt mehrere Reformansätze, es gibt gute Beispiele, sei es Marokko in bestimmten Bereichen, Katar oder Tunesien, selbst Ägypten in anderen. Man muss etwas differenzierter umgehen, und schauen, was erreicht wurde. Tatsache ist aber, da haben Sie recht, es gibt ein Dilemma, ein Demokratisierungsdilemma im arabischen Raum und dieses Demokratisierungsdilemma hat unterschiedliche Gründe, kulturell wie soziökonomisch, wie es handelt sich um arme Länder weitgehend mit einer minimalen Relevanz für die Mittelschichten, die im Grunde genommen immer Demokratie und Demokratisierungsprozesse unterstützen. Es gibt mehrere Gründe, ich würde aber auf gar keinen Fall, das was im Westen auch sehr häufig diskutiert wird, den arabisch-israelischen Konflikt als Grund für die nicht vorhandene Demokratisierung als Grund ernsthaft in den Vordergrund stellen. Das ist vielmehr ein ideologisches Instrument in den Händen arabischer Herrscher.

    Heinlein: Wo sehen Sie denn die Hauptdefizite in der politischen Kultur Ihres Landes, was muss sich ändern, ganz konkret?

    Hamzawy: Die politische Kultur in den meisten arabischen Ländern ist eine auf der einen Seite, eine staatliche orientierte politische Kultur. Das heißt, man hofft immer noch auf den Nationalstaat man hofft, wenn es sogar reduziert wird auf den befreienden Helden, egal ob der Präsident oder König ist. Das auf der einen Seite, auf der anderen Seite ist die politische Kultur der meisten arabischen Länder immer noch wenig globalistisch und wenig konsensorientiert. Also wir brauchen eine globalistische Orientierung, wir brauchen konsensbildende Maßnahmen, um Demokratie einzuleiten. Und das ist im Moment in den meisten arabischen Ländern aufgrund der historischen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten nicht vorhanden. Das sind die zwei Hauptdefizite, die ich in den Vordergrund stellen würde.

    Heinlein: Welche Rolle, Herr Hamzawy, spielt die Religion, passt das zusammen, Islam und Demokratie, eine offene Gesellschaft?

    Hamzawy: Der Islam ist genau wie jede andere Religion offen für unterschiedliche Interpretationen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche und politische Relevanz. Das heißt, aus meiner Sicht stellt sich die Frage der Kompatibilität von Islam und Demokratie nicht unbedingt. Der Islam lässt sich unterschiedlich interpretieren. Vielmehr geht es darum, dass es andere kulturelle Defizite gibt und viel wichtiger ist, dass die Agenten der Demokratisierung selbst, die sozialen Kräfte, die Demokratisierung in den Vordergrund und in die Wege leiten könnten, entweder nicht vorhanden sind in einigen Ländern oder sehr schwach oder marginalisiert sind in anderen. Es handelt sicht um herrschende Eliten, die Demokratisierungsprozesse im Großen und Ganzen ernsthaft blockieren. Und es gibt keine anderen Agenten.

    Heinlein: Abschließend die Frage, glauben Sie, dass diese von den USA angeschobene Reforminitiative zumindest dazu führen wird, dass in Ägypten die Notstandsgesetze mit denen Hosny Mubarak ja seit Jahrzehnten regiert, abgeschafft werden?

    Hamzawy: Nein, es gibt einen internen Druck auf den Präsidenten, auf die Regierung, die Notstandsgesetze abzuschaffen. Der externe Druck wird in der Hinsicht wenig bringen. Es wurde spekuliert vor mehreren Wochen, dass sie abgeschafft werden, er hat sich bis jetzt nicht dazu entschließen können. Aber ich glaube, das kommt bald. Aber das ist der interne Druck selbst auch von der regierenden Partei, von der Reformergruppe um den Sohn des Präsidenten und von anderen oppositionellen Kräften. Der externe Druck ist da in der Hinsicht nicht so relevant. Er reagiert mehr auf internen Druck oder versucht immer den Eindruck nicht nach außen zu vermitteln, dass er auf Bitten der Amerikaner dies oder jenes tun würde.

    Heinlein: Spielen da auch innenpolitische Motive eine Rolle? Hat Mubarak Angst, vor der eigenen Bevölkerung, dass er zu proamerikanisch angesehen wird?

    Hamzawy: Doch, das auf jeden Fall. Und vor allem angesichts der regionalen Lage. Wissen Sie, wir haben immer noch ein Irak, das bei weitem nicht befriedet ist, wir haben auch ein Palästina, Israel, wo jeden Tag Anschläge zu vermelden sind. Da kann Mubarak sich das im Moment nicht leisten.

    Heinlein: Heute Morgen hier im Deutschlandfunk war das hier der ägyptische Politikwissenschaftler Amre Hamzawy. Herr Hamzawy, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Kairo.