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Nahost-Konflikt
"Ein palästinensischer Staat ist die einzige Garantie für Frieden"

Der einzige Weg für ein Ende des Nahost-Konflikts ist nach Auffassung des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn eine Zwei-Staaten-Lösung. Die internationale Gemeinschaft könne Israel nicht zwingen, dem zuzustimmen, sagte Asselborn im DLF. Man könne aber gemeinsam mit gleichgesinnten Partnern Druck aufbauen, um beide Partner wieder an den Verhandlungstisch zu bringen.

Jean Asselborn im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 16.01.2017
    Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn während eines Treffens mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in Moskau.
    Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn (picture alliance / dpa - Sergey Pyatakov)
    Ein palästinensischer Staat sei sowohl in politischer als auch in demografischer Hinsicht die einzige Lösung, sagte Asselborn. Jedes Volk habe das Recht auf einen Staat. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Resolution, die am 23. Dezember im UNO-Sicherheitsrat verabschiedet wurde. Darin wird unter anderem ein Baustopp jüdischer Siedlungen gefordert. Dazu erklärte Asselborn, es handle sich keineswegs um eine anti-israelische Resolution. Sie wolle vielmehr dabei helfen, auf Basis lange bestehender Parameter eine Zwei-Staaten-Lösung auszuhandeln. Aus seiner Sicht sei dies die einzig denkbare Lösung.
    Asselborn übte zudem Kritik an den "Provokationen" der designierten US-Regierung unter Donald Trump. Mit Signalen wie einer möglichen Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem stifte man großen Unfrieden. Er sei überzeugt, dass Trump nicht alles umsetzen werde, was er im Wahlkampf angekündigt habe. Es sei eine Illusion zu glauben, dass der Nahe Osten ohne die Lösung dieses Konflikts Stabilität finde.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Tobias Armbrüster: Gestern in Paris - Vertreter aus 70 Staaten treffen sich, um über den Nahost-Konflikt zu beraten. Mit am Tisch unter anderem der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und seine Kollegen aus Frankreich und den USA. Vertreter aus Israel sind nicht dabei bei diesem Treffen, auch die palästinensische Seite nicht vertreten. Die Runde, die dann da zusammensitzt, die sieht vor allem ein Problem im Nahen Osten, und das heißt Donald Trump.
    - Am Telefon ist jetzt der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn. Er war gestern ebenfalls mit dabei in Paris. Schönen guten Morgen, Herr Asselborn.
    Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Asselborn, Donald Trump sitzt noch nicht im Weißen Haus, aber er wird schon jetzt für seine Nahost-Politik kritisiert. Warum?
    Asselborn: Man muss natürlich abwarten, was nach dem 20. Januar Wirklichkeit wird. Aber ich glaube, dass die Reaktion der amerikanischen Seite nach dem 23. Dezember, als diese Resolution 2334 angenommen wurde im Weltsicherheitsrat, etwas, sagen wir mal, jedenfalls merkwürdig war.
    Armbrüster: Das war die Resolution, die den Siedlungsbau kritisiert und als illegal erklärt hat.
    Asselborn: Richtig, ja. Erstens und zweitens dann auch die Parameter fixiert hat. Das heißt, Jerusalem soll Hauptstadt werden der zwei Länder, von Israel und Palästina. Und natürlich auch die Grenzen von '67.
    Es ist auch befremdend, dass man aus den USA hört, dass die Republikanische Partei, wenn diese Resolution nicht verschwinden würde, eigentlich den Plan hat, alle Finanzmittel, die bezahlen sind aus amerikanischer Sicht an die UNO, einfrieren soll. Das heißt, dass die UNO eigentlich nicht mehr fähig ist, zu existieren. Das sind schon, sagen wir mal, Reaktionen, die befremdend sind für eine internationale Gemeinschaft, wo wir aber alle wissen, dass es eine Illusion ist, dass der Nahe Osten Stabilität findet ohne Lösung dieses Konfliktes.
    Armbrüster: Was genau ist daran so befremdlich? Ich meine, dass die USA sehr eng mit Israel verbunden sind, das ist nichts Neues. Das war auch unter Barack Obama im Grunde nichts anderes, auch, wenn wir von ihm manchmal etwas kritischere Worte gehört haben.
    Asselborn: Ja. Ich glaube, dass die Europäische Union selbstverständlich auch mit Israel verbunden ist. Das ist ja nicht das Problem. Das Problem, dem wir in die Augen schauen müssen, ist: Beim Status quo, das heißt, wenn sich nichts ändert, wenn vor allem die Siedlungspolitik - und das ist ja das große Problem -, wenn die Siedlungspolitik sich weiterentwickelt, dass Israel Teile von der Westbank, immer mehr große Teile und dann auch Ost-Jerusalem als Heiliges Land erklärt. Und es ist ein Plan, der daraus besteht, 1500 neue Siedlungen zu bauen. Dann wird physisch eine Zwei-Staaten-Lösung unmöglich. Und ich glaube, hier muss man doch wissen, wenn es ein Ziel gibt, dann ist das die Zwei-Staaten-Lösung realisieren. Die kann nicht die internationale Gemeinschaft realisieren, aber die internationale Gemeinschaft kann Druck machen, zusammen mit der UNO, zusammen mit den Freunden Israels und den Freunden Palästinas, den Freunden des Friedens, würde ich sagen, dass beide Seiten sich an einen Tisch setzen und eine Lösung finden, einen Friedensvertrag ausarbeiten. Das ist ja auch die einzige Garantie, politische wie auch demografische Garantie für Frieden in Israel, dass es einen palästinensischen Staat gibt, denn jedes Volk hat ein Recht auf einen Staat.
    Armbrüster: Jetzt ist, Herr Asselborn, diese Zwei-Staaten-Lösung bald 25 Jahre alt, ein viertel Jahrhundert. Sie wurde aber nie auch nur ansatzweise verwirklicht. Ist es nicht an der Zeit, sich von dieser Idee zu verabschieden?
    Asselborn: Ich gebe Ihnen nicht ganz Recht, Herr Armbrüster. Wir waren 2007 - ich glaube, daran können Sie sich erinnern - sehr, sehr nahe dran, sehr nahe dran.
    Armbrüster: Es gab immer mal wieder Punkte, wo man nahe dran war, aber letztendlich fehlt der Willen. Deshalb noch mal meine Frage: Sollte man nicht dann vielleicht eine neue Idee entwickeln, anstatt an dieser alten Idee festzuhalten?
    "Resolution kann nicht einfach wieder weggeschmissen werden"
    Asselborn: Nein. Wir haben diese Resolution 2334 jetzt des Sicherheitsrates. Die sagt ganz klar, dass es internationales Recht geworden ist. Eine Resolution, die angenommen wurde, kann man nicht einfach wieder wegschmeißen. Hier steht genau drin, dass die Siedlungspolitik aufhören muss und dass die Zwei-Staaten-Lösung die einzige Alternative ist. Ich sehe keine andere. Ich weiß, dass es viele junge Menschen in Palästina gibt und auch in Israel, die träumen von einem Staat. Aber realistisch gesehen könnte das ja auch kein Apartheidsstaat sein. Es könnte ja nur ein Staat sein, wo dann jeder Mensch dieselben Rechte hätte. Und Sie wissen, dass seit ein paar Jahren ein zusätzliches Kriterium dazu kam auf israelischer Seite, es soll in Israel einen jüdischen Staat geben. Wir wissen aber, dass 20 Prozent der Bevölkerung in Israel keine Juden sind, sondern Araber sind. Und wenn man abschwenkt von dieser Zwei-Staaten-Lösung - das ist jedenfalls meine Meinung, das ist die Meinung von den aller-, allermeisten, die gestern auch in Paris waren -, das führt zu nichts. Ich glaube, dass Israel, in Israel auch eine israelische Regierung unter Netanjahu einsehen muss, dass doch die Basis geschaffen wurde. Diese Resolution ist da, die internationale Gemeinschaft will helfen. Diese Resolution ist nicht antiisraelisch. Sie will helfen, dass beide Seiten an einen Tisch kommen und auf Basis der Parameter, die schon lange bestehen, eine Zwei-Staaten-Lösung dann aushandeln.
    Armbrüster: Benjamin Netanjahu sagt, dieses Treffen in Paris gestern, bei dem Sie dabei waren, das waren, so wörtlich, "die letzten Zuckungen der Welt von gestern". Zitat Ende. Glauben Sie tatsächlich, dass Sie mit solchen Treffen ohne Teilnehmer aus Israel oder Palästina irgendetwas an den Zuständen ändern können? Oder besser anders gefragt: Sorgen solche Ratschläge von außen nicht viel mehr für eine Verhärtung der Fronten?
    Asselborn: Herr Armbrüster, es sind keine Ratschläge. Es ist internationales Recht, was wir voranbringen wollen. Und wer ist Sie? Sie ist die internationale Gemeinschaft. Sie können doch nicht sagen, dass 70 Länder und Organisationen sich in Paris gesehen haben, um Israel zu schaden. Das ist es ja nicht. Ich weiß auch, dass Herr Netanjahu gesagt hat, der Morgen wird anders aussehen, aber wie wird der Übermorgen aussehen, wenn nichts geschieht? Und das Risiko der totalen Destabilisierung ist doch eminent. Und darum auch diese Botschaften, die dann kommen aus den USA, wir lassen die Botschaft nicht in Tel Aviv, wir setzen die nach Jerusalem. Was das für eine Provokation ist. Ich bin überzeugt, dass sehr schnell auch die Administration Trump einsieht, dass hier mit solchen Einstellungen, dass man da eigentlich sehr, sehr großen Unfrieden stiftet. Und auch, glaube ich, den jungen Menschen in Palästina, wo viele dabei sind, die Frieden wollen, auch die Wiedervereinigung, sagen wir mal, diese Spaltung, die in Palästina ist, zwischen Hamas und Fatah und so weiter, dass das absolut sich steigern wird. Und nur noch Unfrieden da gesät wird. Und das, glaube ich, ist etwas, was nicht im Interesse der Amerikaner sein kann.
    Armbrüster: Ganz kurz noch, Herr Asselborn, mit Bitte um kurze Antwort. 30 Sekunden haben wir ungefähr noch. Glauben Sie tatsächlich, dass Trump sich ändern wird, zumindest im Blick auf den Nahen Osten?
    Asselborn: Trump wird sich, glaube ich, ich bin nur ein kleiner Luxemburger, aber in vielen Sachen, die er bis jetzt gesagt hat, ändern. Es wird keine Mauer kommen zu Mexiko. Es wird, glaube ich, auch die NATO nicht in Fetzen fliegen. Und ich bin auch überzeugt, dass die Konferenz aus Paris, auch die große Klimakonferenz aus Paris, dass das von den Amerikanern und der Administration Trump nicht zerstört werden wird. Sie sehen ja, dass die Minister, die im Senat auftreten, sehr viele andere Positionen beziehen als Trump selber.
    Armbrüster: Ein optimistischer Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen.
    Asselborn: Bitte, Herr Armbrüster.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.