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Nahost
Was im Gaza-Streifen am dringendsten benötigt wird

In den palästinensischen Gebieten leiden die Menschen trotz der Waffenruhe zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas an Unterversorgung. Wasser, Lebensmittel und Medikamente werden dringend benötigt. Hilfsorganisationen fordern einen humanitären Korridor.

Von Torsten Teichmann | 12.09.2014
    Ein Mädchen läuft über die Trümmer eines zerstörten Hauses.
    Die Menschen in Gaza leben in Trümmern und sind auf Hilfe angewiesen (AFP / Roberto Schmidt)
    Abu Samra zieht eine alte Schulbank in den Flur eines Hochhauses in Gaza-Stadt, außerdem vier Stühle und einen Aufsteller. Darauf steht: Morgendämmerung. Gesellschaft für Hilfe und Entwicklung. Draußen dröhnt ein Generator.
    Gegenüber an der Wand stellt Abu Samra einzelne weiße Säcke auf. Spenden aus Saudi Arabien. Die einen mit Mehl gefüllt, die anderen mit Makkaroni, Reis, Zucker und Tee. Daneben liegen jeweils zwei Flaschen Öl. - Aber das sei nur ein Teil der Arbeit, versichert Abu Samra:
    47 Hilfsorganisationen in Gaza aktiv
    "Unsere Hilfe ist nicht nur auf Lebensmittel begrenzt. Wir haben im Krieg auch Flüchtlinge mit Matratzen und Betten versorgt. Wir geben auch Hilfe bei der Hygiene, verteilen Desinfektionsmittel und haben über ansteckende Krankheiten aufgeklärt."
    Abu Samras Gesellschaft wird von der französischen Organisation Secoure Islamique unterstützt. Eine von 47 Hilfsorganisationen vor Ort, die mit den Vereinten Nationen zusammengetragen haben, was im Gaza-Streifen am dringendsten benötigt wird.
    Und das geht weit über einen Sack Mehl und zwei Flaschen Öl hinaus. In Krankenhäusern werden zum Beispiel Spezialisten gesucht für die Behandlung besonders schwerer Kriegsverletzungen. Zehntausende Kinder brauchen psychologische Hilfe um Traumata zu verarbeiten.
    Im Bereich Nahrung verlangt das Papier schnelle Hilfe für die Lebensmittelproduktion in Gaza. So ist zum Beispiel die einzige industrielle Bäckerei im Krieg getroffen worden – das Werk hatte auch für Hilfsorganisationen produziert und hunderte Arbeiter beschäftigt.
    Schulen müssen repariert werden. Zehntausende Palästinenser, die ihr Haus verloren haben, brauchen Geld oder Gutscheine für Miete, damit sie die Klassenzimmer, ihre bisherige Notunterkunft verlassen.
    Humanitärer Korridor nötig
    Gesucht sind zusätzliche Tanklaster, um Trinkwasser für ganze Stadtteile und Dörfer bereit zu stellen. Hygienekits, Abwassertransport, Aufnahme von Schäden an Häusern, Schulen, Behörden und Fabriken. Der Export von Waren. Oder: Wer kann nicht explodierte Munition entschärfen?
    Doktor Khalil Abu Foul von der Gesellschaft Roter Halbmond sagt, wenn die Organisationen helfen sollen, braucht der Gaza-Streifen einen humanitären Korridor:
    "Am Warenverkehr hat sich bisher nichts geändert: Nicht einmal 300 Lastwagenladungen kommen rein am Tag. Aber schon zu normalen Zeiten war Gaza auf 1200 Lkw mit Waren angewiesen. Schätzung sagen jetzt, dass wir bei dem Ausmaß der Zerstörung durch den Krieg 4000 bis 5000 Lastwagen brauchen. Ohne Einschränkungen, auch nicht bei Zement, Kabeln und anderen Dingen für den Wiederaufbau."
    Doch dafür sind politische Entscheidungen notwendig. Die großen palästinensischen Fraktionen Hamas und Fatah aber sind zerstritten, trotz aller Versuche einer Einheitsregierung. Und Israel und auch Ägypten halten daran fest, den Zugang zum Gaza-Streifen und die Bewegungsfreiheit der Palästinenser zu kontrollieren und einzuschränken.
    "Wir neigen dazu, zu vergessen: Gaza, das Westjordanland und Ost-Jerusalem sind immer noch unter Besatzung. Und das humanitäre Völkerrecht ist ganz deutlich: Die Besatzungsmacht muss lebenswichtige Grundlagen schaffen und darf sie nicht zerstören."
    Ab Ende September wollen die Konfliktparteien in Ägypten über eine Lockerung der Blockade des Gaza-Streifens verhandeln. Allein eine Lockerung scheint kaum zu helfen, um Gaza wieder herzustellen.