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Nahverkehr in Brandenburg
Wenn der Bus nicht kommt

Umfragen zufolge zieht es vor allem junge Menschen wieder aufs Land. Aber die Infrastruktur in der Provinz lässt zu wünschen übrig. In Brandenburg kommt der Ausbau des ÖPNV nur schleppend voran.

Von Vanja Budde |
Eine leere Bushaltestelle im Grünen
Auf dem Land ist man ohne Auto oft wenig mobil (dpa / Fredrik Von Erichsen)
Ireen Beyer kommt viel rum, überall in Brandenburg. Die 17-jährige Abiturientin wohnt in Groß Machnow. Das ist ein Ortsteil der Kleinstadt Rangsdorf, im Speckgürtel südlich von Berlin. Die leidenschaftliche Reiterin fährt zu ihrem Pferd im Nachbarort, besucht Freunde und die Oma, ist für den Landesschülerrat unterwegs. Mit allem, was Räder hat: Fahrrad, Bus, Bahn. Und seit letztem Sommer auch mit Auto und Roller.
Ireen Beyer: "Die Mobilität für Jugendliche ist hier relativ anstrengend. Klar kann man relativ viel hier machen und man kommt überall hin, aber das ist mit enormen Kosten und teilweise enormem Aufwand verbunden. Man muss hier halt teilweise fünfmal umsteigen, um irgendwo hinzukommen. Und das ist, wenn man schnell irgendwo hinmöchte, sehr, sehr, sehr nervig."
Vier Kilometer bis zum nächsten Bahnhof
Zum Berliner Alexanderplatz zum Beispiel dauert es von der Bushaltestelle Groß Machnow Kirche eine Stunde und 15 Minuten und man muss drei Mal umsteigen. Zum nächsten Bahnhof sind es vier Kilometer und in der Woche nach 18 Uhr und am Wochenende fährt kein Bus mehr. Der Landkreis sagt, man arbeite dran: Allein für 2019 seien im Kreishaushalt anderthalb Millionen Euro Mehraufwand eingeplant, um den kommunalen ÖPNV zu verbessern.
Ireen nimmt all den Aufwand in Kauf: "Ich würde nicht lieber in der Stadt leben, nur weil ich da kürzere Fahrzeiten hätte, weil ich das Dorfleben sehr schätze." Trotzdem hat sie vor allem einen Wunsch: "Für Jugendliche in Brandenburg müsste mehr getan werden. Zum Beispiel müssten von der Politik die Fahrpreise reduziert werden."
3,40 Euro sind von Groß Machnow bis Berlin zu berappen, ermäßigt immer noch 2,50 Euro. Die rot-rote Landesregierung hat gerade ein vergünstigtes Jahresticket für 365 Euro für alle Azubis in Brandenburg beschlossen, doch die Schüler blieben außen vor.
Ohne Auto geht nichts
Prädikow im Landkreis Märkisch Oderland, 50 Kilometer östlich von Berlin, ist ein hübsches Örtchen: Kopfsteinpflaster auf der Dorfstraße, Schafe und Ponys lugen neugierig aus großen Gärten. Prädikow hat um die 200 Einwohner. Der Bus ins zehn Kilometer entfernte Strausberg, wo es einen S-Bahnanschluss nach Berlin gibt, fährt nur dreimal am Tag.
Martin Luge: "Also früh, Mittag, dann nachmittags, wenn die Schulkinder kommen, und das war es, Wochenende gar nicht. Und dann muss man natürlich sehen, dass man irgendwie mit dem Auto dann von A nach B kommt."
Mediengestalter und Designer Martin Luge hat an der Universität der Künste in Berlin studiert. Er war Mitte 30, als er mit seiner Frau und dem ersten Kind von Pankow raus ins Grüne nach Prädikow zog. Nach dem Blick auf den Busfahrplan war klar: Ein Auto muss her. In Berlin hatten sie keins. "Viele haben ja hier draußen zwei Autos. Wir haben gesagt: Wir müssen das mit einem Auto hinkriegen, haben uns dann mit einem Nachbarn noch zusammengetan, wo wir gesagt haben: Ja, es klappt nicht ganz, weil die Pendelei zu Berlin dann doch relativ hoch ist, wir kaufen uns zusammen ein Auto."
Der neue, 80 Seiten dicke Nahverkehrsplan des Landkreises Märkisch Oderland sieht zwar bessere Verbindungen von und nach Strausberg vor, Taktverdichtungen und Verlängerungen der Betriebszeiten in den berlinnahen Gegenden. Der Kreistag hat dafür für 2019 im Haushalt knapp zwölf Millionen Euro eingeplant.
Im Dörfchen Prädikow aber musste Martin Luge sich selber helfen, um die Kinder zur Grundschule und zur Kita nach Strausberg zu bringen. Seine Frau arbeitet an zwei Tagen in der Woche als Yogalehrerin in Berlin. "Und da können wir die Kinder aus dem Dorf dann entsprechend mitnehmen. Und so fing das an, da auch alternative Lösungen zu finden, zu sagen: Wir haben alle die gleichen Ziele, es führt im Prinzip nur eine Straße dahin, lasst uns doch irgendwie das gemeinsam organisieren."
Mit der App durch die Pampa
Martin Luge und seine Mitstreiter in Prädikow haben eine kostenlose App fürs Smartphone entwickelt: "Pampa" heißt sie und funktioniert so ähnlich wie eine Mitfahrzentrale.
"Und dann kann man Fahrten eingeben, wo man sagt: Ich möchte auf der Strecke jemand mitnehmen, Tag, Zeit, man kann einen Kommentar dazu schreiben und dann noch Zwischenstationen. Zum Beispiel von Zuhause, Kita, Schule, S-Bahn. Und diese Fahrt kann dann wiederum von anderen gefunden werden und wenn man die richtige Fahrt gefunden hat, kann man denjenigen kontaktieren."
Bislang nutzen etwa 150 Leute aus Prädikow und den Nachbardörfern die Mitfahr-App, erzählt Martin Luge. Alternative Mobilitäts-Ideen entwickeln: Für Martin Luge ist das kein mühsames Ärgernis, sondern im Gegenteil ein Beispiel für die Lebensqualität auf dem Land.
"Was seit dem Auszug aus der Stadt mir besonders auffällt, ist, dass man halt Dinge anfassen kann. Also man kann Probleme lösen. In einer Stadt ist man irgendwie schneller anonymisiert oder denkt man sich, das Problem geht einen wirklich nichts an oder man hat keine Chance, da irgendwas zu bewegen. Aber auf dem Land ist es so: Wenn man nichts macht, sieht man, dass eben nichts passiert und dann spürt man das auch direkt."