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NASA-Projektleiter: China wird Partner

Nach Auffassung des NASA-Projektleiters Jesko von Puttkamer wird es frühestens 2020 den ersten bemannten Weltraumflug zum Mars geben. Man strebe nach einer internationalen Zusammenarbeit bei diesem Projekt. Dabei könnte auch China eine Rolle spielen, so von Puttkamer.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Der Start der Mars Reconnaisance ist nun für heute vorgesehen. Wie schwerwiegend sind denn die Probleme, die eine Startverschiebung erzwangen?

    Jesko von Puttkamer: Das war an sich nur ein Zeitproblem. Einer der Treibstofffüllsensoren an der Zentaurstufe, das ist die dritte Stufe der Atlasrakete, hat unrichtige Werte gezeigt, aber die zur Verfügung stehende Zeit vor Schließung des Startfensters hat nicht mehr ausgereicht, um das noch zu untersuchen, deswegen haben wir gesagt, sicher ist sicher, verschieben wir es lieber auf den heutigen Tag. Und so wird also um 13.43 Uhr mitteleuropäische Sommerzeit das Startfenster sich öffnen und dann haben wir zwei Stunden Zeit, um MRO, wie wir das nennen, Mars Reconnaisance Orbiter, auf den Weg zu bringen.

    Remme: Wir haben in den vergangenen Tagen viel über das Shuttle und das damit verbundene Projekt ISS, der internationalen Raumstation, gesprochen, Ziel dieser Sonde ist der Mars. Was will man damit erreichen? Immerhin kostet das Projekt über 700 Millionen Dollar.

    Von Puttkamer: Der Mars ist unser Fernziel, er ist ja auch ein erklärtes offizielles Ziel der amerikanischen Raumfahrtpolitik, nachdem Präsident Bush und diese Vision for Space Exploration (VSE) gegeben hat als Auftrag, wir sollen den Mars erkunden und daraufhin arbeiten, dass eines Tages Menschen zum Mars fliegen, als Zwischenstation den Mond als Versuchsfeld benützen. Wir haben also Mond und Mars in unserem Zielfernrohr und alles, was eben mit Mars zu tun hat hinsichtlich unbemannter Erforschung, hat jetzt Priorität. Es werden also weitere Sonden kommen, die zunehmend nach Landestellen suchen, die den Mars mehr und mehr erkunden.

    Remme: Gibt es Schnittmengen oder Zusammenhänge, Synergieeffekte zwischen den Shuttleflügen und dieser Sondierung des Mars?

    Von Puttkamer: Die Shuttleflüge sind eigentlich mehr nah- und mittelfristig orientiert. Wir müssen zunächst mal die Weltraumstation ISS fertig stellen und dazu ist eben das Shuttle nötig. Die ISS als Erdumkreisende Raumstation ist ein wichtiger Zwischenschritt zum Mond und Mars, denn an Bord der ISS müssen wir die ganze Befähigung des Menschen für den lang dauernden Flug zum Mars, der ja immerhin acht Monate dauert, ausprobieren und prüfen. So ist also die ISS ein ganz, ganz wichtiger Bestandteil dieses Programms.

    Remme: Nun ist Raumfahrt selbst nach amerikanischen Maßstäben ein sündhaft teures Vergnügen. Konkurrieren denn diese beiden Missionen und Ziele um die gleichen Ressourcen?

    Von Puttkamer: Nein, eben nicht. Es ist ja, wie ich schon sagte, alles untergeordnet dem langfristigen Explorationsprogramm. Im nahfristigen ist natürlich jetzt die Priorität auf dem Shuttle und die Marserkundung wird sich deswegen mit etwas weniger begnügen müssen. Wir können uns beides leisten, das müssen wir sogar, damit wir rechtzeitig genügend Wissen über Mars akkumulieren, um dann getrost dran zu gehen, für Menschen Systeme zu entwickeln. Zum Beispiel MRO, wenn das heute startet, wird dazu da sein, die Geschichte des Wassers auf dem Mars zu erforschen. Wir wissen jetzt, dass es früher riesige Mengen von Wasser auf der Oberfläche gab und seit der Marsodysseesonde wissen wir, dass es auch noch heute große Mengen von Wassereis unter der Oberfläche gibt und nun hat MRO die Aufgabe, nicht das Vorkommen von Wasser zu erforschen, sondern die Geschichte des Vorkommens von Wasser über die Jahrmillionen hinweg durch Mineralienuntersuchung, durch eine Kamera an Bord, die die größte ist, die jemals bei Planetensonden mit geflogen ist, wo wir also Präzisionsaufnahmen der Marsoberfläche machen können ungefähr mit der Auflösung eines Esstisches, während man bisher nur ungefähr einen Schulbus hätte sehen können.

    Remme: Nicht erst nach den Risiken, die die jüngste Shuttlecrew erleben musste, wird argumentiert, die Roboter, die jetzt schon auf dem Mars sind, würden mehr und besser arbeiten, als es Menschen dort je könnten. Was sagen Sie dazu?

    Von Puttkamer: Die Leute, die so argumentieren, haben nicht die geringste Ahnung. Wenn der Marsroboter ankommt, ist er manchmal falsch kalibriert, er ist eingestellt auf das, was wir über den Mars auf der Erde wissen. Wenn ein Mensch dabei wäre, könnte der "in situ", an Ort und Stelle die Instrumente umstellen. Das ist ein großer Quatsch, den Leute verzapfen, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben. Der Mensch als Forscher muss an Ort und Stelle sein. Ferngesteuertes Forschen gibt es nicht, es ist immer fehlerhaft und es ist immer mit Fragezeichen umgeben.

    Remme: Wann wird es soweit sein mit dem bemannten Raumflug zum Mars?

    Von Puttkamer: Wir haben uns als Ziel gesetzt, dass das im übernächsten Jahrzehnt an die Reihe kommen soll, so im Jahr 2020. Wir müssen natürlich Schritt für Schritt tun und können uns natürlich kein übermächtiges Programm leisten aus finanziellen Gründen. Außerdem wollen wir natürlich internationale Zusammenarbeit und unsere internationalen Partner, die in der Raumstation ISS dabei sind, sind sich über die Teilnahme bei einem Marsprogramm noch sehr unschlüssig, Deutschland hat sogar offiziell gesagt, dass der Sinn einer Beteiligung nicht eingesehen wird.

    Remme: China wird immer wieder als wachsender Konkurrent in Sachen Raumfahrt geschildert, können Sie sich mittelfristig auch eine Zusammenarbeit mit Peking vorstellen oder ist dieses Verhältnis ausschließlich von Konkurrenz geprägt?

    Von Puttkamer: Als Konkurrenz tritt eigentlich China nur in der kommerziellen Raumfahrt allmählich nach vorne, das heißt also, der Start von Kommunikationssatteliten und solche Sachen, mit denen wir bei der NASA nichts zu tun haben. China ist allerdings sehr ehrgeizig auch auf dem bemannten Gebiet, hat also schon zwei bemannte Raumschiffe gestartet und arbeitet jetzt an einem Zweisitzer wie bei uns die Geminikapsel vor vielen Jahren. Ich begrüße das sehr, ich glaube, dass China relativ bald ein Partner werden wird, aber zunächst einmal selber das Können und Wissen und die Reputation entwickeln muss, so etwas fertig zu bringen. Dadurch stärkt China die Position nachher am Verhandlungstisch, wenn es selber gezeigt hat, dass es bemannte Raumfahrt durchführen kann. Auf die Dauer wäre das auch für China zu teuer, alleine weiterzumachen, so dass also auch da eine internationale Zusammenarbeit absolut vernünftig erscheint.

    Remme: Können Sie sich vorstellen, dass es ähnlich wie in Zeiten des Kalten Krieges, als es um den Mond ging, mit den Chinesen eine Art Wettlauf auf dem Weg zum Mars gibt?

    Von Puttkamer: Nein, das glaube ich nicht, dazu ist das Projekt zu mächtig. Wir sind auch nicht mehr in der Zeit, wo politischer Ehrgeiz, Motivationen oder Machtspiele solche großen Unternehmen motivieren könnten, die Zeiten sind längst vorbei. Wir haben das ja gezeigt durch unsere Zusammenarbeit mit Russland jetzt durch die internationale Kooperation im Weltraum, die an die Stelle der früheren Konkurrenz im Weltraum getreten ist und sich als ein viel stärkerer Motor gezeigt hat. Ich habe früher auch geglaubt, dass man im Weltraum Wettrennen oder im Wettbewerb stehen muss, um überhaupt etwas zu erreichen und dass Kooperationen nicht dieser treibende Motor sein kann, aber die Wirklichkeit hat das genaue Gegenteil gezeigt. Die Stabilität in der Entwicklung der Raumfahrt ist erst durch die internationale Zusammenarbeit dazugekommen. Wenn also ein Land mal ein, zwei Jahre kein Geld hat, können andere Länder aushelfen.