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Nassauer: EU nicht zuständig für Tabakwerbung

Das heute in Kraft tretende EU-weite Verbot von Tabakwerbung ist in Deutschland nicht nur auf Zustimmung gestoßen. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Hartmut Nassauer, erklärte, die EU habe keine Zuständigkeit für Tabakwerbung. Hier wachse sich in der EU-Kommission ein Geist der Bevormundung aus. Man könne die Menschen nicht vor allem bewahren, was gesundheitsschädlich sei.

Moderation: Burkhard Birke |
    Burkhard Birke: Einen schönen guten Morgen, Herr Nassauer!

    Hartmut Nassauer: Guten Morgen, Herr Birke!

    Birke: Herr Nassauer, sind Sie denn froh, dass das EU-weite Tabak-Werbeverbot heute in Deutschland nicht in Kraft tritt?

    Nassauer: Ja. Das hat an sich nichts mit meinem Verhältnis zu Tabak und der Werbung für Tabak zu tun, sondern mit der Frage, ob die Europäische Union sich mit so etwas befassen soll, wie mit dem Verbot von Tabak-Werbung. Und das glaube ich nicht. Und ich glaube auch nicht, dass die Europäische Union dafür eine Zuständigkeit hat. Und deswegen glaube ich, dass es ganz gut ist, dass es nicht in Kraft tritt.

    Birke: Wie ist denn Ihr Verhältnis zum Tabak?

    Nassauer: Also, ich persönlich rauche seit einem halben Jahr nicht mehr, war auch vorher kein leidenschaftlicher Raucher. Aber ich finde, dass sollte zunächst einmal jeder für sich selbst entscheiden. Und wenn es einer allgemeinen Regelung überhaupt bedarf, dann muss das Sache der Mitgliedsstaaten sein, aber nicht der Europäischen Union. Es ist wahnwitzig sich vorzustellen, dass Adenauer, de Gaspari und Monet, als sie die europäische Zusammenarbeit konzipiert haben, gedacht haben sollten, die könne einmal für ein Tabak-Werbeverbot zuständig sein.

    Birke: Ist das nur die Frage der Zuständigkeit? Oder steckt hier nicht doch versteckt auch ein bisschen Lobbyismus dahinter? Denn die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger sprechen ja von 50 Millionen Euro Verlusten im Jahr bei einem Tabak-Werbeverbot.

    Nassauer: Also, es wird bei allen diesen Fragen wirtschaftliche Konsequenzen geben, so oder so. Ich halte es für eine Frage der Subsidiarität. Ich bin davon überzeugt, dass Europa nur für solche Sachen zuständig sein soll, die in Europa besser entschieden werden, als in den Mitgliedsstaaten. Und ich vermag nicht zu erkennen, dass es ein europäischer Auftrag sei für einen Tabak-Werbeverbot einzutreten. Das kann man getrost den Mitgliedsstaaten überlassen.

    Birke: Nun argumentiert ja die EU-Kommission, die ja die Urheberin dieser Richtlinie ist, für das Tabak-Werbeverbot, dass ja der Wettbewerb im Binnenmarkt in Nachteil gezogen würde, hätte man nicht ein einheitliches Tabak-Werbeverbot.

    Nassauer: Ja, sie sagen der Wettbewerb wird dadurch gestört, dass in einigen Ländern die Werbung verboten ist und in anderen Ländern nicht. Und sie bereinigt das Problem dadurch, dass sie es überall verbietet. Und das kann nicht der Sinn einer sinnvollen Binnenmarkt-Regelung sein. Ich glaube auch nicht, dass der Wettbewerb dadurch maßgeblich beeinträchtig wird. Es geht ja immer nur um grenzüberschreitenden Wettbewerb, nur um den muss sich die EU kümmern. Und da wird es zu ertragen sein, wenn in deutschen Zeitschriften für Tabak geworben wird und in anderen nicht.

    Birke: Nun sagten Sie, man sollte das machen was Sinn macht. Macht es nicht Sinn Jugendliche vor den Nikotin-Missbrauch zu schützen, in dem man ein Werbeverbot verhängt?

    Nassauer: Ja, ganz entschieden! Darüber mag dann die Bundesrepublik Deutschland befinden, und Spanien, und Irland, und wer auch immer. Aber für einen europaweiten Auftrag sehe ich da keinen Raum.

    Birke: Sie plädieren also dafür, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland ein Tabak-Werbeverbot verhängen.

    Nassauer: Nein, dafür plädiere ich nicht. Das mag entscheiden wer will. Ich persönlich meine, dass das in erster Linie Sache der Menschen selber sein muss, darüber zu befinden. Und es muss klar gestellt sein, dass man nicht von Rauchern in der Öffentlichkeit behelligt wird, also in öffentlichen Verkehrsmittel, in öffentlichen Räumen, meinetwegen auch in Gaststätten. Aber ich glaube in den eigenen vier Wänden, muss man das selbst entscheiden. Und dann kommt da eine ganz andere Frage, Herr Birke. Wenn Tabakwaren legalerweise produziert werden, macht es dann Sinn die Werbung für legal produzierte Waren zu verbieten? Der nächste Schritt wäre ein Alkohol-Werbeverbot, oder ein Werbeverbot für schnelle Autos. Das alles hat die Kommission schon angedacht, und ich finde das ist ein falscher Weg.

    Birke: Schnelle Autos mögen zwar unfallträchtig sein. Aber Alkohol und Tabak sind ja in der Tat gesundheitsschädlich!

    Nassauer: Ja, das ist richtig. Aber wir können die Menschen nicht vor allem bewahren, was gesundheitsschädlich ist. Und ich glaube hier wächst sich in der Kommission ein Geist aus, der mehr bevormundend ist als hilfreich. Ich würde das im Prinzip immer in die Entscheidung der Menschen legen. Aber, wenn es in Deutschland, sagen wir, eine Mehrheit dafür gibt einen Tabak-Werbeverbot zu erlassen, dann wäre ich nicht dagegen. Ich plädiere jetzt nur dafür, dass die Entscheidung in den Mitgliedsstaaten bleibt.

    Birke: Nun hat die aktuelle, die rot-grüne Bundesregierung, das entsprechende Werbeverbot als Gesetz zwar verabschiedet im Kabinett. Aber die parlamentarischen Hürden sind noch nicht genommen worden. Ist das Ihrer Meinung nach System oder reichte wirklich die Zeit da nicht?

    Nassauer: Ich glaube, dass die Zeit da nicht gereicht hat. Die Regierung Schröder hat 1998 das Verfahren gegen ein Tabakwerbeverbot vor dem europäischen Gerichtshof übernommen, das die Vorgängerregierung Kohl eingeleitet hat. Also, da sehe ich eigentlich keine ideologische Hürde.

    Birke: ...sich dann aber dann doch der zweiten Richtlinie gebeugt und dagegen wieder geklagt. Wie schätzen Sie die Chancen einer erfolgreichen Klage ein?

    Nassauer: Kann ich schwer beurteilen. Vor Gericht und auf hoher See sind sie alle in Gottes Hand. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Immerhin, beim ersten Tabak-Werbeverbotsverfahren hat die Kommission erstmals vor dem europäischen Gerichtshof ein solches Verfahren verloren. Und wenn der EuGH konsequent bleibt, könnte es auch beim zweiten Mal so sein.

    Birke: Würde sich denn nach einem wahrscheinlichen Regierungswechsel die Position der Bundesrepublik irgendwie ändern?

    Nassauer: Ich glaube, dass das eher nicht der Fall sein würde. Wenn man es grundsätzlich betrachtet, im Hinblick auf Zuständigkeit und Subsidiarität wird auch im Falle eines Regierungswechsels eine unionsgeführte Regierung, denke ich, nicht anders entscheiden. Vor allem wird sie großen Wert auf die Frage der Subsidiarität legen. Und da unterstreiche ich noch mal: Ich sehe nicht, dass es eine europäische Aufgabe wäre die Werbung für Tabak zu verbieten.

    Birke: Würde denn in diesem Sinne, Herr Nassauer, die Ratifizierung der europäischen Verfassung die Kompetenzen klarer abgrenzen, gerade auf diesem Sektor auch?

    Nassauer: Ich denke ja. Denn immerhin ist in den Verträgen festgehalten, das Gesundheitsfragen im Kern Aufgaben der Mitgliedsstaaten sind. Und deswegen hoffe ich, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.

    Birke: Und wenn Sie der Gesundheitspolitiker der Nation wären, wie würden Sie entscheiden, Tabak-Werbeverbot: Ja oder Nein?

    Nassauer: Ich bin das nicht. Ich wäre eher dagegen.

    Birke: Das war Hartmut Nassauer, Sprecher der Unionsabgeordneten im Europaparlament zum Thema Tabak-Werbeverbot. Vielen Dank für das Gespräch. Auf Wiederhören!
    Nassauer: Auf Wiederhören, Herr Birke!