
Auf dem Trafalgar Square mitten in London tummeln sich wie immer tagsüber die Touristen – aus 60 m Höhe blickt Admiral Nelson auf das Menschengewirr zu seinen Füßen herab. Straßenmusiker spielen, Jugendliche sitzen am Beckenrand der Brunnen oder klettern auf die Bronzelöwen, die zu Füßen der Triumphsäule liegen. Im Rücken des Siegers der Schlacht von Trafalgar liegt die britische Nationalgalerie, die National Gallery – eine Institution im Land. Auch heute kommen wieder Besucher leicht enttäuscht aus dem prächtigen lang gestreckten viktorianischen Gebäude heraus:
"Wir hatten von dem Streik gehört. Wir wollten Rembrandt und Rubens sehen, die französischen und italienischen Maler – aber es hat zunächst nicht geklappt. Diese Familie aus den USA hat aber Glück – sie kannten jemanden, der im Museum arbeitet und konnten doch einen Blick auf die alten Meister erhaschen."
"Wir haben von dem Streik erst vor fünf Minuten erfahren von einem der Angestellten in der National Porträt Gallery, berichtet diese Museumsbesucherin aus Australien. Ich halte das schon für eine Schande, dass man in Erwägung zieht, überhaupt die National Gallery zu privatisieren."
Unterschiedliche Teilbereiche des Museums werden täglich bestreikt
Seit geraumer Zeit schon tobt eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen der Leitung des Museums und der Dienstleistungsgewerkschaft PCS. Das Ergebnis: Jeden Tag sind wechselnde Teilbereiche der National Gallery geschlossen. Rein äußerlich wirkt zunächst alles wie immer. Hinter dem Museumscafé beginnt die Galerie mit französischen Gemälden aus dem 18. Jahrhundert, Madame de Pompadour schaut leicht pikiert von einer Leinwand herab auf den Besucher. Die nächste Tür schon ist geschlossen, Room closed steht auf einem gelben Schild.
Nicht zu sehen sind heute unter anderem Sandro Botticellis „Venus und Mars" und Leonardo da Vincis „Felsgrotten-Madonna". Vincent van Goghs „15 Sonnenblumen" dagegen sind zugänglich und Michelangelos „Grablegung Christi" auch. Diese Polin ist mit der Auswahl halbwegs zufrieden, vor allem freut sie aber, dass der Eintritt zur National Gallery kostenlos ist.
"Ja, das freut mich wirklich. Die Tickets könnten richtig teuer sein. Bei uns in Krakau kostet das z. B. richtig viel Geld, das Wawel-Schloss zu besichtigen."
Andere Museen privatisieren nur Teilbereiche
Zehn Minuten mit der U-Bahn entfernt liegt das genauso prächtige Victoria and Albert Museum, das sich auf Design und Kunstgewerbe spezialisiert hat. Hier wurde im Gegensatz zur National Gallery nur das Sicherheitspersonal outgesourct. Nicht das Personal im Restaurant, in der Küche, an der Garderobe und nicht die Galerie-Assistenten, wie hier die Museumswärter heißen. Der Leiter ist ein Deutscher, Prof. Martin Roth – lange Jahre war der heute 60-jährige Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Er verteidigt eine Privatisierung des Personals in Maßen:
"Es geht schon darum, Fachleute ins Haus zu holen, die von einem ganz anderen Kompetenzhintergrund kommen. Ich rate schon eher dazu, auch beim Aufsichtspersonal mit Fachfirmen zusammenzuarbeiten. Hier in London haben wir aber das Problem, dass die Gewerkschaften sehr stark sind und hier halt opponieren."
Roth weiß, dass die Museumsbediensteten von ihren Löhnen allein kaum leben können. Das gehe nur mit Idealismus angesichts astronomischer Mieten.
"Sie sind schon extrem wichtig. Das ist die Seele, die Lebensader. Wenn sie freundlich sind, können sie ein Besuchserlebnis schon positiv verändern."
Lianne ist eine von ihnen, Anfang 20, die zierliche dunkelhaarige Gallery Assistent im Victoria and Albert Museum liebt ihren Job und interessiert sich selbst vor allem für japanische und überhaupt asiatische Kunst. Ihr bereitet die Entwicklung in Richtung Privatisierung trotzdem Sorge.
Lianne ist eine von ihnen, Anfang 20, die zierliche dunkelhaarige Gallery Assistent im Victoria and Albert Museum liebt ihren Job und interessiert sich selbst vor allem für japanische und überhaupt asiatische Kunst. Ihr bereitet die Entwicklung in Richtung Privatisierung trotzdem Sorge.
"Es macht mir Angst und es ist schon traurig. Die großen Museen sollten nicht privatisiert werden, das sollten sich alle doch noch einmal gut überlegen."
Ein Für und Wider der Privatisierung
Museumsbesucher neigen manchmal auf den ersten Blick dazu, Museums-bedienstete zu unterschätzen. Lianne's Kollege James ist seit 33 Jahren dabei als Gallery Assistent, ein wandelndes Gedächtnis des Victoria and Albert Museums.
"Ich fand die Pugin-Ausstellung am besten, den Begründer der Neugotik oder Thomas Hope – und vor allem erinnere ich mich an die spektakuläre Ausstellung zuletzt des Modedesigners Alexander McQueen. Am Ende ist die Privatisierung wohl unvermeidlich, ich versuche irgendwie zu überleben und das beste daraus zu machen."
Beobachter werfen der National Gallery vor, zu brachial alle Bereiche privatisieren zu wollen. Martin Roths Kurs ist vorsichtiger – beide Häuser wollen aber auf jeden Fall weiter am Prinzip des kostenlosen Eintritts festhalten, aus ganz prinzipiellen Gründen.
"Jeder Atemzug kostet etwas in unseren Städten, nicht nur in London. Deshalb finde ich es als unsere Aufgabe als nationale Institution, für alle zur Verfügung zu stehen."