Wer wissen will, wie sehr die Europäische Union die Slowakei verändert hat, der muss ganz in den Osten des Landes fahren. Hier in Kosice, der zweitgrößten Stadt der Slowakei, ist gerade Markttag. Rings um den zentralen Platz stehen hübsch renovierte Häuser. Weiter außen allerdings, vor den Toren des historischen Stadtkerns, drängen sich Plattenbau-Siedlungen, so weit das Auge reicht. Nirgends in der Slowakei sind die Menschen ärmer, nirgends ist die Arbeitslosigkeit höher. Im ganzen Landkreis Kosice reicht sie an die 20-Prozent-Marke heran.
"Ich bin Maschinenbauingenieur, erzählt ein Passant, in unserer Branche sieht es schlecht aus im Osten. Vor zehn Jahren war ich hier Werkstattleiter, heute arbeite ich in Tschechien. Da gibt es wenigstens Stellen."
Die EU hat hier in die armen Landstriche wieder Hoffnung gebracht: Sie finanziert Straßen und Gemeindehäuser, Bahnhöfe und Gewerbeparks – alles wichtige Voraussetzungen, um Investoren hier in die vergessene Region zu locken. In der Verwaltung des Landkreises gibt es sogar eine eigene Abteilung, die sich um die Beziehungen zur Europäischen Union kümmert. An Ideen für Großprojekte mangelt es nicht.
"Kosice und die ganze Region könnte zum wichtigen Logistikzentrum werden, verkündete Sprecherin Zuzana Bobrikova, als sich die Schengen-Grenzen für die Slowakei gerade öffneten. Hier bei uns in Kosice endet das Schienennetz der früheren sowjetischen Eisenbahnen, die eine größere Spurweite haben als im Westen. Wir haben also eine direkte Anbindung an das Schienennetz Asiens. Ein Umschlagbahnhof ist unsere Chance, endlich den Lebensstandard an den Rest Europas anzugleichen."
Von 90 Millionen Euro Investitionssumme träumte der Landkreis und von 5.000 neuen Arbeitsplätzen. Verpflichten solche Aussichten die Slowakei zur Solidarität mit Griechenland? 400 Kilometer westlich von Kosice, in der Hauptstadt Bratislava, wird das im Parlament debattiert. Der frühere Regierungschef Robert Fico, der dem Kredit vor seiner Abwahl noch zugestimmt hatte, gibt der der neuen Koalition Nachhilfe in Sachen Solidarität.
"Wenn ein Land Geld bezieht aus europäischen Mitteln, aus gemeinsamen Fonds – und die Slowakei bezieht sehr viel Geld von dort – dann muss dieses Land ein gewisses Verantwortungsbewusstsein entwickeln für die gemeinsamen Probleme, die in der Union entstehen können."
Bis heute profitiert die Slowakei von EU-Subventionen. Etliche Milliarden Euro sind allein für Infrastrukturprojekte in das Land geflossen. Diese Unterstützung strapazierte damals die reicheren Länder der Europäischen Union: Wegen Investitionsbeihilfen und niedriger Steuern zogen reihenweise Unternehmen aus dem Westen in die Slowakei um. Nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union galt sie als großer Profiteur des europäischen Gemeinsinns. Heute knüpft sich genau daran die Frage an, die das Land entzweit: Hat die Slowakei, die erst im Jahr 2009 zur Eurozone dazustieß, eine moralische Verpflichtung gegenüber Griechenland? Muss sie Dankbarkeit zeigen für die Hilfe der EU, die in den vergangenen Jahren so reichlich geflossen ist? Der Begriff der Solidarität werde derzeit komplett deformiert, erklärt dazu die Regierung. Finanzminister Ivan Miklos:
"Die Solidarität von Armen mit Reichen, von Verantwortungsbewussten mit Nicht-Verantwortungsbewussten, von Steuerzahlern mit den Besitzern und Managern von Banken – das ist unserer Meinung nach keine Solidarität."
Ivan Miklos ist in Brüssel bestens bekannt: Er war schon zwischen 1998 und 2006 slowakischer Wirtschafts- und später Finanzminister und gilt als Vater des Wirtschaftswunders, das der Slowakei damals Wachstumsraten von bis zu 25 Prozent beschert hat. Dafür bauten die Slowaken ihr Land zu einem neoliberalen Musterstaat um, viele Bürger litten unter den harten sozialen Einschnitten. Damit schaffte die Regierung überhaupt erst die Grundlagen für einen Beitritt zur Eurozone. Parlamentspräsident Richard Sulik geht deshalb auf direkten Konfrontationskurs zu Athen:
"Niemand muss mit uns solidarisch sein, wenn wir gut haushalten, wenn wir in unserem Staatsbudget ausreichend verantwortungsbewusst sind und wenn wir das Geld nicht zum Fenster rauswerfen."
Was der Debatte eine besondere Brisanz verleiht, ist die Tatsache, dass die Regierung kurz vor dem Nein zum Griechenland-Kredit ein neues Sparpaket vorgestellt hat: Rentner bekommen weniger Geld, Kranke müssen mehr zuzahlen und die Mehrwertsteuer wird wohl auch erhöht. Vor diesem Hintergrund nehmen die slowakischen Zeitungen die Schelte aus Brüssel zwar zur Kenntnis – sie halten dem Unmut aber kühl entgegen, dass die Hälfte der eingesparten 1,6 Milliarden Euro schon wieder verbrannt seien, wenn man nun Athen alimentieren würde.
"Ich bin Maschinenbauingenieur, erzählt ein Passant, in unserer Branche sieht es schlecht aus im Osten. Vor zehn Jahren war ich hier Werkstattleiter, heute arbeite ich in Tschechien. Da gibt es wenigstens Stellen."
Die EU hat hier in die armen Landstriche wieder Hoffnung gebracht: Sie finanziert Straßen und Gemeindehäuser, Bahnhöfe und Gewerbeparks – alles wichtige Voraussetzungen, um Investoren hier in die vergessene Region zu locken. In der Verwaltung des Landkreises gibt es sogar eine eigene Abteilung, die sich um die Beziehungen zur Europäischen Union kümmert. An Ideen für Großprojekte mangelt es nicht.
"Kosice und die ganze Region könnte zum wichtigen Logistikzentrum werden, verkündete Sprecherin Zuzana Bobrikova, als sich die Schengen-Grenzen für die Slowakei gerade öffneten. Hier bei uns in Kosice endet das Schienennetz der früheren sowjetischen Eisenbahnen, die eine größere Spurweite haben als im Westen. Wir haben also eine direkte Anbindung an das Schienennetz Asiens. Ein Umschlagbahnhof ist unsere Chance, endlich den Lebensstandard an den Rest Europas anzugleichen."
Von 90 Millionen Euro Investitionssumme träumte der Landkreis und von 5.000 neuen Arbeitsplätzen. Verpflichten solche Aussichten die Slowakei zur Solidarität mit Griechenland? 400 Kilometer westlich von Kosice, in der Hauptstadt Bratislava, wird das im Parlament debattiert. Der frühere Regierungschef Robert Fico, der dem Kredit vor seiner Abwahl noch zugestimmt hatte, gibt der der neuen Koalition Nachhilfe in Sachen Solidarität.
"Wenn ein Land Geld bezieht aus europäischen Mitteln, aus gemeinsamen Fonds – und die Slowakei bezieht sehr viel Geld von dort – dann muss dieses Land ein gewisses Verantwortungsbewusstsein entwickeln für die gemeinsamen Probleme, die in der Union entstehen können."
Bis heute profitiert die Slowakei von EU-Subventionen. Etliche Milliarden Euro sind allein für Infrastrukturprojekte in das Land geflossen. Diese Unterstützung strapazierte damals die reicheren Länder der Europäischen Union: Wegen Investitionsbeihilfen und niedriger Steuern zogen reihenweise Unternehmen aus dem Westen in die Slowakei um. Nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union galt sie als großer Profiteur des europäischen Gemeinsinns. Heute knüpft sich genau daran die Frage an, die das Land entzweit: Hat die Slowakei, die erst im Jahr 2009 zur Eurozone dazustieß, eine moralische Verpflichtung gegenüber Griechenland? Muss sie Dankbarkeit zeigen für die Hilfe der EU, die in den vergangenen Jahren so reichlich geflossen ist? Der Begriff der Solidarität werde derzeit komplett deformiert, erklärt dazu die Regierung. Finanzminister Ivan Miklos:
"Die Solidarität von Armen mit Reichen, von Verantwortungsbewussten mit Nicht-Verantwortungsbewussten, von Steuerzahlern mit den Besitzern und Managern von Banken – das ist unserer Meinung nach keine Solidarität."
Ivan Miklos ist in Brüssel bestens bekannt: Er war schon zwischen 1998 und 2006 slowakischer Wirtschafts- und später Finanzminister und gilt als Vater des Wirtschaftswunders, das der Slowakei damals Wachstumsraten von bis zu 25 Prozent beschert hat. Dafür bauten die Slowaken ihr Land zu einem neoliberalen Musterstaat um, viele Bürger litten unter den harten sozialen Einschnitten. Damit schaffte die Regierung überhaupt erst die Grundlagen für einen Beitritt zur Eurozone. Parlamentspräsident Richard Sulik geht deshalb auf direkten Konfrontationskurs zu Athen:
"Niemand muss mit uns solidarisch sein, wenn wir gut haushalten, wenn wir in unserem Staatsbudget ausreichend verantwortungsbewusst sind und wenn wir das Geld nicht zum Fenster rauswerfen."
Was der Debatte eine besondere Brisanz verleiht, ist die Tatsache, dass die Regierung kurz vor dem Nein zum Griechenland-Kredit ein neues Sparpaket vorgestellt hat: Rentner bekommen weniger Geld, Kranke müssen mehr zuzahlen und die Mehrwertsteuer wird wohl auch erhöht. Vor diesem Hintergrund nehmen die slowakischen Zeitungen die Schelte aus Brüssel zwar zur Kenntnis – sie halten dem Unmut aber kühl entgegen, dass die Hälfte der eingesparten 1,6 Milliarden Euro schon wieder verbrannt seien, wenn man nun Athen alimentieren würde.