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Nationalratswahl in Österreich
Grün oder schwarz: Wie Bäuerinnen wählen

Eine Politik ohne Anfeindungen und Geschrei. Das wünscht sich eine konservative Wählerin, eine Bäuerin in Niederösterreich. Daher lehne sie eine Neuauflage von Schwarz-Blau nach der Nationalratswahl ab. Portrait einer Wählerinnen-Klientel: der Landwirtinnen.

Von Andrea Beer | 27.09.2019
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz nach seinem Statement zum Misstrauensvotum, im Hintergrund mehrere Menschen mit türkisfarbenen Schirmen.
Sebastian Kurz wird wohl ein weiteres Mal österreichischer Bundeskanzler (APA/HELMUT FOHRINGER )
Der Bäuerinnen-Laden in Dobersberg liegt rund 130 Kilometer nordwestlich von Wien, mitten im niederösterreichischen Waldviertel. Es gibt eine Kaffee-Ecke und die hellen selbstgebauten Holzregale sind voll. "Wir haben allerlei Gemüsesorten. Zwiebel, Knoblauch, Kürbis, Tomaten, Lauch. Was halt gerade Saison hat."
Niederösterreich grenzt im Westen an Wien und war für die ÖVP Jahrzehnte lang ein absolutes Heimspiel. Bei Wahlen konnten sich die Konservativen vor allem auf die Weinbauern und Landwirte stützen. Für Ingrid Kraus gilt das immer noch. "Ich wünsche mir die ÖVP."
Ingrid Kraus hat den Bäuerinnen-Laden vor knapp zwei Jahren mitgegründet. Sie ist Mitte 50 und Bäuerin aus Überzeugung, in einer ländlichen Gegend an der Grenze zu Tschechien, die mit Arbeitslosigkeit und Abwanderung zu kämpfen hat. Das Geschäft ist ein Verein, der saisonale Produkte von 30 Mitgliedern und fünf Zulieferern bezieht.
"Das was die Leute hier produzieren, einfach nur fein." Diese Kundin aus Krems ist zufrieden.
Treu konservativ trotz existenzieller Sorgen
Doch die Bäuerinnen rund um den Dobersberger Laden müssen sich dennoch nach der Decke strecken. "Die Preise passen einfach nicht mehr. Also wir stecken so viel rein in den ganzen Betrieb, und es kommt nichts raus."
Der erste Kundenschwung ist durch und so hat auch Martina Romann ein bisschen Zeit. Die Landwirtin aus Rappolz verkauft an diesem Vormittag. Sie ist ebenfalls engagiertes Mitglied im Bäuerinnen-Laden und liefert vor allem Gemüse. Und auch für Martina Romann ist klar. "Also ich wähle ÖVP."
Von den Konservativen wünscht sich Martina Romann keine Wiederauflage der Koalition mit den Rechten. Zum Ibiza-Skandal-Video von Ex-FPÖ-Chef Strache meint die Landwirtin dies: "Es ist irgendwie lustig, dass man sich da filmen lässt. Die sind halt da, aber es braucht‘s keiner."
Die Bio-Bäuerin wählt grün
Maria Vogt lehnt die rechte FPÖ strikt ab. Heute geht die Landwirtin über ihren Hof, vorbei am Stall der ostfriesischen Milchschafe. "Der Schafbock. Mit der grünen Nase, der wählt auch grün. So schön grün, wieso hast du eine grüne Nase? Weil dahinten ein grüner Pflug steht, gell? Und da reibst du dir immer die Nase ab."
Maria Vogt und ihr Mann Franz haben vor dreißig Jahren auf Bio umgestellt. In Obersdorf bei Wien bewirtschaften sie rund zwanzig Hektar. Der Ort hat rund 2.000 Einwohner und liegt im Speckgürtel von Wien. Außer den Tieren haben sie Getreide, Gemüse, Streuobstwiesen, eine Käserei und Weingärten. Ihre Produkte verkaufen die Vogts direkt auf ihrem Hof, und sie können davon leben.
Grüne Bäuerinnen und Bauern gebe es im konservativen Österreich nicht viele, sagt Maria Vogt. Doch im Speckgürtel von Wien kämen die Menschen eher mit alternativen Ideen in Berührung. Die Jungen von den Höfen gingen oft zum Studieren in die Stadt, erzählt Maria Vogt in der großen Wohnküche ihres Bauernhauses.
"Und auch für junge Frauen ist das nicht einfach, wenn sie das andere Leben in der Stadt kennengelernt haben. Und viele gehen aus diesem Grund nicht mehr zurück, weil sie einfach sich nicht mehr unterordnen wollen in starre Systeme. Und es sind am Land einfach noch sehr starre Systeme, oft auch noch patriarchalische Strukturen, wo es selbstverständlich ist, dass jemand kommt, dass er nur nach dem Mann fragt. Irgendeine Geschäftsbeziehung oder eine politische Anfrage geht nur an die Männer."
Am 29. September wählt sie die Grünen. Bei der letzten Nationalratswahl scheiterten diese an der Vier-Prozent-Hürde. Laut Umfragen kommen die Grünen jetzt wieder rein, doch die meisten Mandate gehen an die ÖVP.
Eine Politik ohne Anfeindungen
Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz hält sich offen, ob er ein zweites Mal mit der rechten FPÖ koalieren würde. Reicht es rechnerisch, wäre auch ein Bündnis der ÖVP mit den liberalen NEOS und den Grünen vorstellbar.
"Also ich glaube, dass es eher ein Risiko ist", findet Maria Vogt. Die Bäuerinnen könnten in einem Punkt schon jetzt zusammenkommen. Die Grün-Wählerin Maria Vogt möchte keine Wiederauflage von Schwarz-Blau, genau wie die überzeugte ÖVP-Wählerin und Landwirtin Ingrid Kraus vom Bäuerinnen-Laden in Dobersberg.
"Nein. Das, was sie sich geleistet haben, das war nicht in Ordnung, und so kann man nicht umspringen mit der Bevölkerung. Sie schreien viel, und es gibt viel Streit. Es soll eine Politik sein, die ohne Streiten, ohne heftige Worte, ohne Anfeindungen ist. So was würden wir uns wünschen."