Der ukrainische Verteidigungsminister Serhij Taran sagt es inzwischen bei jeder möglichen Gelegenheit: Sein Land wolle rasch in die Nato, und darauf arbeite es Stück für Stück hin. Zuletzt durch ein Militär-Abkommen mit der Türkei, das im Dezember unterzeichnet wurde. Es sieht gemeinsame Konsultationen vor. Kurz vor Weihnachten fanden sie zum ersten Mal statt, für Taran eine gute Gelegenheit daran zu erinnern, was Kiew eigentlich will:
"Wir sehen die militär-strategische Partnerschaft mit der Türkei im Zusammenhang mit den außenpolitischen Zielen der Ukraine, insbesondere dem Streben nach einer Vollmitgliedschaft in der NATO. Die Umsetzung des Abkommens mit der Türkei hilft, die Situation im Schwarzen Meer zu stabilisieren. Sie fördert auch die Integration der Ukraine in das nordatlantische Sicherheitssystem."
Der Hinweis auf die "Situation im Schwarzen Meer" ist eigentlich eine Warnung. Denn dort baut Russland die annektierte Halbinsel Krim zu einer militärischen Festung aus. Es rückt so mit seinen modernen Raketensystemen an die Nato-Mitglieder in Südosteuropa heran. Aus Sicht der Ukraine ist das ein starkes Argument für ihre NATO-Mitgliedschaft.
Russische "Abenteuer"
Tatsächlich wachse in der Allianz die Einsicht, dass das Land mit seiner geographischen Lage eine zentrale Rolle für die Sicherheit in Europa spiele, meint Ivan Sajets, ehemaliger ukrainischer Abgeordneter und Verteidigungsexperte. Allerdings geht ihm das zu langsam:
"Wir hatten die NATO-Regierungschefs schon beim Gipfel 2008 gewarnt: Wenn sie uns nicht in den "Membership Action Plan" aufnehmen, dann stacheln sie Russland nur zu militärischen Abenteuern an. Wenige Monate später griff Russland Georgien an. Wir haben gesagt: Als nächstes ist die Ukraine dran – und dann andere ehemalige Sowjet-Republiken."
Der Krieg in der Ostukraine begann 2014. Andere Nachbarländer gerieten seitdem tatsächlich in den Fokus von Russland, darunter im letzten Jahr Belarus. Machthaber Alexander Lukaschenko will sich gegen die Proteste behaupten – und für den Notfall sicherte ihm Moskau auch bewaffnete Unterstützung zu.
Wie der ukrainische Verteidigungsminister drängt deshalb auch Ivan Sajets darauf, dass sein Land schon in diesem Jahr in den "Membership Action Plan" aufgenommen wird. Am besten gemeinsam mit dem anderen Nato-Anwärter Georgien.
Wie der ukrainische Verteidigungsminister drängt deshalb auch Ivan Sajets darauf, dass sein Land schon in diesem Jahr in den "Membership Action Plan" aufgenommen wird. Am besten gemeinsam mit dem anderen Nato-Anwärter Georgien.
Ukraine im Verbund mit Georgien
Damit wären klare Vorgaben verbunden, Ziele, die Anwärter-Staaten für eine NATO-Mitgliedschaft erfüllen müssen. Die Nato würde die Ukraine unterstützen, um diese Ziele zu erreichen. Andere Experten glauben jedoch, dass es nicht in diesem Jahr, sondern erst 2023 soweit sein dürfte. Aljona Hetmantschuk von der Kiewer Denkfabrik "Neues Europa" sagte dem Portal "Ukrainska Prawda":
"Noch wollen viele Nato-Mitgliedsstaaten nichts davon hören, dass die Ukraine aufgenommen werden könnte. Aber genauso war es ja, bevor die Ukraine im vergangenen Juni von der Nato den Status ‚Partner mit erweiterten Möglichkeiten‘ bekam. Es hieß, dadurch werde der Konflikt mit Russland weiter eskalieren. Das ist nicht passiert."
Als "Partner mit erweiterten Möglichkeiten" kann die Ukraine unter anderem an allen Nato-Manövern teilnehmen.
NATO unterstützt Kiew schon
Schon jetzt unterstütze die Nato die Ukraine dabei, ihren Militärapparat zu reformieren, daran erinnerte die Leiterin des Nato- Informations- und Dokumentationszentrums in Kiew, Vineta Kleine, bei einer Jahresbilanz:
"Jeden Tag arbeiten Nato-Berater mit staatlichen ukrainischen Institutionen daran, Reformen umzusetzen und Korruptionsgefahren zu begegnen. Nur ein jüngstes Beispiel, das die Dynamik der Partnerschaft mit der Ukraine zeigt: Im November hat das ukrainische Verteidigungsministerium zum ersten Mal militärische Ausrüstung über die Nato-Versorgungsagentur NSPA bezogen."
Ganz erheblich verstärkte die Ukraine in den vergangenen drei Jahren auch die Zusammenarbeit mit den USA. Diese lieferten moderne Waffensysteme, darunter Anti-Panzer-Raketen vom Typ "Javelin". Unter dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden könnte die Verbindung noch enger werden, hoffen ukrainische Experten. Denn Biden sprach sich schon 2014, damals als Vize-Präsident, entschieden dafür aus, die Ukraine militärisch zu unterstützen.