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NATO-Übung in Polen
Klares Signal an Russland

Es ist eine der größten Militär-Übungen in Polen im letzten Vierteljahrhundert: Über 25.000 Soldaten aus zahlreichen NATO-Staaten beteiligen sich an dem Manöver "Anakonda". Dass die Übung mit räumlicher Nähe zur russischen Grenze so kurz vor dem NATO-Gipfel stattfindet, sorgt bei einigen Alliierten für Kritik.

Von Kai Küstner |
    Soldaten währen der Vorbereitungen für das Militär-Manöver "Anaconda" in Polen a. 4. Juni 2016 in Drawsko Pomorskie.
    Soldaten während der Vorbereitungen für das Militär-Manöver "Anaconda" in Polen. (dpa/picture alliance/Marcin Bielecki)
    Wenn die NATO ihre Stärke zur Schau stellt, dann wird es meist laut: Scharfschützen, Granatwerfer, Panzer zog das Bündnis vor weniger als zwei Wochen auf einem Übungsschlachtfeld in Polen zusammen: Wo dann vor einer eigens errichteten Zuschauer-Tribüne die neue "superschnelle Eingreiftruppe" dem versammelten Publikum – und dem Gastgeberland Polen – zu beweisen suchte, dass sie wirklich super-schnell und effektiv ist.
    Doch verglichen mit dem Manöver namens "Anakonda", das nun in den nächsten Tagen und ebenfalls in Polen abgehalten wird, nimmt sich diese 2.000-Mann starke Übung vergleichsweise bescheiden aus: Mehr als 25.000 Soldaten beteiligen sich an "Anakonda", auch die Bundeswehr mischt mit:
    "Ich sehe das unter eher professionellen Gesichtspunkten: Es ist eine Möglichkeit zum Üben. Und um darzustellen, dass man Fähigkeiten hat, auf jedwede Aggression zu reagieren, ist nicht das Schlechteste, was man in dieser Situation zeigen kann", sagt Manfred Hofmann im ARD-Hörfunkinterview, der als Kommandeur des sogenannten "Multi-Nationalen Korps Nordost" in die Übung eingebunden ist.
    Rückfall in "Kalte-Kriegs-Zeiten"
    Offiziell handelt es sich um ein polnisches Manöver. Doch insgesamt 22 Nationen - NATO-Länder und deren Partner - nehmen teil. Hinzu kommen 1.000 Mann der "Schnellen NATO-Eingreiftruppe". Es ist aber nicht nur die Größe, es sind auch Zeitpunkt und Ort, die bereits im Vorfeld für massive Kritik gesorgt hatten:
    "Direkt vor dem NATO-Gipfel eine solche Übung direkt an der Grenze zu Russland abzuhalten, ist garantiert keine Deeskalation", kritisiert Tobias Pflüger, Mitglied im Vorstand der Linkspartei. Der dem Westen vorhält, einen Rückfall in "Kalte-Kriegs-Zeiten" zu riskieren.
    Nun findet "Anakonda" nicht unter dem NATO-Dach statt. Doch auch innerhalb des Bündnisses selbst sorgte das Manöver im Vorfeld für Bauchschmerzen: Fällt es doch in eine Zeit, zu der man wieder verstärkt das Gespräch mit Russland sucht. Einige Alliierte hätten massive Bedenken wegen "Anakonda" gehabt, bestätigen NATO-Offizielle. Zu den Zweiflern zählten auch die Deutschen. Doch nun findet die Übung wie geplant statt. Und fällt deutlich größer aus als das Manöver desselben Namens vor zwei Jahren:
    "Diese Anaconda-Übung ist eine regelmäßige Übung. Wahrscheinlich ist es eine Koinzidenz der Ereignisse. Die Übung ist von langer Hand geplant und findet jetzt zufällig vor dem Warschauer Gipfel statt", so General-Leutnant Hofmann im ARD-Interview.
    Osteuropäische Nato-Mitglieder sollen sich sicher fühlen
    Der NATO-Gipfel ist für Anfang Juli geplant. Es ist kein Geheimnis, dass Russland seinerseits an den Grenzen der osteuropäischen Staaten immer wieder – und gerne auch unangekündigt – Manöver abhält. In wesentlich größerem Stil als die NATO. "Beruhigung durch Abschreckung" – so lautet das Motto, auf das sich die NATO verlässt: Damit ihre osteuropäischen Mitglieder sich sicher fühlen können und damit Moskau nicht auf expansive Gedanken kommt, muss das Bündnis nach eigenem Dafürhalten hin und wieder die Muskeln spielen lassen. Wofür der Außenpolitik-Experte der SPD im EU-Parlament, Knut Fleckenstein, auch Verständnis hat. Aber nur bis zu einem gewissen Grad:
    "Ich glaube, wir täten gut daran, wenn wir uns nicht allein auf Abschreckung konzentrieren. Was zu einer Spirale der Rüstung führen würde. Wir müssen hingegen das ernsthafte Gespräch mit Moskau wieder suchen."
    Wo liegt die richtige Balance zwischen Aufrüstung der östlichen Bündnispartner auf der einen Seite und dem notwendigen Dialog mit Russland auf der anderen? Diese Frage wird in den kommenden Wochen bis zum Gipfel intensiver diskutiert werden denn je. Und dazu gehört auch die Frage, ob Manöver wie "Anakonda", an der auch die Partner-Nationen Georgien oder Ukraine teilnehmen, dem Bündnis im Umgang mit Moskau letztlich mehr schaden oder mehr nützen.