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NATO will Sicherheitskräfte für den Irak ausbilden

Stefan Heinlein: Bei mir am Telefon ist nun Porfessor August Pradetto von der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg. Guten Tag.

Moderation: Stefan Heinlein |
    August Pradetto: Guten Tag, Herr Heinlein.

    Heinlein: Herr Professor Pradetto, zunächst zur Meldung des heutigen Vormittags, früher als geplant die Machtübergabe an die Iraker. Ist das aus Ihrer Sicht ein geschickter Schachzug der Amerikaner?

    Pradetto: Geschickt insofern, als natürlich die Sicherheitslage im Irak mittlerweile so prekär geworden ist, dass eine Machtübergabe wie vorgesehen übermorgen erst noch größere Probleme für die Übergangsregierung und für die amerikanischen Streitkräfte aufgeworfen hätte, also ein taktischer Schachzug, der an der grundsätzlichen Problematik nichts ändert.

    Heinlein: Aber ein taktischer Schachzug, der auch zeigt, dass die Terroristen im Lande selbst einen ernormen Einfluss auf die politische Situation haben.

    Pradetto: Im Grunde genommen bestimmt das Tempo des Stabilisierungsprozesses oder die Schwierigkeiten des Stabilisierungsprozesses eine Front, die sich mittlerweile offenbar im breiten Ausmaß gegen die Besatzungsstreitkräfte entwickelt hat und das wird sich vermutlich nach der Machtübergabe nicht sehr viel ändern.

    Heinlein: Rechnen Sie mit einer Eskalation der Situation?

    Pradetto: Ich hoffe, dass die Machtübergabe, die ja nur eine beschränkte Souveränisierung darstellt, eine sehr beschränkte Souveränisierung sowohl auf der faktischen als auch auf der politischen Ebene, faktisch insofern, als natürlich diese Übergangsregierung überhaupt nicht fähig ist eine Regierungstätigkeit auszuüben ohne die Streitkräfte, ohne die ausländischen Streitkräfte, die sie stützen, dass also diese Situation sich in einer Weise nicht sehr schnell wird ändern lassen. Es ist zu hoffen, dass diese Regierung stärkeren Rückhalt findet, dass sie in den Provinzen sich verankert, dass sie eine gewisse politische Positionierung im Lande erlangt, sodass sich die Situation langsam beruhigt und die soziale und die politische Basis für diese Regierung breiter wird. Aber zu rechnen mit einer einigermaßen konstanten Beruhigung der Lage ist frühestens nach freien Wahlen. Und wie der Ausgang dieser Wahlen ist, dass steht natürlich offen.

    Heinlein: Was muss, was kann, Herr Professor Pradetto, denn die irakische Übergansregierung, die nun beschränkt souverän ist, unternehmen, um das von Ihnen angesprochene Vertrauen der eigenen Bevölkerung dann tatsächlich zu gewinnen?

    Pradetto: Ja, das wird jetzt sehr schwierig sein und abhängig sein von der Schaffung von realer Sicherheit im Lande und das ist eben eine prekäre Situation die durch Besatzungsstreitkräfte auf der einen Seite zu gewährleisten ist, auf der anderen Seite sind diese Besatzungsstreitkräfte ja gerade der Anstoß für diese Front von terroristischen Anschlägen von Sabotageakten von einer systematischen Destabilisierung der Situation. Es wird also darauf ankommen, ob die Übergangsregierung in der Lage ist, mehr Sicherheit zu schaffen mit den amerikanischen, britischen und anderen Streitkräften sowie mit eigenen Streitkräften und Polizei und Sicherheitskräften, die aufgebaut werden müssen. Und der zweite Faktor ist natürlich die Verbesserung der materiellen Lage im Lande. Die ist außerordentlich desolat in weiten Teilen des Landes und wird sich sehr schnell auch nicht bessern lassen. Auch hier ist internationale Unterstützung notwendig um dieser Übergangsregierung eine Chance zu geben, sich wenigstens in einem mittelfristigen Prozess zu stabilisieren.

    Heinlein: Welche Rolle kann die Nato denn übernehmen in diesem Zusammenhang bei dem Aufbau einer eigenen schlagkräftigen irakischen Armee?

    Pradetto: Ich denke, dass der Kompromiss, der jetzt geschlossen worden ist in Istanbul, nämlich irakische Streitkräfte oder Offiziere und Polizeikräfte auszubilden und somit zur Sicherheit des Landes beizutragen, mehr oder weniger die einzige Möglichkeit ist, die die Nato hat, um auf den Prozess positiv einzuwirken. Es wäre sicher verfehlt, der Strategie des amerikanischen Präsidenten zu folgen, die Natostreitkräfte, die Nato als Organisation in den Irak hineinzubringen. Das würde die Nato vor das gleiche Problem stellen als Organisation, dass die amerikanischen oder verbündeten Streitkräfte schon haben. Es sind ja schon ein größerer Teil, 16 oder 17 Nato-Länder in irgendeiner Form militärisch, auch militärisch, an der Situation, an den Besatzungsstreitkräften im Irak beteiligt. Die Nato als Organisation würde daran also überhaupt nichts ändern. Das einzige was sich ändern würde, dass die politische Funktion, die die Nato positiv spielen kann zusätzlich durch eine Präsenz durch ein Nato-Büro geschwächt würde, gefährdet würde. Und das ist ja die Befürchtung derjenigen, etwa Frankreich und der deutschen Bundesregierung, die sich gegen eine solchen Rolle der Nato wenden, dass nämlich, wenn erst mal die Nato in Bagdad ist, auch eine gewisse Verpflichtung besteht aller Nato-Mitglieder für den Schutz dieses Büros aufzukommen und damit wäre eine Involvierung der Nato selbst im Irak gegeben, die viele so nicht wollen.

    Heinlein: Kurz zum Schluss, Herr Professor Pradetto, die Frage, im Gespräch ist ja unter anderem die Ausbildung irakischer Offiziere im Ausland, auch bei Ihnen an der Bundeswehrhochschule in Hamburg. Was sind Ihre Erfahrungen was bringt eine solche Ausbildung einzelner Offiziere aus dem Ausland?

    Pradetto: Wenn es um den Irak geht, dann ist dies sicher erst mal nur eine symbolische Politik angesichts der Probleme, die im Irak bestehen, angesichts der ungeheuren Sicherheitsprobleme, die im Irak bestehen. Die Ausbildung von Offizieren und von Sicherheitskräften von Sicherheitsexperten in der Bundesrepublik Deutschland generell kann sich ja nur auf eine kleinere Gruppe beziehen. Die Ausbildung dauert wenn sie beispielsweise die Kurse für Nicht-Nato-Streitkräfte an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg mitmachen, dann dauert das ein oder zwei Jahre bis diese Offiziere eine ordentliche Ausbildung erfahren haben. Für die Universitäten der Bundeswehr gilt sogar noch darüber hinausgehend, dass ein Studium dreieinhalb bis vier Jahre dauert und das mag alles dazu beitragen, dass mittel- und längerfristig auch für den Irak eine stabilisierende Funktion durch Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland beigetragen wird. Kurzfristig ist dies, wie gesagt, nicht auf eine Stabilisierung der Situation im Irak überhaupt möglich richtbar.

    Heinlein: Professor August Pradetto von der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Pradetto: Gerne.