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"Natürlich ist Bayern keine Bananenrepublik"

Der Umgang der Politik mit dem Fall Mollath und der BayernLB zeigten, dass sich die Regierung im höchsten Maß zurückhalte, sagt Heinrich Oberreuter, Politikwissenschaftler der Universität Passau. Aber Ministerpräsident Seehofer stehe vor der kniffligen Aufgabe, das auch glaubwürdig darzustellen.

Heinrich Oberreuter im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 08.08.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Fast schien es so, dass die Affäre um die BayernLB politisch im Sande verlaufen würde – bis heute. Die "Süddeutsche Zeitung" nämlich zitiert aus einem Beschluss des Landgerichts München, und der hat es in sich. Das Gericht nämlich kommt zu dem Schluss, dass bayerische Staatsanwälte Milde haben walten lassen. Normalerweise nämlich hätte die Strafverfolger nicht nur gegen den Vorstand der BayernLB vorgehen müssen, sondern auch gegen die Mitglieder des Verwaltungsrats, und das heißt gegen den ehemaligen Wirtschafts- und Finanzminister Erwin Huber und Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein.

    Nach dem Fall Mollath ein weiterer Nackenschlag für CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer, der bisher durchaus mit einer absoluten Mehrheit rechnen könnte bei den anstehenden Wahlen. Heinrich Oberreuter ist Politikwissenschaftler und CSU-Experte, jetzt bei uns am Telefon. Schönen guten Tag.

    Heinrich Oberreuter: Ja! Guten Tag, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Oberreuter, Gustl Mollath verschwindet für sieben Jahre in der Psychiatrie, und das auf der Grundlage falscher Dokumente. Die Staatsanwaltschaft geht Hinweisen auf Schwarzgeldgeschäfte nicht nach, die sich hinterher als zutreffend herausstellen. Jetzt der Verdacht, wonach die Staatsanwaltschaft namhafte CSU-Größen von der Strafverfolgung verschont habe. Ist Bayern eine Bananenrepublik?

    Oberreuter: Na ja, natürlich ist Bayern keine Bananenrepublik und natürlich ist eine Justiz auch dann in Ordnung, wenn der eine oder andere Fehler passiert, oder wenn sogar ein einzelner Richter sich in die Nähe der Rechtsbeugung begibt, wie das im Fall Mollath der Fall zu sein scheint. Aber insgesamt zeigt die Bewältigung der Angelegenheit doch auch, dass die Politik sich im höchsten Maße zurückhält. Der Ausbruch des Ministerpräsidenten, er sei ungehalten darüber, dass die Politik keinen Einfluss auf die Richter hätte, ist ja auch wieder zurückgewiesen worden. Also lassen wir die Rechtspflege Rechtspflege sein und die Politik soll draußen bleiben.

    Heckmann: Aber das ist ja das Problem, dass der Verdacht jetzt im Raum steht, dass die Staatsanwaltschaft CSU-Größen, namhafte CSU-Größen verschont haben soll. Drängt sich da bei Ihnen nicht der Eindruck einer Spezlwirtschaft auf?

    Oberreuter: Ja wenn der Eindruck stimmte und wenn die Informationen konsistent wären. Aber gerade, wenn wir das zusammenlesen, was im Bericht vorher ja zum Ausdruck gekommen ist, dann haben wir doch von der Tatsache auszugehen, dass auf der einen Seite nicht ermittelt wird in dem spektakulären Fall, weil kein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Das trifft natürlich auch die Mitglieder des Verwaltungsrats. Und die andere Position ist, der Vorstand habe den Verwaltungsrat arglistig getäuscht. Das heißt im Klartext, egal wie man den Fall dreht oder wendet, am Verwaltungsrat bleibt zunächst mal nichts hängen, und damit würde natürlich auch die Spezlwirtschaft in sich zusammenbrechen, denn der optische Eindruck in einer knappen und zugespitzten Berichterstattung ist natürlich ein anderer und das Volk und die Medien und die Berichterstattung sind im Augenblick im höchsten Maße sensibel, was man ja auch nach dieser wirklich unsäglichen Mollath-Affäre durchaus verstehen kann.

    Heckmann: Es bleiben ja dennoch Vorwürfe im Raum, die dann in einem zukünftigen Prozess auch behandelt werden, und das wird dann durchaus doch auch den Aufsichtsrat mit treffen, da diese Entscheidungen ja mit getroffen worden sind. Das Landgericht, das hat formuliert, dass der Kauf der Hypo Alpe Adria vor allem eine politische Entscheidung gewesen sei. Das heißt also, wie gefährlich könnte diese Geschichte für die Landesregierung unter Horst Seehofer noch werden kurz vor den Landtagswahlen?

    Oberreuter: Ja gut, das Landgericht hat im Wesentlichen festgestellt, dass es in solch weitreichenden ökonomischen Entscheidungen einen erheblichen Ermessensspielraum der Geschäftsleitung der Bank gibt, und nebenbei hat es festgestellt, auch die Politik wäre ja für diesen Verkauf gewesen. Aber das ist eigentlich kein tragfähiger Grund. Interessant wird natürlich der zweite Teil der Frage. Wir sind ja gewiss beide davon überzeugt, dass man differenzierend in der Öffentlichkeit schwerlich argumentieren kann. Und der Anschein, um das noch mal zu betonen, ist natürlich der, der in einer zugespitzten Presselandschaft und Presseberichterstattung entsteht und der im höchsten Maße natürlich nachteilig sein kann für die Nachrichtenlage und für die Art und Weise, wie es dann auf die Politik sich auswirkt. Also die CSU mit Seehofer hat das eine oder andere zu tun, um klar zu machen, dass Bayern eben keine Bananenrepublik ist, dass die Rechtspflege grundsätzlich in Ordnung ist und dass es keine Spezlwirtschaft zugunsten der CSU gibt. Aber das glaubwürdig darzustellen, wird eine sehr schwierige und eine sehr knifflige Aufgabe werden.

    Heckmann: Eine sehr schwierige Aufgabe. Die CSU war ja bei den letzten Umfragen ganz nahe dran an der absoluten Mehrheit. Wenn man jetzt diese Affäre, die ja noch nicht ganz aufgeklärt ist, zusammennimmt mit dem Fall Gustl Mollath – der erhebt ja schwere Vorwürfe weiterhin gegen die Justizministerin; es hörte sich ja an, als habe er ihr seine Freilassung zu verdanken -, welche Folgen könnten diese Geschichten haben für die CSU bei den anstehenden Wahlen?

    Oberreuter: Na ja, die Daten aus den Umfragen zeigen ja, dass die CSU mit 46 oder 47 Prozent rechnen könnte, wobei wir immer noch davon ausgehen dürfen, dass Umfragen keine Wahlentscheidungen sind. Das würde im Grunde bedeuten, dass ihr die absolute Mehrheit der Sitze zufallen würde, mit einiger Sicherheit in der nächsten Wahlperiode. Die Frage, ob das zutrifft oder nicht, ist eine Frage von ein, zwei Prozent hin und her, und wenn denn die öffentliche Meinung verunsichert wäre und wenn die Leute nicht nur, weil sie an der Politik verzweifeln und am politischen Stil, in die Abstinenz verfallen, sondern sich für SPD, Grüne oder Freie Wähler entscheiden würden als Alternative, dann wäre natürlich diese absolute Mehrheit weg.

    Aber noch nicht weg wäre mit Sicherheit die führende Regierungsrolle der CSU, und wenn die FDP es schafft, dann wird sie immer noch die Regierung in Bayern stellen können. Aber man muss halt sehen, dass in einer solchen knappen Mehrheitslage jedwedes ungute Gerücht oder auch jede diffizile Information am Wählermarkt schädlich sein kann, und die Bayern mögen sozusagen mit ihrer ökonomischen Situation und der Tatsache, in vielen Feldern führendes Land in der Bundesrepublik zu sein, zufrieden sein, aber sie wollen eigentlich, glaube ich, doch nicht skandalträchtig regiert werden und legen schon Wert auf saubere Verhältnisse.

    Heckmann: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und CSU-Chef, der hat ja immer wieder den richtigen Riecher.

    Oberreuter: Hallo?

    Heckmann: Hören Sie mich noch? – Herr Oberreuter? – Offenbar haben wir hier ein Problem mit der Leitung. Das tut mir sehr leid. Wir müssen an dieser Stelle das Gespräch deshalb abbrechen. – Wir haben gesprochen mit dem Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. Besten Dank für das Gespräch.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.