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"Nature is calling"

Fachleute warnen seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, man dürfe beim Artensterben nicht tatenlos zusehen. Einen weiteren Schritt, um möglichst viele Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, hat heute das Bundesumweltministerium gemacht. In Berlin wurde eine Artenschutzkampagne gestartet.

Von Dieter Nürnberger |
    Es ist ein völlig natürlicher Vorgang, wenn Tier- und Pflanzenarten aussterben. Aber durch den Eingriff des Menschen in die Lebensräume ist diese natürliche Rate um ein Vielfaches erhöht. Darin sind sich so gut wie alle Experten einig, ob vom UN-Umweltprogramm, von der Weltnaturschutzunion oder von den Umweltverbänden und Universitäten. Und deshalb, so der einhellige Appell der Fachleute seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, dürfen wir beim Artensterben nicht tatenlos zusehen. Einen weiteren Schritt, um möglichst viele Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, hat heute das Bundesumweltministerium gemacht. In Berlin wurde eine Artenschutzkampagne gestartet.

    Wie bei allen Artenschutzkampagnen soll zuallererst auf die Problematik aufmerksam gemacht werden. Interessant bei dieser Kampagne ist eher die Zielgruppe. "Nature is calling" heißt ja übersetzt soviel wie, dass die Natur anruft. Hier ist allerdings so, dass man eher die Natur anwählt - sprich: man kann sich Klingeltöne mit Stimmen von bedrohten Tierarten auf das Mobiltelefon herunterladen. Bei Anruf also Wolfsgeheul oder auch das Lachen einer Hyäne. Also eine recht verspielte Aktion allerdings mit ernstem Hintergrund. Es geht in erster Linie auch um Ferntouristen, die bei der Auswahl von Reisesouvenirs auf exotische Tiere oder Tierprodukte verzichten sollen. Die Botschaft ist klar: Wer auf Mitbringsel wie Geldbörsen aus Schlangenleder oder auch Papageienfedern verzichtet, der tut Gutes für den Artenschutz. Und Artenschutz sei eine ökologische Herausforderung mit durchaus existenzieller Bedeutung sagt Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der heute Vormittag im Berliner Zoologischen Garten die Aktion vorstellte.

    " Jeden Tag sterben rund 150 Tier- und Pflanzenarten aus, das ist auf den ersten Blick auch nichts Ungewöhnliches. Es kommt in der Evolution genau zu diesem Prozess. Aber diese Aussterbe-Rate übertrifft die vermutete, natürliche Rate ungefähr um den Faktor 100. Manche Schätzungen sind sogar darüber. "

    Konkret heißt dies: Weltweit sind allein 8.000 Tierarten und rund 40.000 Pflanzenarten gefährdet. Zwar hat die internationale Staatengemeinschaft längst reagiert - mit diversen Abkommen, aber die Statistiken sprechen eben eine andere Sprache. Beim Zoll beispielsweise ist die Zahl der Aufgriffe oder Sicherstellungen über die vergangenen Jahre deutlich angestiegen. So wurden vor allem auf Flughäfen 2004 rund 37.000 Exemplare beschlagnahmt. Darunter auch lebende Reptilien und Papageien. Und oft sei das Schmuggeln auch nichts anderes als Tierquälerei, sagt der Bundesumweltminister, denn viele Tiere überleben den Transport nicht, weil sie beispielsweise in einem schlichten Pappkarton im Reisegepäck verstaut worden seien. Da gäbe es durchaus viele abschreckende Beispiele. Es müsse gehandelt werden, die Gefährdung sei eindeutig, sagt Jürgen Trittin.

    " Das ist natürlich die Gefährdung der Lebensräume für solche Tiere, aber es ist eben auch die Nachfrage nach bestimmten Produkten. Wie beispielsweise bei der Teufelskralle. Deswegen gibt es seit 1973 das Washingtoner Artenschutzabkommen: 170 Staaten sind inzwischen beigetreten. 5.000 Tierarten und rund 30.000 Pflanzenarten stehen unter dem Schutz dieses Abkommens."

    In den nächsten Wochen gibt es nicht nur Klingeltöne von bedrohten Tierarten, sondern auch Broschüren und natürlich Informationen über das Internet.

    Einen Beitrag zum Artenschutz leisten natürlich auch die Zoos und Tierparke auf der ganzen Welt. Vereinzelt gäbe es Arten, die nur noch im Zoo vorkommen, sagt Jürgen Lange, er ist der Direktor des Berliner Zoos. Deshalb auch das Engagement dieser Institution weit über die deutsche Hauptstadt hinaus.

    " Deshalb haben sich die Zoos, auch der Berliner Zoo, nicht mehr damit begnügt, eine Arche Noah für bedrohte Tierarten zu sein. Wir beteiligen uns aktiv am Biotopschutz vor Ort. Wir beteiligen uns beispielsweise am Naturpark an der Oder, aber auch Projekten zum Schutz des Pandabären in China. Aber auch für Projekte im Kongo. Das Aquarium ist aktiv in Schutzprogrammen für das Meer. Für den Schutz einer Tierart kann aber noch viel mehr getan werden, wenn die Bevölkerung entsprechend aufgeklärt wird."

    Man will mit dieser Aktion also vor allem Jugendliche für das Thema ansprechen - und wenn in den kommenden Wochen beispielsweise die Hyäne als Klingelton zu hören ist, dann darf man hoffen, dass sich der Nutzer nicht nur einen schrägen Ton herunter geladen hat, sondern nun auch über den Artenschutz mehr Bescheid weiß.