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Navigationssystem im Gehirn
"So etwas braucht jeder Mensch"

John O´Keefe und das Ehepaar May-Britt und Edvard Moser teilen sich den Medizin-Nobelpreis. Sie bekommen ihn für Entdeckungen, die das räumliche Orientierungsvermögen von Tieren und Menschen betreffen. Wissenschaftsjournalist Michael Lange erläuterte im Deutschlandfunk, wo sich die Forschungen der künftigen Preisträger unterscheiden.

Wissenschaftsjournalist Michael Lange im Gespräch mit Ralf Krauter | 06.10.2014
    Das Modell eines menschlichen Gehirns
    Das Modell eines menschlichen Gehirns (dpa / picture alliance / Weigel)
    Wenn der Mensch im Alltag zurechtkommen will, müsse er seine Umgebung einschätzen können, sagte Michael Lange, Wissenschaftsjournalist und Fachmann für Neurobiologie. "Das ist eine ganz wesentliche biologische Fähigkeit."
    Bereits verhältnismäßig früh, so Lange, wusste die Forschung, dass dafür eine bestimmte Struktur im Gehirn verantwortlich ist: der Hippocampus.
    Diese in der Form einem Seepferdchen ähnelnde Struktur liegt sehr tief im Hirn und ist "eine Art Schaltstelle für unser Gedächtnis". Der Hipocampus bestimme, was sich unser Gehirn merken muss und was nicht, erläuterte Lange.
    "Aber wenn diese Stelle defekt ist, dann ist es so, dass wir die Orientierung verlieren."
    Navigationssysteme benötigen ein Koordinatensystem
    Der Forscher John O´Keefe, der sich jenen Bereich im Hirn von Ratten anschaute, hat "Zellen gefunden, die er Ortszellen nannte". Diese Zellen seien immer dann aktiv gewesen, wenn die Ratten an einem bestimmten Ort waren - in einem Labyrinth zum Beispiel oder in einem langen Gang. Michael Lange: "Und immer an einer bestimmten Stelle war eine bestimmte Zelle aktiv. Und da wusste er: Ich habe irgendetwas über dieses Navigationssystem herausgefunden."
    Die sogenannten Ortszellen lieferten, so Lange, eine Information über einen bestimmten, meist gut bekannten Aufenthaltsort.
    Anders als ein Computersystem wie Google Maps verfüge das menschliche und tierische Gehirn über viel zu wenige Daten, die als Orts-Referenzen dienen können. Die große Frage war also: Wie kann dieses System auf ein Referenzsystem, auf ein Koordinatensystem zurückgreifen?
    Genau an diesem Punkt komme das norwegische Forscherehepaar May-Britt und Edvard Moser ins Spiel, erklärte Lange.
    "Die beiden haben auf den Arbeiten John O´Keefe aufgebaut ( ... ) sie wussten, die Ortszellen von O´Keefe sind noch nicht die ganze Lösung."
    Ihre 'Lösung' waren schließlich die sogenannten Gitterzellen.Michael Lange: "Die sind in einer Nachbarregion des Hippocampus, der sogenannte entorhinale Kortex. Dort entdeckten sie Zellen, die auf eine sehr verwirrende Art aktiv waren. Die konnten gar nicht mit einzelnen Orten so genau zusammengebracht werden. Anscheinend waren sie unabhängig vom Navigationssystem und doch irgendwie dafür notwendig. Die waren immer dann aktiv, wenn sich die Tiere bewegten."
    Daraus schlossen die Forscher, dass diese Zellen das Gitternetz und Koordinatensystem sind. "Immer wenn wir uns bewegen, muss das neu justiert werden."
    Tatsächlich fanden die norwegischen Wissenschaftler ein sechseckiges Raster - "das Koordinatensystem, mit dem sich die Ratten bewegt haben."