Lange: Das heißt, Sie haben im Moment noch keine rechte Handhabe für irgendwelche Rückzahlungsforderungen?
Gansäuer: Genau so ist es, denn ich müsste ja wissen, in welcher Relation der Zeitaufwand zu dem Verdienst steht und dieser Parameter fehlt noch und deshalb habe ich gestern Herr Pischetsrieder gebeten, mir darüber Auskunft zu erteilen, und ich hoffe sehr, dass dies recht bald geschieht und zwar so geschieht, dass ich damit auch etwas anfangen kann. Also so oder so, es besteht ja auch die Möglichkeit, dass man mir mitteilt, die Kollegen haben im vollen Umfange entsprechend ihrer Dotierung Arbeit geleistet im VW-Werk. Dann ist für mich die Sache erledigt. Wenn das nicht der Fall ist, wird es schwierig für die beiden.
Lange: VW hat angekündigt, wie künftig verfahren werden soll. Fortfall der Bezüge oder ein klar spezifiziertes Arbeitsverhältnis, was dann auch nachvollziehbar dokumentiert wird. Ist das nicht die indirekte Bestätigung, dass es da eine ziemlich breite Grauzone gibt?
Gansäuer: Na ja, zumindest gegeben hat, würde ich mal sagen, denn der VW-Konzern hat nach etwas zögerlichem Handeln - wir haben ja lange darauf gewartet - jetzt die Karten offen gelegt - noch nicht ganz, aber fast - und hat jetzt die Konsequenzen daraus gezogen, die auch richtig sind, wobei man sich offen gestanden schon wundern muss, dass dies von 1990 bis heute, also fast 15 Jahre, so gegangen ist, dass Kollegen, die aus dem VW-Werk ins Parlament eingerückt sind, um es mal so zu formulieren, da zwei volle Gehälter bezogen haben und es niemanden gab, dem das komisch vorkam.
Lange: Bei Bundestagsabgeordneten sind vor Jahren die Diäten erhöht worden, weil man den Berufpolitiker wollte, für die Zeit seines Mandats. Wie ist das mit den Landtagsabgeordneten? Gelten da andere Maßstäbe?
Gansäuer: Ja, wir haben verschiedene andere Maßstäbe. Erstens ist das Abgeordnetenrecht des Bundes anders als des niedersächsischen Landtages. Wir sind da viel stringenter. Ich will mal ein Beispiel nennen in der Kürze der Zeit: Wenn Verfehlungen eines Bundestagsabgeordneten festgestellt werden durch den Bundestagspräsidenten, dann ist die einzige Sanktion, die das Bundesrecht kennt, dass der Bundestagspräsident diese veröffentlicht in einer Drucksache des Bundestages. Bei uns sind Sanktionen vorgesehen, nämlich die, dass die entsprechenden Beträge zurückgezahlt werden müssen. Aber ich muss das natürlich, wie in einem Rechstaat üblich, auch belegen können, und darum geht es jetzt. Es geht zum zweiten darum, dass ich der Auffassung bin, dass es so auf keinen Fall auch rechtlich weitergehen kann, denn wir haben im Grunde genommen 16 verschiedene Landesrechte auf diesem Gebiet plus das Bundesrecht und wir haben unterschiedliche Maßstäbe, die wir an Abgeordnete anlegen. Das ist ja nun wirklich - ich bin überzeugter Föderalist - aber das ist ja geradezu makaber, dass wir in Kiel andere Maßstäbe anlegen als in Stuttgart oder Dresden.
Lange: Es wird ja nun diskutiert, ob wieder neue Regeln her müssen, oder ein Verhaltskodex. Einfach gefragt: Muss das sein? Normalerweise sollte doch jedem einleuchten, wenn ich zwei Gehälter beziehe, aber nur einen Job wirklich mache, dann geht das doch nicht.
Gansäuer: Ja natürlich, es ist ja so, wie es mit uns Menschen generell ist, und da sind ja Politiker nicht ausgenommen: Wenn sich alle an die bestehenden Gesetze halten würden, die es ja jetzt schon gibt, auch wenn sie so unterschiedlich sind, dann hätten wir eh keine Probleme. Das Problem ist eben, dass sich möglicherweise einige daran nicht halten, und deshalb versuchen wir, die Dinge noch enger zu fassen. Aber ich sage schon, jetzt am Ende sind wir darauf angewiesen, dass die Gesetze eingehalten werden. Das ist bei Politkern nicht anders als bei den Bürgern. Wir haben also auch in der Straßenverkehrsordnung stehen, dass jeder nur 50 in der Ortschaft fährt, und wer hält sich da schon dran. Das ist ein simples Beispiel, aber es macht eben deutlich, dass wir, egal wo auch immer, darauf angewiesen sind, dass Bürger Gesetze respektieren und natürlich auch Politiker, wobei ich noch gerne hinzufügen möchte, dass Politiker da schon eine besondere Verantwortung haben, denn sie sind es ja, die Gesetze machen, und da sollte man auch erwarten, dass sie sich selber dran halten.
Lange: Was ist mit der Transparenz? Jetzt wird gefordert, es soll alles offen gelegt werden, es wird auf Beispiele verwiesen, USA, Großbritannien. Andere wiederum sagen, das geht nicht, das kann man nicht übertragen. Was spricht dagegen?
Gansäuer: Zunächst einmal kann ja jeder seine Einkommensverhältnisse offen legen. Da hat er ein schöne Homepage, da kann er seinen Einkommensteuerbescheid veröffentlichen, wenn er das möchte. Ich denke, dass es Sinn macht, wenn wir eine Regelung vorsehen, die besagt, dass die Einkommensverhältnisse gegenüber dem jeweiligen Präsidenten, der zu Verschwiegenheit und Vertraulichkeit verpflichtet ist, offen liegen. Denn das würde ja bedeuten, dass hier einer oder meinetwegen zwei Mitarbeiter in einem Landesparlament diese Informationen haben, die sie vertraulich behandeln müssen. Das sind weitaus weniger als diejenigen, die an einem Einkommensteuerbescheid innerhalb eines Finanzamtes arbeiten.
Lange: Aber was spricht dagegen, dass die Öffentlichkeit weiß, der oder jener kriegt von dem oder jenen noch so und soviel Geld nebenbei?
Gansäuer: Nein, das ist ja bei uns so geregelt, dass er das eben nur in einem bestimmten Verhältnis kann.
Lange: Aber dass es öffentlich ist, dass es jeder weiß, nicht nur der Bundestagspräsident.
Gansäuer: Nein, ich stelle mir jetzt vor, um es mal ganz praktisch und wenig abstrakt zu sagen: Ich kann einen Tischlermeister, der im Parlament sitzt, nicht veranlassen, jedes Jahr seine Einkommensverhältnisse offen zu legen, und einen anderen Handwerksmeister sicherlich auch nicht und einen Mittelständler auch nicht. Dafür würde sich die Konkurrenz doch sehr interessieren. Das ist, denke ich, unzumutbar. Aber gegenüber dem Präsidenten sollte er es tun, oder wenn er als Anwalt in einer Sozietät beschäftigt ist oder sie sogar leitet, dann kann ich nicht erwarten, dass er seine Einkommensverhältnisse offen legt und damit gleichzeitig eine Unzahl von Einkommensverhältnissen von Leuten, die mit dem Parlament nichts zu tun haben. Wir müssen da schon sehr genau hingucken. Ich bin für größere Offenheit, aber es geht nicht mit dem Rasenmäher. Da müssen wir sehr genau hingucken und deshalb wäre ich dafür, dass wir gemeinsam darüber diskutieren.
Aber ich will noch einmal sagen, ich persönlich bin da auch gar nicht festgelegt. Alles, was dazu beiträgt, dass wir diesen, ich sage es mal ganz einfach, diesen schrecklichen Zustand verlassen und etwas Besseres machen, das sollten wir machen. Und es ist mir auch völlig egal, ob einer da gute Vorschläge hat und aus der SPD oder Grünen, FDP oder CDU kommt. Wir müssen da offen drüber reden, denn hier geht es ja darum, dass die Erosion des Vertrauensverhältnissen zwischen Bürger und Politik beendet wird.
Lange: Ist das nicht ein merkwürdiger Widerspruch, dass immer mehr Politiker mit ihrem Privatleben und auch mit Belanglosigkeiten die Öffentlichkeit belästigen, geradezu hineindrängen, aber gerade bei dem, was nun tatsächlich von öffentlichem Interesse ist, dann Persönlichkeitsrechte geltend machen?
Gansäuer: Ja, es ist natürlich die Frage, das ist ja fast eine philosophische Frage, welchen Anspruch Wähler an diesen Menschen, der Politiker ist, egal welcher Couleur, haben.
Lange: Die wollen eigentlich nur wissen, ob derjenige, der meine Interessen vertritt, nicht nebenbei noch andere Interessen vertritt, die nicht meine Interessen sind.
Gansäuer: Ja, und das regeln wir, haben wir in Niedersachsen geregelt. Ich untersuche das ja gerade im Hinblick auf zwei Fälle. Wenn das so ist, dann werden die im Gegensatz zum Bund bei uns sogar sanktioniert. Das halte ich auch für richtig, aber wir müssen eben weiter gehen, bezogen auf die Berufsgruppen, von denen wir eben sprachen, Freiberufler, Mittelständler. Da bin ich wirklich entschieden der Auffassung, dass wir da nicht sagen können, die müssen ihr Einkommen sozusagen im Internet bekannt geben, sondern da müssen wir eine andere Form finden, die für den Bürger sicherstellt, dass die Dinge rechtstaatlich vernünftig geregelt sind, dass aber umgekehrt diese Leute sich nicht völlig ausziehen müssen. Ich sage Ihnen mal, es gibt noch eine andere Wirkung: Wenn diese Art der Öffentlichkeit gefordert wird, dass sozusagen jeder Cent im Internet erscheint, dann garantiere ich Ihnen, dass viele, noch viel mehr gute Leute, die wir eigentlich bräuchten, sagen: Vielen Dank, aber ich setze mich überall hin, bloß nicht in ein Parlament.