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Nees: Kindergelderhöhung ist kein unnötiges Steuergeschenk

Der Präsident des Deutschen Familienverbandes, Albin Nees, hat eine stärkere Erhöhung des Kindergeldes als jetzt geplant gefordert. Der Mindestbedarf eines Kindes liege deutlich über 20 Euro je Kind.

Albin Nees im Gespräch mit Jochen Spengler | 12.11.2009
    Jochen Spengler: Der Bundestag hat heute erstmals über das geplante Gesetz zur Wachstumsbeschleunigung debattiert, die erste Lesung des Gesetzes, durch das ab 1. Januar Unternehmen und Bürger um mehrere Milliarden Euro entlastet werden sollen. Im Hotelgewerbe beispielsweise sinkt die Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent. Für Kinder aber zahlt der Staat künftig mehr. Wir haben vernommen: Ab Januar soll es Wohltaten unter anderem für Familien mit Kindern geben. Am Telefon ist der Präsident des Deutschen Familienverbandes, Albin Nees. Guten Tag, Herr Nees.

    Albin Nees: Guten Tag, Herr Spengler.

    Spengler: Der Deutsche Familienverband ist aus dem Bund der Kinderreichen entstanden und setzt sich für eine Politik ein, entnehme ich der Website, die die Familie in den Mittelpunkt jedes gesellschaftspolitischen Handelns stellt und ihre Leistungen anerkennt. Werden, Herr Nees, mit der Kindergelderhöhung von 20 Euro je Kind die Leistungen der Familien anerkannt, oder sind das unnötige Steuergeschenke?

    Nees: Keinesfalls unnötige Steuergeschenke. Trotzdem kann ich nicht sagen, dass damit in vollem Umfang die Leistungen der Familien anerkannt würden, denn die Erhöhung des Kindergeldes beim ersten und zweiten Kind von derzeit 164 Euro auf 184 reicht noch lange nicht aus. Der Mindestbedarf, den ein Kind hat, liegt deutlich über diesem Betrag.

    Spengler: Also man kann sagen, die Leistungen der Familien werden anerkannt, aber nicht so weit, wie Sie sich das wünschen?

    Nees: Genau.

    Spengler: Wenn denn die Kindergelderhöhung so käme, wie Sie es nun gerade gesagt haben, wären Sie dann zufrieden, oder bräuchte es noch mehr, um die Leistung der Familien anzuerkennen?

    Nees: Es müsste sehr viel mehr geschehen. Ausgang für die Kindergelderhöhung, die wir jetzt haben, ist ja die Erhöhung des steuerlichen Kinderfreibetrages. Der liegt pro Jahr derzeit bei 6024 Euro und soll künftig 7008 Euro betragen. Dieser neue Betrag ist ungefähr, was diese Erhöhung um knapp 1000 Euro angeht, die Hälfte dessen, was dringend nötig wäre. Wir haben die Versprechen etwa des Koalitionspartners FDP und bereits vor vier Jahren der CDU gehabt, den Kinderfreibetrag auf 8000 Euro anzuheben. Das wäre die Mindestsumme, die heute gerechtfertigt wäre.
    Das ist aber noch nicht alles. Es käme natürlich hinzu, dass auch die Mehrwertsteuer für typische Kinderbedarfe derzeit noch bei 19 Prozent liegt. Wir wollen seit Langem, dass sie auf sieben Prozent gesenkt wird. So wie jetzt bei diesem Wachstumsbeschleunigungsgesetz beim Hotel- und Gaststättengewerbe die Beträge von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden, müsste das bei Schulessen geschehen und bei typischen Kinderbedarfen auch.

    Spengler: Nun sagen Kritiker der Kindergelderhöhung, dass sie sozial unausgewogen sei. Ärmere Familien haben nichts von einem höheren Kinderfreibetrag, weil sie einfach das steuerlich nicht geltend machen können, und Hartz-IV-Familien haben nichts vom Kindergeld, weil sie das nicht kriegen, sondern sie kriegen Sozialgeld. Fühlen Sie sich als Verband nur zuständig für wohlhabende Familien?

    Nees: Nein, wir sind nicht nur zuständig für wohlhabende Familien. Sonst würden wir uns natürlich ständig einsetzen allein dafür, dass der Steuerfreibetrag erhöht wird. Aber wir wollen auch, dass in angemessenem Umfang diese Erhöhung auch den anderen Kindern zugutekommt, zum Beispiel denen, deren Eltern einen Steuersatz von etwa 20 Prozent haben. Die fallen eigentlich raus, denn der Eingangssteuersatz von derzeit 15 Prozent bringt nicht so viel, wie diese 20 ausmachen. Das sind nur 15 Euro ungefähr. Aber da haben andere Steuerzahler auch etwas davon. Im Übrigen: dass Besserverdienende bessergestellt werden, das liegt an unserem Steuerrecht, nicht an dem Sozialrecht oder Ordnungsrecht, wovon wir das Kindergeld und die Kinderkostenfreistellung ableiten.

    Spengler: Herr Nees, was ist mit den Hartz-IV-Familien? Sollte das Sozialgeld auch erhöht werden wie das Kindergeld?

    Nees: Das Sozialgeld ist bei den Hartz-IV-Familien kürzlich erst erhöht worden, bei den bis zu 14jährigen Kindern von dem Anteil 60 Prozent eines Erwachsenen auf 70 Prozent. Es beträgt also im Moment 251 Euro pro Monat bei dem Regelbedarf und dazu kommen mindestens 250 Euro für Miete, Heizkosten, Mehrbedarfe, Klassenfahrten und Ähnliches. Da kann man jetzt einfach überprüfen. Ich warte ganz gespannt darauf, was das Bundesverfassungsgericht zu diesen Regelsätzen sagt. Aber dort liegt es daran, dass die schlichte Formel gilt: Bedarf minus Einkommen ist Höhe der Leistung, die man erhält. Es wird ausgerechnet, wie hoch der Bedarf ist, den jeder Mensch benötigt, und es wird abgezogen das, was er an Einkommen hat, und da wird auch das Kindergeld abgezogen. Insofern sind das zwei Sachen, die nichts miteinander zu tun haben.

    Spengler: Nun sagen Kritiker ebenfalls, es wäre besser, wenn man die Milliarden, die nun für das Kindergeld ausgegeben werden, für die Erhöhung des Kindergeldes, besser für ein kostenloses warmes Mittagessen in der Schule oder für kostenlose Krippen und Kitas zur Verfügung stellen würde. Was sagen Sie dazu?

    Nees: Diese Kritik ist völlig unverständlich, aus zwei Gründen. Das erste: die normalen Familien, nicht vielleicht diejenigen, die so allgemein in der modernen Diskussion als Unterschichtfamilien bezeichnet werden – das sind deutschlandweit gesehen keine zehn Prozent -, tun alles für ihr Kind und sorgen dafür, dass das Kind ordentlich ernährt wird, ordentlich Bewegung hat, ordentlich angezogen ist, seine Schulaufgaben macht und so weiter und so weiter, und man kann nicht eine Politik machen, die sich an den wenigen Ausnahmen orientiert. Das ist der erste Punkt. - Der zweite:

    Spengler: Den müssen Sie uns ganz schnell erzählen, Herr Nees.

    Nees: Die Kosten, die für Kindertagesstätten ausgegeben werden müssen, sind weit, weit höher als das, was Eltern dafür bekommen, dass sie ihre Kinder betreuen, pflegen, gut versorgen.

    Spengler: Danke schön! – Das war der Präsident des Deutschen Familienverbandes, Albin Nees.