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Nein der Griechen kam nicht überraschend

Heinlein: Das Zypern-Referendum, eine Schizophrenie der Politik. Die Türken haben Ja gesagt, doch sie bleiben draußen vor der Tür. Die Griechen stimmten laut mit Nein, doch ihnen wird das Tor nach Brüssel geöffnet. Gestern der Versuch der europäischen Außenminister, die Folgen der gescheiterten Wiedervereinigung für die Inseltürken abzufedern. Wirtschaftliche Hilfen werden in Aussicht gestellt, und heute - sicher kein Zufall - ist der türkische Ministerpräsident Erdogan zu Besuch in Deutschland. Bundeskanzler Schröder soll erklären, wie es nun weitergeht mit der Türkei und Europa. Bei mir am Telefon ist nun der Leiter des Instituts für Europaforschung der Universität Ankara, Professor Nail Alkan. Herr Professor Alkan, wie groß ist bei Ihnen persönlich der Ärger über die Griechen und ihr Veto gegen die Wiedervereinigung Zyperns.

    Alkan: Der Ärger ist nicht allzu groß, weil wir eigentlich auch erwartet hatten, dass die Inselgriechen wohl mit Nein abstimmen würden. Das hatte sich schon vorher gezeigt, weil auch bestimmte Parteien auf der Insel und auch in Griechenland für ein Nein votiert haben, so dass wir nicht sehr überrascht waren. Die Frage ist aber, wie es nach dem Nein weitergehen wird. Ich meine, die türkische Seite war für ein Ja, weil sie seit Jahren aus der Isolation herauskommen wollte. Deshalb müssen wir jetzt schauen, wie die ganze Sache weitergehen wird. Das ist jetzt das große Problem.

    Heinlein: Wie geht es denn nun weiter? Was erwarten Sie? Wird es ein zweites Referendum irgendwann in den nächsten Jahren geben?

    Alkan: Ich meine, die griechische Seite scheint ja in diesem Bereich aktiv zu sein, soweit man dem Ministerpräsidenten glauben darf. Er spricht ja davon, dass dieses Nein nicht sehr viel zu bedeuten hat, dass dieses Nein auch später zu einem Ja werden könnte und dass die griechische Seite nur gegen den Plan von Annan ist, nicht aber gegen die Wiedervereinigung der Insel, so dass wir schon hoffen, dass sich die beiden Seiten auf der Insel näherkommen. Das gute an der ganzen Sache war ja, dass in den letzten Jahren die beiden Seiten auf der Insel sowie die Türkei und Griechenland sich nähergekommen sind. Sie haben an einem Tisch über dieses Thema diskutiert und hatten das Zypernproblem fast gelöst, das schon seit 1974 besteht, so dass wir eigentlich positiv darüber denken, wie es weitergeht. Wir hoffen natürlich, dass die türkische Seite jetzt auch international anerkannt wird, weil die türkische Seite seit 1974 von keinem Staat auf der Welt anerkannt wurde, und wir hoffen jetzt, dass die türkische Seite aus der Isolation rauskommt, die wir seit 40 Jahren auf der Insel haben.

    Heinlein: Was erwarten Sie denn von Brüssel? Soll tatsächlich die politische Isolation von Nordzypern beendet werden oder vielleicht sogar der türkische Teil völkerrechtlich anerkannt werden?

    Alkan: Also wir hoffen schon, dass gerade Brüssel jetzt die türkische Seite anerkennt und dass auch ein bisschen wirtschaftlich unter die Arme gegriffen werden kann, denn gerade wenn man die türkische und griechische Seite auf der Insel vergleicht, besteht ein sehr großer Unterschied, so dass wir hoffen, dass die türkische Seite zunächst wirtschaftlich unterstützt wird, weil die meisten Menschen auch für eine EU-Mitgliedschaft auf der Insel sind, weil es ihnen wirtschaftlich sehr schlecht geht. Die Insel wird nur von der Türkei wirtschaftlich unterstützt. Wenn die Türkei zum Beispiel den Beamten auf der Insel den Lohn nicht bezahlt, hat die Insel kein Geld, so dass die Inseltürken auch für die EU gestimmt haben, weil sie auch wirtschaftlich schlecht dran sind. Wir hoffen natürlich, dass jetzt die Europäische Union auch den türkischen Teil der Insel politisch anerkennt. Das ist auch das große Problem, weil die Inseltürken seit 40 Jahren auf die politische Anerkennung warten.

    Heinlein: Gestern haben ja die EU-Außenminister bereits erste Andeutungen gemacht, was an Kompensation, was an wirtschaftlichen Hilfen für den Nordteil geplant ist. Halten Sie dies für ausreichend, was bisher geplant ist?

    Alkan: Ich meine, man spricht von 260 Millionen Euro. Das ist natürlich nicht ausreichend, aber es wäre ein erster Schritt. Natürlich muss man auch sehen, ob es weitergeht. Ich meine, mit einer wirtschaftlichen Spritze ist das Ganze nicht getan, weil die Insel in einer wirtschaftlichen Not steckt. Es geht um das Prinzip, dass man die Insel anerkennt. Es geht um das Prinzip, dass man der Insel auch wirtschaftlich weiterhilft, nicht nur einmal der Insel dieses Geld gibt und dann sagt, jetzt macht ihr, was ihr wollt. Wir müssen auch denken, dass wir eine Insel haben, eine Grenze haben. Der Südteil der Insel sind EU-Bürger, und der Nordteil sind Türken. Das ist auch psychologisch ein sehr großes Problem für die Inseltürken, weil sie denken, zwei Kilometer südlich von uns sind die gleichen Menschen, sind auch Inselbewohner, und die sind EU-Bürger, sie verdienen 15.000 Euro im Monat und wir
    nur 2.000 Euro zum Beispiel. Die Inseltürken wollen endlich mal von der Welt anerkannt werden. Das ist ein Schattendasein der Inseltürken, dass sie seit 75 nie anerkannt wurden.

    Heinlein: Was bedeutet dieses gescheiterte Referendum für den Wunsch der Türkei nach möglichst raschem Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen? Verändert dieses gescheiterte Referendum etwas an diesem Wunsch?

    Alkan: Nein, am Wunsch natürlich nicht. Wir hoffen natürlich, dass die Europäische Union das genauso sieht. Es hießt ja, dass die Türkei versuchen sollte, das Zypernproblem im Rahmen der Vereinten Nationen zu lösen, und die Türkei hat sich jetzt dafür eingesetzt, dieses Problem zu lösen, hat sich für den Vorschlag des UNO-Generalsekretärs ausgesprochen. Man kann also der Türkei nicht vorwerfen, sie habe das Zypernproblem nicht gelöst. Wir wollten es lösen.

    Heinlein: Ende des Jahres will Brüssel über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ankara entscheiden. Haben Sie Sorge, dass Zypern, das ja dann neues EU-Mitglied ist, vielleicht in dieser Frage ein Veto einlegen könnte?

    Alkan: Sorge natürlich schon, aber ich hoffe nicht, dass Zypern sein Veto einlegen wird. Das wäre natürlich ein sehr großes Problem, denn die Türkei hat in den letzten Jahren die Probleme mit Griechenland gelöst. Wir haben auch einen guten Dialog mit Griechenland gestartet. Griechenland hat auch seit Jahren sein Veto in Bezug auf die Türkei zurückgezogen. Wir hoffen, dass jetzt auf Grund der Zypernproblematik die griechische Seite nicht wieder mit ihrem Veto anfängt. Das wäre schade. Dann wären die letzten zehn Jahre eigentlich umsonst, weil in den letzten zehn Jahren die türkische und die griechische Seite sich nähergekommen sind, weil wir einen Dialog haben. Man muss bedenken, dass, wenn wir dieses Datum für die Beitrittsverhandlungen bekommen, es noch an die zehn bis fünfzehn Jahre dauern, bis die Türkei Mitglied der Europäischen Union wird, so dass man der Türkei auch ein bisschen unter die Arme greifen sollte, denn wir haben noch ein großes Stück Arbeit vor uns, bevor wir Mitglied der Europäischen Union werden.

    Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.