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Nennung der Herkunft von Tätern
Umstrittene Richtlinie im Pressekodex bleibt

Journalisten wird weiter empfohlen, die Nationalität von Straftätern und Verdächtigen nur dann zu nennen, wenn es einen Sachbezug zur Tat gibt. Der Presserat hat einen Antrag auf Änderung der entsprechenden Richtlinie im Pressekodex abgelehnt. Seit den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht gibt es Kritik an dem Passus.

    In einer Reihe liegen deutsche Zeitungen (vorne die Berliner Morgenpost, der Tagesspiegel und die Welt). Daneben kopfüber eine Reihe ausländischer Blätter.
    Die Richtlinie 12.1 des Pressekodex wird nicht geändert. (Jens Kalaene/dpa)
    Das Plenum des Presserates sprach sich mit einer Mehrheit für eine Beibehaltung der Richtlinie 12.1 des Pressekodexes aus, wie der Geschäftsführer des Presserats, Lutz Tillmanns, dem Evangelischen Pressedienst sagte. Die Vollversammlung sei übereingekommen, dass die Richtlinie kein Sprachverbot für Medien darstelle, sagte Tillmanns. Zugleich erkenne man jedoch an, dass in den Redaktionen Unsicherheit über die Anwendung herrsche. Dabei wolle man Journalisten künftig verstärkt Hilfestellung leisten, erklärte er. Die diskutierte Regelung sieht vor, dass Medien die Herkunft oder Religion von Straftätern nur dann nennen, wenn ein "begründbarer Sachbezug" zu der Straftat besteht. Im Wortlaut:
    Berichterstattung über Straftaten: In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
    Gegner der Richtlinie hatten argumentiert, die Richtlinie bevormunde die Leser. So sagte Rolf Seelheim, Chefredakteur der "Nord-West-Zeitung": "Man sollte die Leser nicht für so dumm halten, dass sie von der Herkunft einzelner Täter auf die Gesinnung einer ganzen Nation schließen." Das meint auch "Bild"-Chefredakteurin Tanit Koch. Sie sagte dem "medium magazin": "Die Richtlinie steht für ungerechtfertigte Selbstzensur und belegt, wie unmündig Leser in den Augen des Presserates sind. Schlimmer noch: Ihre Anwendung schürt das Misstrauen gegenüber der journalistischen Arbeit - Menschen merken, wenn ihnen relevante Informationen vorenthalten werden."
    DJV: Richtlinie verbietet die Nennung nicht
    Fürsprecher der Richtlinie hielten dagegen, dass die Richtlinie nicht darauf abziele, relevante Informationen vorzuenthalten. So schrieb der Medienjournalist Stefan Niggemeier auf dem Blog Übermedien: "Wenn die Religion, Nationalität, Sexualität von Verdächtigen eine Rolle spielt, darf sie selbstverständlich genannt werden." So sieht es auch der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall. Er sagte im Deutschlandradio Kultur, die Richtlinie verbiete nicht etwa, die Nationalität von Straftätern zu nennen. "Auch heute kann man doch schon klar benennen, wenn es solche Zusammenhänge gibt", sagte Überall.
    Niggemeier sieht bei der Debatte über die Richtlinie ein ganz anderes Problem: Nämlich die Annahme, dass die Nationalität oder ethnische Herkunft eines Verdächtigen quasi immer relevant sei: "Als würde sie erklären, warum jemand eine Straftat begeht." Er verweist außerdem auf eine andere Wirkung der Richtlinie: Sie ermahne die Redaktionen zu einer sorgfältigen Abwägung. Das sei ein Wert für sich, findet auch der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen: "Diese Abwägungsarbeit in einem Feld von widersprüchlichen Anforderungen ist ein Qualitätsmerkmal von gutem Journalismus; man sollte sie nicht diskreditieren."
    Viele Beschwerden nach Berichterstattung über Kölner Silvesternacht
    Die Berichterstattung über die Kölner Silvester-Übergriffe hatte zu zahlreichen Beschwerden beim Presserat geführt. Am häufigsten kritisierten Leser dabei Artikel in regionalen und lokalen Tageszeitungen. Grundsätzlich richten sich die Beschwerden beim Presserat mittlerweile zum großen Teil gegen Online-Artikel. Im Jahr 2015 gingen 708 Beschwerden über Online-Publikationen ein, aber nur 394 zu Print-Artikeln.
    (cvo/stfr)