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Netflix-Serie "Dogs of Berlin"
Wuff, wuff, jaul

Netflix zeigt seine zweite deutsche Serienproduktion "Dogs of Berlin" und liefert Trash-TV für Halbstarke. Ein Tiefpunkt im Programm des Streaming-Dienstes, der höchstens durch hysterisches Hundegebell auffällt.

Von Julian Ignatowitsch | 06.12.2018
    Zwei Schauspieler der Netflix-Serie "Dogs of Berlin" stehen an einem Schreibtisch
    Szenenauschnitt "Dogs of Berlin" (© 2018 Stefan Erhard)
    Was tun, wenn’s brennt?
    "Ich wusste nur, dass die Zeit meiner Abrechnung irgendwann kommt. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich die Stadt in Brand setzen würde."
    Vielleicht einfach mal mit dem Säugling im Arm auf die Straße gehen, dabei zufällig eine Leiche entdecken und der Polizei ein paar aufgeblasene Anweisungen geben.
    LKA-Ermittler Grimmer: "Sie haben den Exitus festgestellt?"
    Polizist Wachtmeister: "Ja, aber nicht offiziell. Das macht dann ja der Notarzt."
    LKA-Ermittler Grimmer: "Schon klar. Was haben sie denn dabei angefasst?"
    Polizist Wachtmeister: "Was machen sie denn hier?"
    LKA-Ermittler Grimmer: "Ich wohne hier in der Nähe."
    Wie gut, wenn man dann noch von der LKA-Mordkommision ist.
    LKA-Ermittler Grimmer: "Grimmer, LKA, was ist denn hier los?"
    Was da los ist? Ein Fußballer ist tot. Ein sehr guter sogar. Genau genommen ist er der Superstar und Posterboy der deutschen Nationalmannschaft - und er hat einen türkischen Migrationshintergrund.
    Leiter Seiler: "In Verbindung mit dem Spiel morgen wird das ein Festbankett für die Medienwichser!"
    LKA-Ermittler Grimmer: "Den Türken schmeckt nicht, dass er für Deutschland spielt – und den Rechten passt das noch viel weniger."
    Eine Serie wie ein kleiner Straßenköter
    Zufälligerweise steht gerade das brisante Länderspiel Deutschland gegen die Türkei vor der Tür - LKA-Ermittler Grimmer ist also zur richtigen Zeit am richtigen Ort; denn zufälligerweise hat er Wettschulden, die er durch die Insiderinformation über den Mord mal eben begleichen könnte - und nebenbei bringt ihm das Ganze auch noch eine Dienstbeförderung ein. Wie schön!
    LKA-Ermittler Grimmer: "Auf gehts Leute! Willkommen bei der Soko ‚Rote Karte‘."
    Die Serie "Dogs of Berlin" ist wie einer dieser nervigen kleinen Straßenköter, die viel zu laut und aufgeregt bellen - und dabei umso lächerlicher wirken, weil sie niemanden erschrecken - man eher das Gefühl hat, sie leiden unter Minderwertigkeitskomplexen.
    Die Serie will hart sein, sie will grotesk, manchmal zynisch und absurd sein, aber wie ihr Protagonist ist sie einfach nur: aufgeblasen.
    LKA-Ermittler Grimmer: "Ich muss ins Stadion, Alter. Geld besorgen für Tomo."
    An der Grenze zur unfreiwilligen Satire
    LKA-Ermittler Grimmer, gespielt von Felix Kramer, personifiziert dieses seriengewordene Desaster relativ gut. Seine wild zusammengesponnene Geschichte ist genauso unglaubwürdig wie seine aufgeregten, verhängnisvollen Handlungen: Er lügt, manipuliert, geht fremd, macht Schulden - und alles das ziemlich dilettantisch. In der filmischen Darstellung sowieso komplett überzogen, schauspielerisch an der (unfreiwilligen) Grenze zur Satire, bei den Dialogen hört man besser weg:
    Freundin Sabine: "Die werden dir wehtun, oder? Du kannst nicht mal deinen Kollegen davon erzählen."
    LKA-Ermittler Grimmer: "Mach dir keine Sorgen. Ich fall schon auf die Füße…"
    Die Serie nimmt den Zuschauer schlichtweg nicht ernst oder hält ihn für begriffsstutzig: Jede Drohung ist von einem Wimmern, jedes Lob von einem Lächeln in Großaufnahme begleitet. Verzweiflung wird mit Kinderschreien und Gefahr mit Hundegebell unterlegt.
    Dazu nimmt die Serie so ungefähr jedes Klischee auf, dass sich bei der Thematik Migration und Integration anbietet: Da ist der unsympathische Neo-Nazi, der kriminelle Ausländer, der gut integrierte Türkenjunge, der von seinen Mitschülern als "Kartoffel" beschimpft wird und deshalb auf Abwege gerät; die asoziale Sozialhilfeempfängerin und die hilflos-betuchte Hausfrau.
    Kurz: Eine Art GZSZ-Polizeiruf. Das Ganze spielt natürlich: in Berlin. Der Rapper "Haftbefehl" ist dabei und Tatortermittler Fahri Yardim. Macht die Sache nicht besser, im Gegenteil…
    Halbstarke TV-Kost
    "Dogs of Berlin" ist so halbstark wie Azzlack-Straßenrap, der ja in den deutschen Charts derzeit ziemlich gut ankommt. Ob das bei Netflix auch läuft? Zweifelhaft. Der Streaming-Dienst fährt die Vorab-Promo für die zweite deutsche Eigenproduktion überraschend zurückhaltend. Ist einem das Ergebnis vielleicht selbst peinlich? Mit dem thematisch ähnlichen "4 Blocks" (abrufbar bei Amazon) kann sich "Dogs of Berlin" definitiv nicht messen, auch nicht mit anderen Berlin-Seriendramen wie "Tempel" (im ZDF) oder "Beat" (Amazon).
    Die Serie ist ein vorläufiger Tiefpunkt im Programm von Netflix, über das man ja sonst viel Positives sagen kann. Diesmal nur: Wuff, wuff!