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Bundesinnenministerium wusste schon früher von Ermittlungen

In der Affäre um das Blog "Netzpolitik.org" rückt das Bundesinnenministerium in den Mittelpunkt des Interesses. Es war über das Verfahren offenbar früher und besser informiert als bislang bekannt. Ein Sprecher sagte dem DLF-Hauptstadtstudio, das Ministerium wusste bereits im Juni von den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wegen Landesverrats.

Von Gudula Geuther | 06.08.2015
    Außenansicht des Neubau des Bundesinnenministeriums am 09.06.2015 in Berlin.
    Wann wusste das Bundesinnenministerium von den Ermittlungen gegen die Internetseite "netzpolitik.org"? (dpa / picture-alliance / Gregor Fischer)
    Im Bundesinnenministerium wusste man früher von dem umstrittenen Verfahren wegen Landesverrats als bisher bekannt. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mitteilte, wurde der zuständigen Fachabteilung im Ministerium bereits im Juni mitgeteilt, dass der Generalbundesanwalt das Bundeskriminalamt mit Ermittlungen wegen Landesverrats beauftragt habe. Aus diesem Bericht, den das BKA im Rahmen einer routinemäßigen Sammelmitteilung ans vorgesetzte Innenministerium geschrieben habe, sei auch ersichtlich gewesen, dass sich das Verfahren gegen unbekannt und gegen zwei Journalisten richtete - wenn auch nicht, gegen wen. Auch das bestätigte ein Ministeriumssprecher unserem Hauptstadtstudio.
    Die ARD hatte zuvor berichtet, das Ministerium sei umfassend über alle Phasen der Ermittlungen informiert gewesen - und hätte das bisher falsch dargestellt. Das Ministerium bestreitet das. Wichtig wäre es, weil sich Ministeriumssprecher bisher inhaltlich von den Ermittlungen gegen die Journalisten distanziert hatten. Und weil Fragen aufgetaucht waren, ob Minister Thomas de Maiziere über die relevanten Vorgänge in seinem Haus ausreichend informiert werde. Die Strafanzeigen, die den Ermittlungen zugrunde lagen, hatte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz gestellt, Hans-Georg Maaßen. Das hatte erst heute früh in der Rheinischen Post Innenstaatssekretär Günter Krings gerechtfertigt. Dabei betonten Vertreter des Innenministeriums mehrfach, die Strafanzeige habe sich erkennbar gegen die Quellen gerichtet, die den Wirtschaftsplan des Bundesamtes für Verfassungsschutz weitergegeben hätten, nicht gegen Journalisten.
    Strafanzeige wegen "Durchstechens" mehrerer Dokumente
    Innenstaatssekretärin Emily Haber hatte am vergangenen Freitag gesagt, das Ministerium sei sehr früh über die Absicht des Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen informiert worden, Strafanzeige wegen des Durchstechens von mehreren Dokumenten zu stellen. Und dann weiter wörtlich: "Das war alles". Diesem "das war alles" widerspricht die Meldung der ARD, dass das Gutachten aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz, das im Rahmen des Verfahrens erstellt wurde, im Haus bekannt war. Zu der Frage, ob im Ministerium vor der Presseberichterstattung das Ermittlungsverfahren bekannt gewesen sei, hatte am Montag Ministeriumssprecher Tobias Plate gesagt: Mir wäre nicht bekannt, dass es irgendjemand im Ministerium vorher gewusst hätte, dass Ermittlungen im Bereich laufen. Unser Ministerium hat ja über 1.500 Mitarbeiter und ich habe mit einigen, glaube ich ziemlich relevanten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über diese Frage gesprochen. Für die kann ich das ausschließen. Aber ich habe natürlich nicht mit allen 1.500 Mitarbeitern gesprochen."
    Der Sprecher betont nun, mit den relevanten Personen seien Minister, Staatssekretäre und deren unmittelbare Umgebung gemeint gewesen, nicht die Fachabteilung. In der Opposition, aber auch in der SPD wächst die Kritik an Maaßen und auch an de Maiziere. Fragen danach, wer wann was wusste, hätten die Grünen gern in einer Sondersitzung des Bundestags-Rechtsausschusses gestellt. Den einzuberufen hat Bundestagspräsident Norbert Lammert heute abgelehnt. Union und SPD hatten sich gegen die Sitzung in der Sommerpause ausgesprochen. Renate Künast, Vorsitzende des Rechtsausschusses, zeigte sich empört. Die Ablehnung setze den Skandal weiter fort, so die Grünen-Politikerin.