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Neuanfang oder Abstieg der PDS?

    Durak: So weit ist es nun mit der PDS gekommen. Unmittelbar vor ihrem Nachbundestagswahlparteitag befindet sich die Bundesspitze in einem heftigen Personalkampf und insgesamt in einer existenziellen Debatte, die ich mal mit zwei gegensätzlichen Beschreibungen charakterisieren will. Entweder macht die PDS zur Zeit einen heilsamen Selbstreinigungsprozess durch, oder sie befindet sich im unvermeidlichen Abstieg zu einer Regionalpartei. Ob sich mein Interviewpartner jetzt für eine der beiden Varianten entscheiden kann, das werden wir jetzt hören oder gar Alternativen. Am Telefon ist Lothar Bisky. Er ist Vorsitzender der PDS-Landtagsfraktion in Brandenburg und Landesvorsitzender dort. Schönen guten Morgen Herr Bisky!

    Bisky: Schönen guten Morgen Frau Durak. – Ich bin dort nicht Landesvorsitzender; ich bin Fraktionsvorsitzender. Ich bin bescheidener in den Ämtern geworden und das ist auch richtig so.

    Durak: Darauf werde ich noch zurückkommen, aber nun: für welche der beiden Varianten entscheiden Sie sich, Selbstreinigung oder Abstieg?

    Bisky: Sehen Sie, die Varianten, die Sie zeichnen, kann man so sehen. Ich sehe sie etwas differenzierter. Ich will mit denen im Bundesvorstand, die dafür aufstehen, und mit vielen anderen in der Partei, ich denke mit einer eindeutigen Mehrheit, einen ganz deutlichen Reformkurs weiterführen. Die Partei muss kenntlich werden und sie muss lernen – und das ist das Neue -, mit einer Niederlage fertig zu werden und nicht gleich, wenn man mal eine Wahlniederlage erleidet – und wir haben eine deutliche erlitten -, nicht gleich dann vor lauter Verzweiflung alles, was man bisher auch für richtig befunden hat, wegzuwerfen. Aber eine Entscheidung muss man haben. Das ist eine programmatische Entscheidung, in der deutlich wird, was demokratische Sozialistinnen und Sozialisten in der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahren mittelfristig, langfristig und kurzfristig erreichen wollen. Die Partei muss kenntlich sein. Die Wählerinnen und Wähler, von denen ja 300000 in die Nichtwählerschaft von der PDS abgewandert sind, die müssen erkennen oder wiedererkennen, was will diese Partei. Das ist uns nicht ausreichend gelungen. Da brauchen wir eine ganz deutliche und tiefergründige Analyse der Ursachen, als es in drei Wochen bis zum Parteitag in Gera möglich ist, und dann muss man sich aber auch deutlich entscheiden. Ich bin eigentlich zuversichtlich, dass viele Leute in der PDS, die dieses Projekt PDS ja nicht um ihrer selbst Willen wollten, sondern um Interessen auszudrücken, um sozialistische Politik in der Bundesrepublik weiterhin kenntlich zu halten, dass diese Menschen sich entscheiden, das Projekt PDS fortzusetzen, und entschieden auch einen neuen Vorstand und eine neue Vorsitzende oder einen neuen Vorsitzenden wählen.

    Durak: Das war schon fast eine Rede für den Parteitag in anderthalb Minuten, Herr Bisky. Ich will auf zwei Punkte zurückkommen. Sie sagen, der Reformkurs soll fortgesetzt werden. Ist es nicht so, dass sich die PDS jetzt auf dem Parteitag zu einer anderen Richtung entscheiden muss?

    Bisky: Ich kann es ja nur kurz machen, weil man es deutlich machen will. Ich will sagen und mit aller Deutlichkeit, die PDS ist keine kleine DKP. Die PDS ist keine kleine SPD. Die PDS ist kein Versatzprojekt der Grünen. Die PDS muss demokratisch-sozialistische Ansätze in die Politik einbringen und das bedeutet, wo sie kenntlich ist, Friedenspolitik, das bedeutet soziale Gerechtigkeit und auch nach sozialer Gleichheit, nicht nach Gleichmacherei, aber nach sozialer Chancengleichheit in Bildung und Kultur muss gefragt werden. Schließlich muss sie auf besondere Weise und in neuer Weise auch ihre Ostkompetenz in politisch überzeugenden Projekten zum Ausdruck bringen.

    Durak: Herr Bisky, das soll die PDS bringen. Das bringen andere Parteien auch: den Frieden, die Chancengleichheit, die soziale Kompetenz, und die SPD ja nun auch mit der Ostschiene. Was zeichnet die PDS aus im Gegensatz zur SPD?

    Bisky: Wenn Sie so wollen bringen alle Parteien alles. Das ist ja auch eine Schwäche der PDS mit geworden. – In Bezug auf die Friedenspolitik unterscheiden wir uns ganz deutlich mit einer eindeutigen und nachprüfbaren Haltung gegen militärische Lösungen politischer oder sozialer Fragen. Wir sind in Bezug auf die soziale Gerechtigkeit deutlicher gewesen, in Bezug auf die Umverteilung von Arbeit und Reichtum - ich meine Umverteilung von Arbeit und Reichtum – und haben ein Projekt öffentlich geförderte Beschäftigung, das schwer zu verwirklichen ist, das man aber deswegen nicht aufgeben darf. In der Politik muss man auch Durststrecken gehen. Und in der Ostpolitik muss man von einigen Dingen, die sich jetzt sozusagen auch fast erledigt haben, wie Rentengerechtigkeit und anderes zu den Dingen kommen, die hier im Osten entscheidend sind: zum Beispiel die Frage erstens, wie verhindert man, dass die jungen Menschen hier scharenweise weggehen, und zweitens wie kommt man zu einem selbsttragenden wirtschaftlichen Aufschwung hier im Osten. Das sind etwa zwei Projekte, die wichtig sind. Das dritte: wir dürfen doch nicht die Bildungskompetenz der PDS jetzt vergessen, nachdem es die Pisa-Studie gibt, die uns ja in manchen bildungspolitischen Ansätzen, nicht in allen, aber in manchen bildungspolitischen Ansätzen doch Recht gibt.

    Durak: Herr Bisky, wir wollen doch einen Namen nennen. Sollte Gabi Zimmer den Parteivorsitz abgeben?

    Bisky: Ich beteilige mich nicht an Personaldebatten, weil ich mich als Vorsitzender zurückgezogen habe, in dieser Frage jedenfalls. Inhaltlich streite ich mit. Ich sage, die Alternative, die jetzt vordergründig steht, ist die zwischen Bartsch und Zimmer. Da können Sie nicht erwarten, dass ich, der ich den Bartsch zum Parteivorsitzenden oder zum Nachfolger vorgeschlagen habe, jetzt alles anders sehe. Ich habe aber genauso viele Jahre mit Gabi Zimmer zusammengearbeitet, die ja in Thüringen aus sehr schwierigen Bedingungen heraus einen Landesverband erfolgreich geführt hat. Die Delegierten der PDS sind sehr souverän und die müssen sich jetzt entscheiden und die müssen wählen. Einer von den beiden oder auch jemand anders wird es sein. Es ist nur wichtig, nicht nur eine Vorsitzende zu wählen, sondern auch einen Parteivorstand, der sich gegenseitig nicht blockiert. Das ist vielleicht im Moment das Problem, vor dem die PDS steht. Ich bin in gewissem Sinne zuversichtlich, dass man eine solche Entscheidung herbeiführen kann. Sie muss auch fallen; sonst könnte es weiter mit der Zerbröselung vorangehen und das könnte wirklich bedrohlich für die PDS sein.

    Durak: Bartsch oder Zimmer, beide könnten keine Mehrheiten bekommen. Herr Bisky, Sie sagten "oder andere", und ich komme auf unser Eingangsgespräch zurück. Sie haben den Landesvorsitz nicht inne. Herr Bisky, Sie klingen nicht nur sehr dynamisch heute Morgen, auch unglaublich engagiert. Ich denke daran, die Union hat sich in ihrem Kompetenzteam stark auf bewährte Kräfte gestützt. Ist es bei der Lage der PDS nicht angebracht, dass Lothar Bisky in die Spitze zurückkehrt, und sei es nur vorübergehend?

    Bisky: Nein, in die Spitze gehe ich nicht. Ich bin überzeugt gewesen und bin bis heute überzeugt, dass eine Partei mit der Geschichte wie die PDS Vorsitzende haben muss, die bereit sind, nach acht Jahren – das ist ja eine unheimlich lange Zeit – das, was man Macht nennt, auch abzugeben. Es darf nie wieder ein Zurück zu undemokratischen Zuständen geben. Die Gefahr ist dann groß. Ich stehe dafür nicht zur Verfügung. Ich sage – und das ist meine tiefe Überzeugung -, Leute passt auf, nicht einzelne Figuren reißen das Ruder herum, sondern man muss sehen, dass man aus denen, die geeignet sind – und da gibt es viele -, neue wählt. Nie wieder zurück zu ewigen Vorsitzenden. Das wäre genau das falsche Signal. Und ich bleibe weiterhin ein engagierter Vertreter der PDS-Politik. Ich mische mich ein, im Moment auch mit größerer Leidenschaft. Nur Bisky zurück ist überhaupt keine Lösung. Das wäre auch ein Weg zurück. Wir haben doch fähige Leute. Man muss den Mut haben, sie zu wählen, und wir wählen alle zwei Jahre neu. Meinetwegen kann man dann auch jedes Jahr neu wählen. Es gibt aber nur noch demokratische Lösungen, und zwar nicht immer mit dem gleichen Personal. Das ist meine tiefe Überzeugung.

    Durak: Lothar Bisky will nicht zurück in die Spitze, war bei uns aber im Interview, der Fraktionsvorsitzende der PDS im Landtag von Brandenburg. Schönen Dank, Herr Bisky, für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio