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Neue Bilderbücher
Frühlingserwachen im Kinderbuch

Alle warten sehnsüchtig auf den Frühling. Viele Verlage wollen das für sich nutzen. Deshalb gibt es jedes Frühjahr wieder eine Menge Neuerscheinungen, die das Aufblühen der Natur zum Thema haben, vor allem im Bereich Bilderbuch. Aber braucht es diese Novitäten-Schwemme tatsächlich?

Von Dina Netz | 30.03.2019
Nahaufnahme von zwei Bienen, die versuchen einen Platz in einer Krokusblüte zu finden.
Die Biene ist ein großes Thema dieses Jahr - auch im Kinderbuch (picture alliance/dpa/Frank Rumpenhorst)
Bilderbücher, die sich mit den Jahreszeiten auseinandersetzen, sind wichtig und begehrt: Kinder beobachten die Natur genau und haben viele Fragen, die in schön illustrierten und kindgerecht aufbereiteten Büchern beantwortet werden können. Deshalb gibt es Sommerbücher, Herbstbücher, Winterbücher. Und jeden Sommer, Herbst, Winter erscheinen neue; in leichter Abwandlung zu denen, die im vorigen Sommer, Herbst, Winter herausgekommen sind.
Im Frühling aber explodieren nicht nur die Knospen an den Bäumen, sondern auch die Bilderbuchproduktionen. Was wiederum nicht erstaunlich ist, denn die Sehnsucht der Eltern, also der Käufer, nach Frühling ist groß – darauf können die Verlage setzen. In dieser Zeit passiert auch viel in der Natur. Deshalb gibt es zahlreiche neue Bücher über Bienen, Schmetterlinge und Igel, über Vögel und Bäume. Aber sind Bücher wie Moden? Ist das Bilderbuch aus dem vergangenen Jahr so out wie das Kleid aus der vorigen Saison?
Im Bereich der Sachbilderbücher wird die Antwort lauten müssen: Man kann auch ruhig das Kleid aus dem Vorjahr weiter tragen. Zwar hat die kleine Hummel Bommel dieses Frühjahr ihren ersten Auftritt im Sachbuch, und sie ist eine große Sympathieträgerin. Sehr übersichtlich ist das Buch allerdings nicht, in dem die Hummel Bommel die Wiese, die Blumen und die Insekten erklärt. Selbstverständlich sollen Kinder herausgefordert werden, aber müssen Dreijährige, die die Zielgruppe sind, wirklich schon wissen, was Photosynthese ist?
"Was ist was" bleiben Goldstandard
Die Bilderbücher "Mein kleines Gartenbuch: Bienen" und "Mein kleines Gartenbuch: Igel" aus dem Coppenrath Verlag haben den Vorteil, dass sie mehr bieten als das bloße Lesevergnügen, denn hier kann man Bienen ausmalen, Igel ausschneiden oder ein Bienenhotel basteln. Inhaltlich dagegen dürften die Kinder eher unterfordert sein. Die Bücher bleiben, wie viele andere neue Sachbilderbücher auch, deutlich hinter den bewährten "Was ist was?"-Bänden zurück.
Die Biene ist ein großes Thema dieses Jahr – sie ist bedroht und zum Menetekel für unseren schonungslosen Umgang mit der Erde geworden. Kirsten Hall hat ihr deshalb ein Buch gewidmet, das am Übergang vom Sach- zum erzählenden Bilderbuch liegt. In knappen, manchmal etwas sehr simplen Sätzen schildert Hall den Jahreskreislauf der Bienen. Errwähnenswert ist das Buch vor allem wegen der Illustrationen von Isabelle Arsenault. Freundlich lächelnde Bienen lassen sich da auf grellorangefarbenen Blüten nieder – die Farbe zieht sich als Symbol für den Frühling durch das ganze Buch, das in seinen ansonsten warmen Pastelltönen wirklich ein Fest für die Augen ist.
Aufgewacht, die Sonne lacht
Während die Sachbilderbücher dem Frühling wenig Neues abgewinnen können, gibt es bei den erzählenden Bilderbüchern Neuentdeckungen zu machen: Der japanische Kinderbuchautor Kazuo Iwamura schickt die Eichhörnchen Matz, Fratz und Lisettchen, die schon Erfahrungen in anderen Bänden und mit anderen Jahreszeiten gesammelt haben, hinaus in die Schneeschmelze. Unversehens finden sie sich in einem See wieder und müssen von beherzten Enten gerettet werden. Das ist eine feine, kleine Parabel darüber, dass die schöne Natur hässliche Gefahren birgt.
Tiere bevölkern auch das Pappbilderbuch "Hopp! Hopp! Aufgewacht, die Sonne lacht!" von Linda Ashman und Chuck Groenink. Darin erwacht der kleine Junge Till an einem Frühlingsmorgen und erfährt, dass er bald Besuch von einem Freund bekommen wird. Schnell springt er aus dem Bett und weckt die Tiere, die offenbar mit ihm Winterschlaf gehalten haben: Streifenhörnchen, Stachelschwein, Bär und Murmeltier stehen bereitwillig auf, sie helfen beim Putzen und Backen. Nur der Waschbär stellt sich schlafend und regt sich erst viel später, als der Kuchen serviert wird. Die in Reimen erzählte Geschichte ist lebensnah und charmant – und hat ein frühlingshaftes, versöhnliches Ende.
Mit feinem Strich und viel Liebe
Das schönste neue Frühlingsbilderbuch kommt wiederum aus Japan: Das Paar Chiaki und Ko Okada ist mit "Bist du der Frühling?" zum ersten Mal auf dem deutschen Buchmarkt vertreten. Sie erzählen von einer Hasenfamilie, die menschliche Züge hat – in einem Haus wohnt, in Betten schläft und die Mahlzeiten am Tisch einnimmt. Das Essen wird den Kindern allerdings langweilig: Es gibt schon wieder Bucheckernsuppe. "Bald ist Frühling, dann koche ich euch jede Menge feine Sachen", tröstet die Hasenmutter. Der Frühling liegt wie eine Verheißung über der Geschichte, besonders für das jüngste Hasenkind, das ihn noch nicht erlebt hat. Es löchert seine Mutter und seine Geschwister mit Fragen über den Frühling, will sich aber dann selbst ein Bild machen.
Es stapft hinaus in den Schnee und trifft einen großen Eisbären, der es endlich auf den Baum hochhebt, auf den es noch nicht springen kann, um am weit entfernten Strand das schmelzende Eis zu sehen. Der kleine Hase, der noch nie einen Eisbären gesehen hat, läuft voller Begeisterung nach Hause und berichtet seiner Mutter, dass er den Frühling getroffen habe. "Bist du der Frühling?" ist eine wunderschön erzählte Geschichte über Warten, Hoffnung und Freundschaft. Und welches Kind möchte, kann auch noch etwas über abstrakte Begriffe und Konzepte lernen. Denn dass Jahreszeiten nicht auf Beinen kommen, wird ganz nebenbei auch vermittelt. "Bist du der Frühling?" von Chiaki und Ko Okada ist mit feinem Strich und viel Liebe zum Detail gezeichnet. Obwohl die Welt darin noch tief verschneit ist, ist es das herzerwärmendste Frühlingsbilderbuch der Saison.
Linda Ashman/Chuck Groenink: "Hopp! Hopp! Aufgewacht, die Sonne lacht!" ars edition, München. 32 Seiten, 12,99 Euro. Ab 3 Jahren
Kirsten Hall/Isabelle Arsenault: "Die Honigbiene". Aus dem amerikanischen Englisch von Anna Schaub, NordSüd Verlag, Zürich. 48 Seiten, 16 Euro. Ab 4 Jahren
Kazuo Iwamura: "Wenn der Frühling kommt. Ein Abenteuer mit Matz, Fratz und Lisettchen", Deutsche Fassung in Versen von Rose Pflock, NordSüd Verlag, Zürich. 32 Seiten, 15 Euro. Ab 4 Jahren
Chiaki und Ko Okada: "Bist du der Frühling?" Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe, Moritz Verlag, Frankfurt am Main. 32 Seiten, 14 Euro. Ab 3 Jahren
Britta Sabbag/Maite Kelly/Joëlle Tourlonias: "Die kleine Hummel Bommel entdeckt die Wiese" Das Natur-Sachbilderbuch. ars edition, München. 48 Seiten, 15 Euro. Ab 3 Jahren
Lena M. Wandzioch/Susann Reiß: "Mein kleines Gartenbuch: Bienen" und "Mein kleines Gartenbuch: Igel", Coppenrath Verlag, Münster. 24 Seiten, 9 Euro. Ab 4 Jahren