In der neuen ARD-Sportdokumentation "Geheimsache Doping: Schuldig - Wie Sportler ungewollt zu Dopern werden können", werden Fälle von Sportlerinnen und Sportlerin gezeigt, die positive Dopingproben aufwiesen, aber zum Teil nachweisen konnten, dass sie nichts dafür konnten. Daneben zeigt der Film aber auch, dass bereits eine flüchtige Berührung ausreichen kann, um saubere Sportler zu Dopern zu machen. Zwölf Probanden bekamen geringe Mengen verschiedener Anabolika über die Haut verabreicht – durch kurze Berührungen an Hand, Nacken und Arm. Bei allen Probanden wiesen Urinproben danach 14 Tage lang auffällige Werte auf.
Die Ergebnisse könnten erhebliche Auswirkungen sowohl für vergangene Doping-Fälle als auch für den künftigen Umgang mit dem Thema haben. Denn im Sportrecht gilt das Prinzip der 'strict liability' - Sportler sind dafür verantwortlich, was in ihren Körpern steckt, es ist eine Umkehr der Beweislast. Schon ein positiver Dopingtest dient als Schuldbeleg. Betroffene Athleten müssen dann überzeugend darlegen, dass ein positiver Test nicht durch willentliches Doping zustande gekommen ist. Gelingt das nicht, folgt eine Sperre.
Der Sportrechtsanwalt Michael Lehner sagte im Dlf, dass das Experiment belege, was man eigentlich schon seit Jahrzehnten wisse. "Was jetzt neu ist, dass es in einer wissenschaftlichen Studie belegt ist und sich jeder darauf berufen kann – das muss die Rechtsprechung ändern", fordert der Jurist.
Aufgabe der Rechtsprechung sei es, eine Entscheidung zu treffen. Die könne richtig oder falsch sein. "Da kann man es sich nicht einfach machen - und die 'strict liability' will sich es ja einfach machen zu Lasten der Beschuldigten. Wer positiv ist, ist auch schuldig: Das ist keine Rechtsprechung, die wirklich versucht, die Unschuldigen von den Schuldigen zu trennen", kritisiert Lehner. Er glaubt, dass der Dopingkampf auch ohne Beweislastumkehr geführt werden kann: "Wenn man richtig einen Fall anschaut, eine Einzelfallüberprüfung macht, kommt man auch in den meisten Fällen zum richtigen Ergebnis. Die 'strict liability' abschaffen heißt ja nicht, dass der Verband keine Möglichkeit hat, in diesen kritischen Fällen zu verurteilen."
"Weg von der strict liability"
Was sicht ändern soll, ist für ihn deshalb ganz klar: Weg von der strict liability. "Da hoffe ich, dass man hier im Reglement Änderungen macht und das den Gerichten zur Hand gibt." Ein System, das gerecht sei müsse auch Freisprüche vertragen können. Auch wenn am Ende nicht alle Zweifel ausgeräumt werden könnten.
Das sieht auch der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt so: "Natürlich kann das manchmal auch zur Folge haben, dass man vielleicht sagt: Das reicht alles nicht, obwohl man davon überzeugt ist, dass die Person gedopt hat. Es kann dann zu Falschurteilen kommen. Aber: Lieber Falschurteile ab und zu, als dass das ganze System auf Ungerechtigkeit aufgebaut ist."
Auch Seppelt glaubt: "Die Umkehr der Beweislast, die strict liability, wird im Sport möglicherweise neu justiert."
Was müsste sich dann im Anti-Doping-System ändern, damit es überhaupt noch praktikabel ist? Doping-Experte Seppelt verweist in diesem Zusammenhang auf mehrere Ebenen. Im Bereich der Doping-Analyse seien nun die Laborexperten gefordert. Hier müsse man mithilfe von neuen Methoden versuchen zu differenzieren - zum Beispiel, ob man besser herausfinden kann, ob eine Substanz über die Haut oder oral in den Körper gelangt sei. Aber: "Natürlich kann man am Ende damit auch nicht beweisen, dass es ein Anschlag ist oder absichtliches Doping."
Mehr Doping-Proben?
Eine andere Ebene sind für ihn mehr Doping-Proben. Mithilfe von Verfahren wie zum Beispiel der Trockenblutanalyse könne man reguläre Doping-Proben im Falle von positiven Ergebnissen erweitern. So wären Langzeit- oder Kurzzeitanwendungen von Doping-Mitteln besser nachvollziehbar. Kurzzeitanwendungen würden dann eher für eine Kontamination oder vielleicht sogar einen Anschlag sprechen, sagt Seppelt.