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Neue EU-Richtlinie
Mit Netzsperren gegen Terror

Das EU-Parlament hat sich auf Anti-Terror-Richtlinien geeinigt, die Vorgaben für zukünftige Gesetze in den EU-Ländern sein könnten. Unter anderem ist vorgesehen, Webseiten mit terroristischen Inhalten zu löschen. Kritiker befürchten, dass dadurch der Zensur im Netz die Türen geöffnet werden.

Von Thomas Otto | 05.07.2016
    Auf einem Laptopbildschirm sieht man im Hintergrund einen komplett schwarz verhüllten Mann, der eine Waffe umgehängt hat. Er hält einen Mann in orangener Gefangenenkleidung fest, der vor ihm kniet. Im Vordergrund öffnet sich eine Seite der französischen Regierung, auf der eine rote Hand eine Sperre signalisiert.
    Frankreich hat islamistische Seiten sperren lassen. (picture alliance / dpa / Jean-François Frey)
    Ein ganzer Katalog von Straftaten, die im Zusammenhang mit Terrorismus stehen, sollen EU-weit einheitlich definiert werden, so die Idee der Anti-Terror-Richtlinie. Sei es das Anwerben von potenziellen Terroristen, eine entsprechende Ausbildung, oder Reisen für terroristische Zwecke und so weiter. Der Innenausschuss des Europaparlaments hat sich mit einigen Änderungen auf das Papier geeinigt.
    "Hier geht es um Schwerstverbrechen und nicht darum, ob jemand irgendwo mal eine flapsige Meinung äußert. Wir setzen uns hier wirklich mit der Gefahr für Leib und Leben für abertausende Menschen auseinander", erklärt die zuständige Berichterstatterin, die CSU-Frau Monika Hohlmeier. Und das Parlament geht noch einen Schritt weiter, als die EU-Kommission in ihrem Entwurf: Die Mitgliedsstaaten sollen Webseiten löschen oder sperren können, auf denen zu Terroranschlägen aufgerufen und terroristische Propaganda betrieben wird. Im Vorfeld der Abstimmung hatte das für viel Aufregung gesorgt, vor allem in der Netzgemeinde. Auch, weil es in Hohlmeiers erstem Vorschlag den EU-Mitgliedsstaaten überlassen blieb, ob sie Webseiten löschen oder sperren wollen. Im Kompromiss der Fraktionen habe Löschen nun Priorität:
    "Ob aus ermittlungstechnischen Gründen unter Umständen Webseiten für eine gewisse Zeit aufrecht erhalten werden, das obliegt dem Ermittlungsspielraum innerhalb der Mitgliedsstaaten. Dazu ist hier nichts vorgesehen. Aber Löschen wird eindeutig präferiert. Nur dann, wenn technisch eine totale Unmöglichkeit besteht, den Löschungsvorgang zu vollziehen, ist überhaupt ein Blockieren erlaubt."
    Jan Philipp Albrecht von den Grünen sieht den verabschiedeten Kompromiss mit gemischten Gefühlen. Zwar habe das Papier sein Gutes "weil man den Mitgliedsstaaten eben klar sagt, unter welchen Bedingungen, in welchem Rahmen sie solche Maßnahmen eigentlich nur noch ergreifen können. Der Spielraum wird also eingeschränkt für die Möglichkeiten, so genanntes Blocking zu ergreifen."
    Grundstein für eine Zensur-Infrastruktur?
    Allerdings hätte man nur auf das Löschen von terroristischen Inhalten setzen sollen, um so den Druck zur internationalen Kooperation zu erhöhen, bemängelt Albrecht. Überhaupt trage die Richtlinie nicht zur Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden verschiedener Länder bei. Mit dem Blockieren von Webseiten mache sich die EU nun nicht nur angreifbarer, wenn es darum geht, andere Länder, wie zum Beispiel China, für die Einschränkung der Meinungsfreiheit zu kritisieren.
    "Da besteht natürlich die Gefahr, dass man nicht nur in den eigenen Verfahren schneller zu solchen Sperren greift und damit möglicherweise auch nicht-illegale Inhalte beschränkt."
    Das ist auch die Befürchtung vieler Netzaktivisten, die im Sperren von Webseiten den Grundstein zu einer möglichen Zensur-Infrastruktur sehen. Kurioserweise hatte die EU-Kommission selbst im Jahr 2008 Internet-Sperren als wenig effizient und problematisch für die Rechtsstaatlichkeit bezeichnet.
    Nun muss sich das Parlament mit den Mitgliedsstaaten im Rat auf eine Fassung der Anti-Terror-Richtlinie einigen. Ist das geschehen, muss sie von den Staaten in nationales Recht umgesetzt werden.