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Bibel-Helden, Sexsüchtige und Hundefleisch

Mit "Noah" legt Regisseur Darren Aronofsky eine umstrittene neue Bibelverfilmung vor. In muslimsichen Ländern wurde der Film bereits verboten. Ein Kinoerlebnis ist der Streifen auf jeden Fall. Außerdem läuft Lars von Triers zweiter Teil der "Nymph()maniac"-Geschichte an.

Von Jörg Albrecht |
    Regisseur Darren Aronofsky posiert mit den Hauptdarstellern Jennifer Connelly und Russell Crowe bei der Premiere von "Noah" in New York für die Fotografen.
    Regisseur Darren Aronofsky (r) mit den Hauptdarstellern Jennifer Connelly (m) und Russell Crowe (l) bei der Premiere von "Noah" in New York (picture-alliance / dpa / Jason Szenes)
    "Noah" von Darren Aronofsky
    Gott spricht hier nicht mit tiefer Stimme und Nachhall zu uns: weder um die Botschaft vom Ende allen Fleisches zu verkündigen noch seinen Bundschluss mit Noah. Nein! Den Auftrag zum Bau einer Arche erhält Noah stattdessen durch eine apokalyptische Vision. Sie steht am Anfang einer ganzen Reihe künstlerischer Freiheiten, die sich Regisseur Darren Aronofsky bei seinem biblischen Film genommen hat.
    "Eine große Flut wird kommen. Wir bauen ein Schiff, um den Sturm zu überleben."
    Noah – großartig verkörpert von Russell Crowe – ist ein Getriebener und damit den Protagonisten früherer Aronofsky-Filme wie "The Fountain" oder "Black Swan" durchaus ähnlich. Crowe gibt der Figur entschlossene Züge, die im Verlauf des Films immer mehr Fragen und Selbstzweifeln weichen. Ein Fanatiker wird die Botschaft der Liebe entdecken. Altes trifft auf Neues Testament.
    "Wir müssen zusehen, dass genug überleben, um neu anzufangen. – Was wird mit uns? – Nun, ich denke, wir dürfen auch neu anfangen in einer neuen und besseren Welt."
    Diese Welt aber werde spätestens nach dem Tod seines jüngsten Sohns eine Welt ohne Menschen sein, denn – anders als im Bibeltext – gehören zu den Personen an Bord der Arche nicht die drei Ehefrauen von Noahs Söhnen. An ihre Stelle tritt ein von Noah adoptiertes Mädchen, das im Verlauf der Handlung innerfamiliäre Konflikte auslöst. Die vielleicht wichtigste Abänderung gegenüber der biblischen Vorlage. Eine weitere ist die Platzierung eines Antagonisten. Ein grausamer Herrscher über eine in Sünde gefallene Welt wird zu Noahs Gegenspieler.
    "Hast du wirklich gedacht, du könntest dich darin vor mir schützen. – Das ist nicht zum Schutz vor dir. – Was ist es dann? – Eine Arche. Als Zuflucht der Unschuldigen, wenn der Schöpfer die Sintflut schickt, um die Bösen von dieser Welt zu tilgen."
    Nicht für jeden wird Aronofskys Mischung aus Endzeitspektakel mit unmissverständlicher Öko-Botschaft, Superhelden-Epos und Charakterstudie wirklich aufgehen. Doch eines ist unstrittig: Nie ist ein Kapitel des Alten Testaments zeitgemäßer und visionärer verfilmt worden. "Noah" ist ein intensives Kinoerlebnis.
    "Noah": empfehlenswert.
    "Nymph()maniac 2" von Lars von Trier
    "Ich heiße Joe und ich bin sexsüchtig."
    Und weiter geht es mit der Lebensbeichte einer Sexsüchtigen in Lars von Triers "Nymph()maniac". Es ist noch dieselbe Nacht wie im ersten Teil. Charlotte Gainsbourg als Joe berichtet dem Mann, der sie in seine Wohnung mitgenommen hat, weiter von ihren sexuellen Erlebnissen. Stellan Skarsgård ist der geduldige Beichtvater. In expliziten Rückblenden sehen wir Joe, wie sie auf dem Weg zur Ehefrau und Mutter ihre Lust verloren hat und diese wiederzufinden sucht in Begegnungen mit neuen Männern. Wir sehen sie in der Selbsthilfegruppe sitzen und energisch für ihre Amoralität kämpfen.
    "Du bist nichts weiter als die Moralpolizei dieser Gesellschaft, deren vorrangigstes Ziel es ist, meine Obszönität von dieser Erde zu entfernen. Ich bin nicht wie ihr. Ich bin eine Nymphomanin und ich liebe mich dafür eine zu sein."
    Dass Lars von Trier mit "Nymph()maniac" alles andere als den provokant angekündigten Porno gedreht hat, ist bereits vor dem filmischen 'Coitus Interruptus' dieser zweigeteilten Charakterstudie zur Genüge hervorgehoben worden. Was "Nymph()maniac" – wie auch schon "Antichrist" und "Melancholia", die beiden vorherigen Filme seiner Trilogie der Depressionen – auszeichnet, ist der kluge Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftlicher Norm und dem Recht auf Selbstbestimmung.
    "Nymph()maniac 2": herausragend.
    Carne der perro – Hundefleisch von Fernando Guzzoni
    Erst schnappt Alejandro nach Luft, wenig später rastet er aus und schlägt wie ein Irrer gegen die Wände seines Appartements. Der 50-jährige Chilene, der seit einiger Zeit von seiner Frau getrennt lebt und mit Taxifahren sein Geld verdient, ist ein psychisches Wrack. Hilfe erhofft er sich von einem Arzt.
    Er habe keine körperlichen Beschwerden, stellt der Mediziner fest. Er würde Alejandro eine Beratung bei einer Psychologin empfehlen, da die Symptome auf einen Angstzustand hindeuteten. Ein solches Problem habe er nicht, ist sich Alejandro sicher. Er habe schließlich Schmerzen und glaube nicht, dass er zu dieser Ärztin muss.
    Und auch "Carne de perro – Hundefleisch" ist eine Charakterstudie. Erst allmählich setzt sich aus den verschiedenen Puzzlesteinen die Vita eines Menschen zusammen, der seit dem Ende der Pinochet-Ära den Halt verloren hat.
    Alejandro gehört zu den Tätern von damals. Gegner des Regimes sind von ihm gefoltert worden. Regisseur Fernando Guzzoni hat mit "Carne de perro" einen Film gedreht, der – nicht nur wegen des Jobs, den Alejandro ausübt – an Martin Scorseses "Taxi Driver" erinnert. Nüchtern und emotionslos schildert Guzzoni den Alltag eines isolierten Mannes, der ein Opfer seiner eigenen Vergangenheit ist und für den das neue System keinen Platz vorgesehen hat.
    "Carne de perro": empfehlenswert.