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Neue Filme
Den Krieg und den Streit umschiffen

Die gesamte Spannbreite des Kinos in drei neuen Filmen: eine Kunstdokumentation über den ersten jüdischen Maler im Deutschland des 19. Jahrhunderts, ein absurder, aber fataler Streit zweier Männer in Beirut und schließlich die Friedensmission eines US-amerikanischen U-Bootes im Krieg.

Von Hartwig Tegeler | 24.10.2018
    Szene aus dem Film "Hunter Killer"
    Wo bitte geht's hier zum Frieden? Szene aus dem Film "Hunter Killer" (imago stock&people / Summit Entertainment)
    "Er ist ja sozusagen der erste jüdische Maler mit akademischer Ausbildung."
    Sagt im Dokumentarfilm "Moritz Daniel Oppenheim" Erik Riedel vom Jüdisches Museum in Frankfurt.
    "Eine große Besonderheit bei Oppenheim ist tatsächlich, dass er eben ein bewusst jüdischer Künstler war; also, er ist ja nie konvertiert, wie das ja eben viele andere Zeitgenossen, viele Intellektuelle, Schriftsteller getan haben."
    Emanzipation der deutschen Juden im 19. Jahrhundert
    Isabel Gathof erzählt in ihrer Kunstdoku vom 1800 im Hanauer Juden-Ghetto geborenen Moritz Daniel Oppenheim, der Heine, Goethe, Mendelssohn-Bartoldy und nicht zuletzt als eine Art "Hofmaler" die Bankiersfamilie Rothschild auf die Leinwand brachte. Parallel zeigt die Filmemacherin die Entstehung des Oppenheim-Denkmals in Hanau.
    So ist eine Dokumentation entstanden, die ein aufschlussreiches Bild über die Emanzipation der deutschen Juden im 19. Jahrhundert zeichnet, deren Alltags-, Familienleben und Rituale Moritz Daniel Oppenheim malte. Die Oppenheim-Arbeiten wurden zu einer wertvollen Quelle deutsch-jüdischer Kultur, die der Zivilisationsbruch des Holocausts nicht gänzlich vernichten konnte. Isabel Gathofs Film ist in unseren Zeiten, in denen der Antisemitismus wieder Thema in Deutschland ist, ein wichtiger Film. Es geht um Erinnerung.
    "Moritz Daniel Oppenheim. Der erste jüdische Maler" von Isabel Gathof - empfehlenswert.
    Filmstill aus "Der Affront" des Regisseurs Ziad Doueiri: Shirine (Rita Hayek) und Tony (Adel Karam)
    Filmstill aus "Der Affront" des Regisseurs Ziad Doueiri: Shirine (Rita Hayek) und Tony (Adel Karam) (Alpenrepublik )
    "Du bist nicht im Recht. Das ist inakzeptabel, ehrlich. Genauso entstehen Kriege."
    Sagt der Vater zu seinem Sohn. Der Besitzer einer Autowerkstatt im libanesischen Beirut, hat sich ...
    "Aus Ihrem Abfluss läuft Wasser auf die Passanten."
    ... mit dem Vorarbeiter einer Baufirma angelegt.
    "Du Scheißkerl!"
    Ein Wort ergibt das andere, aber keiner der beiden Sturköpfe aus Beirut will nachgeben.
    "Ich verlange eine Entschuldigung. Sonst verklage ich Ihre Firma und ihn."
    Es gibt nur einen Weg zum Frieden
    Yasser, der Palästinenser, und Toni, der Christ: Schritt für Schritt zeichnet der libanesische Regisseur Ziad Doueiri in seinem Film "Der Affront" den eskalierenden Konflikt nach. Von der Beleidigung mit Worten, dem Schlag in die Rippen, der juristischen Konfrontation vor Gericht bis hin zu den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen auf den Straßen. Ziad Doueiri gelingt aber außerdem das Kunststück, den anfangs banalen Streit der beiden Männer auf ein abgründiges Fundament zu setzen. Und das wird gebildet von den Traumata, die der libanesische Bürgerkrieg, der ab Mitte der 1970er-Jahre bis 1990 tobte, bei den Menschen, auch bei Toni und Yasser, hinterlassen hat. Auf diesem Sumpf einer unverarbeiteten Vergangenheit handeln die Menschen noch Jahre danach, werden getrieben. Insofern ist es geschickt, dass ein Großteil des Films "Der Affront" vor Gericht spielt, ein Ort, wo es ja darum geht, die die Wahrheit herauszufinden, auch indem die Vorgeschichte aufgedeckt wird. Tonis Anwalt bringt das auf den Punkt:
    "Diese Worte sind das Ergebnis einer Wunde, die niemals geheilt ist."
    "Der Affront" ist ein eindrucksvoller Film über die Notwendigkeit, die Vergangenheit immer wieder aufzuwühlen, um zu realisieren, wo sie noch ihr Unwesen treibt. Der einzige Weg zum Frieden.
    "Der Affront" von Ziad Doueiri - herausragend.
    "Tauchvorgang einleiten!"
    "Hurra!"
    Klar sein muss dies: Wer mit Captain Gerald Butler im U-Boot abtaucht, sollte sich warm anziehen. Weicheier sind hier nicht gefragt, sondern harte Männer. Feindliche russische Gegner-Boote, Torpedos, die nicht zünden, Wasserbomben der Zerstörer über Wasser: jeder U-Boot-Film ist ein Albtraum für Klaustrophoben, den auch Donovan Marshs Film "Hunter Killer" gut bedient. Joe Glass, den Gerald Butler spielt, ist ein recht unkonventioneller U-Boot-Captain, weil er die Welt für komplizierter hält, als es seine Vorgesetzten weismachen wollen.
    "Wir sehen hier die aggressivste Mobilmachung in der russischen Geschichte."
    Trotz Heldengedöns eine Antikriegs-Mentalität
    Dieser Captain durchschaut da unter Wasser zwar nicht die Provokation des russischen Putschisten, der einen Erstschlag durch das US-U-Boot auf eben die Russen provozieren will, aber dass es nicht darum gehen kann, sofort die Torpedos loszuschicken, das hat Joe Glass sozusagen im Urin. Der im Sommer 2017 verstorbene schwedische Schauspieler Mikael Nyqvist spielt in "Hunter Killer" - schon sichtlich gezeichnet von seiner Krebserkrankung - den russischen U-Boot-Kommandanten, den der amerikanische Kapitän rettet und ihm dann zum Mitspieler wird, um den Weltfrieden zu retten, gegen US-Falken und russische Kriegstreiber.

    "Bereit machen für Treffer."
    Inmitten all des Pathos' und Heldengedöns', das sich Regisseur Donovan Marsch nicht verkneift, ...
    "Ich habe meine Männer und mein Boot riskiert."
    ... setzt sich in "Hunter Killer" erstaunlich deutlich eine Anti-Kriegs-Mentalität durch. Wer also mit dem Größten und dem Längsten droht, wie es die Weltführer heute aktuell, jenseits des Kinos, zu tun pflegen, könnte von Gerald Butler und Mikael Nyqvist lernen, dass Nachdenken und Abwarten immer besser ist als reflexartig aus der Hüfte zu schießen. Für das Genre des U-Boot-Films erstaunlich.
    "Hunter Killer" von Donovan Marsch - empfehlenswert.