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Der Wunsch nach Rache

Der deutsche Alpen-Western "Das finstere Tal" darf sich auf der Berlinale zeigen - die Bewährungsprobe findet dann aber in den Kinos statt. Die muss auch das überzeugende Sterbehilfe-Drama "Und morgen Mittag bin ich tot" sowie der kitschige, aber schöne Film "Winter´s Tale" noch bestehen.

Von Hartwig Tegeler | 12.02.2014
    Ein Pferd steht grasend auf einem schneebedeckten Feld in Deutschland.
    Blut färbt den Schnee beim Showdown am Ende des Films rot. (picture alliance / ZB / Arno Burgi)
    "Und morgen Mittag bin ich tot" von Frederik Steiner
    Der Rhythmus von Leas Leben. Atemnot. Durchgängig. Mukoviszidose. Unheilbare Krankheit seit Geburt. Lea, Hauptfigur in "Und morgen Mittag bin ich tot", dem Kinodebüt von Frederik Steiner, will sterben. Deswegen fährt Lea, herausragend gespielt von Liv Lisa Fries, nach Zürich.
    "Zürich. Was will sie denn in Zürich?" Fragt Leas Mutter - Lena Stolze, die sich vormacht, dass ihre todkranke Tochter noch auf eine Lungentransplantation hofft. Doch Lea ist dort, um mithilfe einer Sterbehilfe-Organisation aus dem Leben zu scheiden. Und lädt ihre Familie - Mutter, Großmutter, gesunde Schwester - nach Zürich. Zu ihrem Geburtstag, der ihr Todestag sein soll.
    "Warum wollen Sie sterben, Lea?" Fragt der Arzt der Sterbehilfe-Organisation. "Ich sehe nicht ein, warum ich mich noch länger quälen soll. " Frederik Steiner stellt in "Und morgen Mittag bin ich tot" nicht Leas Entscheidung, sterben zu wollen, in Frage. Aber er entwickelt allein mit Leas Mutter, ihrer - gesunden - Schwester und dem lebensmüden kranken Jungen, der von den Sterbehelfern abgelehnt wird, ein Geflecht von Motiven, Interessen, Ambivalenzen, die Leas Wunsch konterkarieren. So vermeidet "Und morgen Mittag bin ich tot" Eindimensionalität bei diesem Thema Sterbehilfe.
    "Was soll ich denn machen ohne dich. - Weiterleben."
    "Und morgen Mittag bin ich tot" von Frederik Steiner - empfehlenswert.
    "Winter´s Tale" von Akiva Goldman
    Manchmal versagen im Kino die rationalen Bewertungs-Kriterien, auf die sich einer so viel einbildet. Warum, schwer zu sagen. So kann´s kommen, dass ein Film wie "Winter´s Tale" an Tagen in vielleicht vernünftigerer Grundhaltung zu Leben und Kino als allerletzte Kitsch-Schmonzette durchgeht. Und an einem anderen Tag, wie dem, an dem mich "Winter´s Tale" erwischte ... nun ja ... mag sein, dass es dieses Bild mit Colin Farrell auf dem Schimmel auf der New Yorker Brooklyn Bridge war. Mag sein, dass es das diabolische Grinsen des mal wieder grandios präsenten Russell Crowe als Dämon war.
    "Ich will ihn umbringen, sodass er für immer tot bleibt."
    Mag sein, dass es die Schönheit von Jessica Brown-Findlay war - die, die als Sybil in der Serie "Downton Abbey" ach so früh sterben musste. Von allem dem sozusagen geblendet, störte mit der fulminante Romantik-Kitsch von "Winter´s Tale", ja, er ist da, massiv, kein bisschen.
    "Ich wollte gerade die Wohnung ausrauben. - Wollen Sie das immer noch? - Nein, will ich nicht. - Dann gebietet es jetzt wohl die Höflichkeit, ihnen eine Tasse Tee anzubieten."
    Also: Einbrecher Peter Lake - Colin Farrell - verliebt sich Anfang des letzten Jahrhunderts (...) "Wenn du mich jetzt nicht liebst, wird es niemand mehr tun." (…) in die todkranke junge Frau (…) "Ihr Name war Beverly." (…) was der Dämon verhindern will. Die Frau stirbt, aber 100 Jahre später ist Peter immer noch keine Falte älter und kann (…) "Vielleicht hast du noch etwas zu erledigen." (…) mit der Reinkarnation von Beverly (…) "Alles klar? - Ich bin Abby, und wie heißt du?" (…) den romantischen Job zu Ende bringen. Und da ist dann auch wieder - vor 100 Jahre zuvor - der Schimmel, der wie einige andere Figuren ungeahnte Kräfte hat. Fantasy, Melodram, Liebesromantik geben sich die Hand. Und nicht rational, eher mit verträumten Augen nun die Bewertung:
    "Winter´s Tale" von Akiva Goldman - kitschig, herrlich, hach, irgendwie schön.
    "Das finstere Tal" von Andreas Prochaska
    Ein Reiter kommt in das einsame Tal hoch in den Bergen. Im Gepäck die Winchester, das düstere Geheimnis über seine und die Vergangenheit der Menschen hier im Tal. Und da ist der ... nach Rache. Western eben. An einem ungewöhnlichen Ort für das Genre.
    "Und dann haben sie den Fremden zu uns gebracht. - Über den Winter." Natürlich hätten die Brenners, die Herrscher im Tal, ihn verjagt aber der Sack mit Goldmünzen ist ein Argument, ihn den Winter zu dulden."Begrüße den Gast. Und das ist jetzt euer Kostgänger." Hätte der älteste Brenner-Sohn nur geahnt, was es bedeutet, wenn dieser angebliche Fotograf aus Amerika auf die Frage antwortet, warum er deutsch spricht: "Meine Mutter hat es mir beigebracht."
    Der Film "Das finstere Tal", den Andreas Prochaska nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Willmanns inszeniert hat, ist eine tiefe Verbeugung vor Genre. Sam Riley, der Fremde, im Dauer-Duell des kühlen Blicks gegen Tobias Moretti als ältestem Sohn der Brenner-Sippe.
    "Sie werden kommen und mich suchen." Dass diese visuell beachtliche Version eines Schneewestern - Hommage an Klassiker wie Corbuccis "Leichen pflastern seinen Weg" - am Ende unter der Last der Stilisierung von Bildern, Motiven und Figuren eher zusammenbricht, weil er es überzieht, das ist schade. Aber das Blut beim Showdown (…) "Sie werden kommen und mich suchen." (…) macht sich natürlich sehr gut macht auf dem Weiß des Schnees. Und am Ende reitet der einsame Held ... nun ja, auch in dieser "Alpen-Version".
    "Das finstere Tal" von Andreas Prochaska - empfehlenswert.